Welche globalen makroökonomischen Trends werden 2025 die grössten Auswirkungen auf institutionelle Anleger haben? 

In der Zusammenfassung kann man sagen, alles, was das Wachstum, die Inflation und die Zinsentwicklung beeinflusst, wird die Märkte beeinflussen. Und Donald Trump hat uns natürlich sehr geholfen, aktiv ins neue Jahr zu starten. Es gibt aktuell eine Vielzahl an Schlagzeilen, und es wäre leicht, sich in diesen zu verlieren. 
 

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Zur Person: 

Sonja Laud ist Chief Investment Officer, Asset Management bei Legal & General Investment Management (LGIM). Hier ist sie für ein Kundenvermögen von gut 1,3 Billionen Euro verantwortlich. 

Haben Sie hier ein Beispiel?

Stichwort Zolldynamik. Donald Trump war sehr klar darüber, dass Zölle für ihn eine grosse Rolle spielen. Dass es so schnell Kanada treffen würde, kam aber überraschend. Das hat kurzfristig Volatilität erzeugt, was Preissteigerungen und Inflation mit sich bringen kann. Die Zolldynamik wird uns 2025 auf jeden Fall beschäftigen. Doch es ist wichtig für Anleger und auch für uns, zu unterscheiden, ob es sich um langfristige fundamentale Veränderungen handelt oder ob es um eine kurzfristige Schwankung geht. 

Also am besten erst einmal einen klaren Kopf bewahren?

Sie müssen die Situation realistisch analysieren. Aber es ist klar: Auch Europa und China werden in den Fokus rücken. Und werden die Zölle plötzlich auf 25 Prozent angehoben, hat das Folgen. Im Land, in dem die Zölle erhoben werden, wirkt sich das negativ auf das Wachstum aus; im Land, das die Zölle erhebt, ist es primär inflationär. Bislang hat der Markt die ganzen positiven Nachrichten von Trump eingepreist, aber nicht die negativen. Der Markt hofft auf ein Goldilocks-Szenario und Anleger müssen sich möglicher asymmetrischer Sensitivitäten des Marktes bewusst sein. Erinnern Sie sich an den Januar, als infolge des Deepseek-Auftauchens der Aktienkurs von Nvidia um fast 17 Prozent fiel. Das war ein Verlust von insgesamt rund 600 Milliarden Dollar und damit der grösste Kursverfall in der Geschichte eines US-Unternehmens. Das hat niemand in dem Ausmass kommen sehen.

Was ist mit geopolitischen Risiken? Was könnte hier auf uns zukommen?

Geopolitische Risiken müssen wir im Auge behalten. Und auch hier werden die USA und Donald Trump eine wichtige Rolle spielen. Die ersten Amtstage haben gezeigt, wie schnell und breit er eingreifen wird. Wir alle haben seine Vision für Gaza gehört, vielleicht geht es zeitnah um die Ukraine. Für Anlegende aber gilt es nun, einen Schritt zurückzutreten. Bislang haben die Konflikte im Mittleren Osten und in der Ukraine keine nachhaltigen Veränderungen bei Wachstum oder Inflation bewirkt. Daher wird auch nicht viel Positives eingepreist werden können, falls die Konflikte gelöst werden – ausser natürlich die Erleichterung über das Ende des Konfliktes. Daher noch einmal: Es geht wirklich immer darum, zu verstehen, welche Entscheidungen tatsächlich Einfluss auf die globalen Fundamentaldaten haben und welche eher kurzfristige Bewegungen auslösen. 

Welche Erwartungen haben Sie bezüglich der Zinsschwankungen? Experten stellen in den Raum, dass der Leitzins der SNB in diesem Jahr die Null erreichen wird.

Geopolitik ist wichtig, aber das Zinsniveau ist zweifellos wichtiger. 2024 sahen wir die ersten Zinssenkungen, vor allem in Europa, wo das Wachstum schwach war. Die Schweizer Nationalbank und die EZB haben klare Signale für weitere Zinsschritte gegeben. In den USA hingegen bleibt die Inflationsentwicklung ein zentraler Unsicherheitsfaktor. Wenn zum Beispiel höhere Zölle oder Immigrationsthemen den Inflationsdruck erhöhen, könnten diese Faktoren den Spielraum für Zinssenkungen einschränken. Es ist ein Balanceakt, besonders in Ländern mit schwächeren Wachstumsprognosen und vergleichsweise höherer Inflation wie Grossbritannien. Aber auch hier wird die Zolldynamik Einfluss nehmen. 

Inwiefern?

Wie gesagt haben die Zölle Einfluss auf die Inflation und das Wachstum. Unter diesen Bedingungen wird die Aufgabe der Zentralbanken deutlich schwieriger. 

Wie schätzen Sie die Situation spezifisch für die Schweiz ein?

Ich muss gestehen, dass ich keinen direkten Fokus auf die Schweiz habe. Aber die Zinsdifferenz zu Euro- und Dollar-Raum und die starke Währung sind wichtige Themen für die Schweizer Wirtschaft und die Nationalbank. Der starke Dollar und die daraus resultierenden Belastungen auf den Euro sind ebenfalls ein wichtiger Faktor, den man in Betracht ziehen muss. Eine höhere Zinsdifferenz könnte zusätzlichen Druck auf den Euro ausüben und die Währungsstabilität beeinflussen. Auf der anderen Seite lässt diese Entwicklung Exporte deutlich attraktiver aussehen. 

Seit einigen Jahren fallen auch die ESG-Kriterien zunehmend schwerer ins Gewicht. Wie wirkt sich das auf Anlageentscheidungen aus?

ESG-Kriterien haben eine natürliche Evolution durchgemacht. Anfangs war die Definition sehr breit gefasst, unterdessen sind die Anforderungen an Transparenz und Nachweisbarkeit gestiegen. Anleger möchten sicherstellen, dass ihre Investitionen nicht nur nachhaltig, sondern auch ertragreich sind. Dabei spielen Transparenz und Messbarkeit eine grosse Rolle. Viele ESG-Kriterien beeinflussen massgeblich und direkt die Wertschöpfung von Unternehmen. Nun geht es darum, zu zeigen, dass diese Faktoren nicht nur ethisch wichtig, sondern auch finanziell sinnvoll sind. 

Stichwort Stabilität: Wie gehen Sie als Organisation mit der derzeitigen Unsicherheit Ihrer Kundinnen und Kunden um? Welche Rolle spielt der Liquiditätsbedarf?

Planung und Verständnis des eigenen Liquiditätsbedarfs und finanzielle Ziele sind heute entscheidend. Denn ein gutes Liquiditätsmanagement ist nötig, um die Notwendigkeit von Verkäufen in einem schwachen Marktumfeld zu vermeiden. In unsicheren Zeiten wie diesen besteht die Herausforderung darin, nicht vorschnell zu handeln. Die zentrale Frage ist immer: Wann benötige ich Liquidität? Dies gilt sowohl für institutionelle als auch für private Anleger. Ein klarer Plan und eine fundierte Analyse des Liquiditätsbedarfs sind unerlässlich, um die Marktvolatilität erfolgreich zu managen.

Welche Rolle spielen hier alternative Anlagen – welche sind derzeit attraktiv?

Infrastrukturprojekte und private Kredite sind attraktiv. Infrastrukturprojekte unterstützen das langfristige Wirtschaftswachstum und sind oft mit wichtigen Themen wie Digitalisierung und Energiewende verbunden. Viele Unternehmen ziehen es vor, privat zu bleiben, anstatt öffentlich gelistet zu sein. Dies erweitert die Anlagemöglichkeiten für Investoren erheblich. Private Equity bleibt weiterhin eine der etabliertesten und attraktivsten Alternativen, die in einem gut diversifizierten Portfolio nicht fehlen sollte. Private Anleihen und Infrastruktur bieten ebenfalls attraktive Möglichkeiten.

Wie wird sich die Digitalisierung und künstliche Intelligenz auf die Anlagebranche auswirken?

Sie werden eine bedeutende Rolle spielen, da sie enorme Potenziale zur Prozessoptimierung und Verbesserung der Produktivität haben. Besonders erwähnenswert sind Fortschritte in der Datenverarbeitung und -analyse. Beispielsweise kann KI die Effizienz von Analysten erhöhen, indem sie Daten automatisiert sammelt und verarbeitet. Dies ermöglicht es Analysten, sich auf die Interpretation der Daten und strategische Entscheidungen zu konzentrieren. Es ist faszinierend, zu sehen, wie schnell sich die Technologie entwickelt und wie sie möglicherweise komplette Analyseprozesse und Portfolioverwaltung übernehmen wird.

Welche Ziele möchten Sie mit Legal & General Investment Management im Jahr 2025 erreichen?

Wir sind einer der grössten Pensionsfondsmanager in England und möchten unsere Expertise in diesem Bereich weiter ausbauen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Besonders im Bereich der sogenannten Defined-Contribution-Pensionsfonds sehen wir grosses Potenzial. Dies sind langfristig orientierte Fonds, die Laufzeiten von Jahrzehnten aufweisen können. Zudem bleiben ESG-Kriterien und ihre transparente Integration in Anlageentscheidungen ein wesentlicher Fokus für uns. Hier frage ich mich persönlich, ob es nicht Zeit ist, die Wortwahl auszutauschen. ESG hat ein Stück weit eine negative Konnotation bekommen. Wir sollten uns mehr auf Wertschöpfung und die Integration von möglichen Risiken konzentrieren. Vielleicht nimmt das ein wenig Emotionen raus. 

Gibt es bestimmte Regionen oder Länder, die Sie als besonders interessant für zukünftige Investitionen betrachten?

Europa könnte 2025 tatsächlich eine Überraschung bieten. Die Erwartungen an Europa sind derzeit extrem niedrig, während die USA hohe Erwartungen haben. Das negative Sentiment gegenüber Europa könnte dazu führen, dass sich hier unerwartet positive Anlagechancen ergeben. Natürlich hängt alles von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und den Auswirkungen möglicher Zölle ab, aber das Risiko-Rendite-Verhältnis könnte sich in Europa als günstig erweisen. In China hingegen bleiben die Erwartungen niedrig, was ebenfalls Möglichkeiten bieten könnte.

Abschliessend Ihr Rat an institutionelle Anleger für dieses Jahr?

Bleiben Sie neutral, rational und pragmatisch. Lassen Sie sich nicht von kurzfristiger Volatilität und Schlagzeilen leiten, sondern konzentrieren Sie sich auf die fundamentalen Daten und die langfristigen Ziele. Ein gutes Liquiditätsmanagement ist entscheidend, um nicht in eine ungünstige Verkaufssituation zu geraten. Falls Liquiditätsbedarf absehbar ist, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um Massnahmen zu ergreifen. Es ist auch ratsam, das Portfolio breit zu diversifizieren und eine Mischung aus risikoarmen und renditestarken Anlagen zu halten.