2023 war das Volumen nachhaltiger Finanzanlagen in der Schweiz gegenüber dem Vorjahr gemäss der Marktstudie «Nachhaltige Anlagen» noch um 3 Prozent gestiegen (jüngere Zahlen liegen noch nicht vor). Für das vergangene Jahr zeichnet sich bestenfalls ein gehaltenes Volumen ab. Im Vergleich dazu haben die nicht nachhaltigen Anlagen in den vergangenen Jahren zweistellige prozentuale Zuwächse verzeichnet. Als Gründe für die niedrigeren Volumen führt die Marktstudie verfeinerte Messmethoden bei solchen Anlagen sowie Veränderungen bei der Erfassung auf: Einige institutionelle Investoren hatten angegeben, dass sie keine Anlagen mehr melden, die lediglich Ausschlüsse oder die ESG-Integration als Ansatz melden.
Institutionelle sind gut informiert
«Oftmals ist es ein fehlender beziehungsweise unzureichender Einblick in die Belegbarkeit und Echtheit der von den Firmen publizierten ESG-Daten, die wenig vergleichbar und in vielen Fällen nicht nachvollziehbar sind», sagt Professor Florian Schreiber, der an der Hochschule Luzern (HSLU) den Masterstudiengang «Banking and Finance» leitet, zu den Herausforderungen von nachhaltigen Anlagen für Investoren. «Zudem können bewusst falsche, fehlerhafte oder unvollständige Informationen von Unternehmen, die Greenwashing betreiben, den Investitionsentscheid von Investoren positiv beeinflussen, was für diese wiederum ein erhebliches Reputationsrisiko darstellt.» Hinzu kommen weitere Aspekte, wie beispielsweise die Unsicherheit hinsichtlich der Performance von nachhaltigen Anlagen, insbesondere vor dem möglichen Druck von Dritten, in solche Investments investieren zu müssen. «Schlussendlich bleibt jedoch die Frage, ob sich diese Anlagen tatsächlich besser als nicht ESG-konforme Anlagen schlagen und die Renditeerwartungen der Investoren erfüllen können, oder ob die Letzteren Abstriche bei der Performance in Kauf nehmen müssen?», gibt Schreiber zu bedenken.
Die Anlegenden sind aufgeweckt
Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Investitionen in ESG-konforme Anlagen hat laut Schreiber während der letzten Jahre zugenommen, was an der thematischen Breite und Vielfalt der aufgelegten Fonds abgelesen werden kann. «Institutionelle Investoren sind – im Gegensatz zu Kleinanlegern – meist gut informiert und haben die notwendige Expertise im Bereich Nachhaltigkeit», beobachtet Adrian Peyer, Partner und Co-Head ESG-Practice bei der Anwaltsfirma MME Legal/Tax/Compliance. «Jedoch gibt es aktuell in der Schweiz nur im Bereich der Fonds gewisse Transparenzanforderungen, basierend auf dem Kollektivanlagengesetz (KAG), welche durch die FINMA 2021 durch ihre Aufsichtsmitteilung 05/21 konkretisiert wurde.»
Ansonsten bestehen nur die 2024 überarbeiteten Selbstregulierungen der Asset Management Association Switzerland (AMAS), der schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und der Swiss Sustainable Finance (SSF). «Der Bundesrat hat im Juni 2024 entschieden, zur Vermeidung von Greenwashing weiterhin auf Selbstregulierung zu setzen und vorläufig auf eine gesetzliche Regulierung auf Verordnungsstufe zu verzichten», so Peyer weiter. «Dies im Gegensatz zur EU, welche Greenwashing im Finanzbereich durch verschiedene Regulierungen (EU-Taxonomy, CSRD, SFRD, MiFID II) detailliert reguliert hat.»
Anlagegelder sind wichtig für Klimaziele
Bereits heute gibt es diverse Regulierungen im Finanzbereich. «Der neu eingeführt Art. 3 Abs. 1 lit.x UWG konkretisiert die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen an klimabezogene Aussagen für sämtliche Industrien und Unternehmen, also nicht nur für den Finanzbereich», präzisiert Peyer. «Somit müssen auch Anbieter von Finanzprodukten klimabezogene Aussagen wie beispielsweise Net-Zero-Fonds belegen können, damit dies nicht als unlauterer Wettbewerb gilt.»
Trotz Regulierungen und Selbstregulierungen liegt laut Peyer eine der grössten Herausforderungen für institutionelle Investoren in der Transparenz und der Vergleichbarkeit sowie Verifizierbarkeit der Daten beziehungsweise der gemachten Aussagen betreffend die Nachhaltigkeit der Finanzprodukte. Eine weitere grosse Herausforderung für international tätige institutionelle Investoren sei die politische Diskussion über «ESG» in der EU sowie in den USA. «Hier gilt es, insbesondere in den USA genau zu verfolgen, welche Kriterien im Investitionsentscheid einbezogen werden dürfen beziehungsweise wie diese Investment Guidelines ausgestaltet werden», rät der Experte. So verbieten beispielsweise einige US-Staaten den kategorischen Ausschluss von Investitionen in fossile Industrien. «Hier besteht ein Litigation-Risiko in den USA», warnt Peyer.
«In der Strategie zum Finanzplatz Schweiz hat der Bundesrat festgelegt, dass er die Schweiz als Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen weiter stärken und fördern möchte», folgert Peyer. «Ebenso ist die Lenkung der Finanzströme hin zu nachhaltigen Unternehmen und Produkten wichtig, um die schweizerischen Klimaziele wie Net Zero 2050 wie im neuen Klima- und Innovationsgesetz (KIG) festgelegt, zu erreichen. Somit werden institutionelle Investoren weiterhin eine wichtige Rolle spielen, um diese – politischen – Ziele zu erreichen.»