Wird sich der Schweizer Aktienmarkt nach einem durchzogenen Jahr 2023 in den kommenden Monaten erholen? Zwar stimmt das wirtschaftliche Umfeld nicht besonders zuversichtlich, doch die Schweizer Aktien verzeichnen Fundamentaldaten und beeindrucken insbesondere mit ihrer Dividendenkapazität.
2023 reichte einerseits der Optimismus nicht aus, um den Small Caps und Mid Caps auf die Sprünge zu helfen, anderseits war die Stimmung nicht derart schlecht, als dass die defensiven Werte davon profitiert hätten. Erschwerend hinzu kamen die Schwäche der drei Börsenschwergewichte, die Franken-Stärke und das Comeback der Anleihen.
Die Autoren
Éric Chassot, Leiter Aktienanlagen, BCV, Lausanne
Sylvain Bornand, Investment Manager Aktien Schweiz, BCV, Lausanne.
Sorgenkind Deutschland
Die Performance der einzelnen Sektoren wird 2024 selbstverständlich von der Konjunkturentwicklung abhängen. Den eher zyklischen Schweizer Small Caps und Mid Caps würde eine Trendwende bei den Konjunkturfrühindikatoren zugutekommen. Die Entwicklung in der EU, allen voran in Deutschland, spielt hier eine massgebliche Rolle. Zwar haben sich die Schweizer KMU in geografischer Hinsicht diversifiziert, aber die EU bleibt die wichtigste Handelspartnerin. Vieles wird davon abhängen, welche Konjunkturmassnahmen die deutsche Regierung 2024 umsetzen wird.
Der Schweizer Industriesektor wird nicht nur durch die Konjunkturflaute in Europa und China in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch durch die Spätfolgen der Corona-Krise. War es nach den Lockdowns und den Liefer- und Produktionsengpässen zu einem starken Anstieg des Auftragseingangs gekommen, so findet gegenwärtig ein Lagerabbau statt, der 2024 zum Abschluss kommen sollte. Mit dem Ende der Corona-Krise ging auch die pandemiebedingte Nachfrage nach Biotech-Produkten, medizinischen Instrumenten und Medikamenten zurück. Dies wird beim Umsatzwachstum der entsprechenden Anbieter zu negativen Basiseffekten führen.
Die Inflation liegt zwar wieder im Zielband für die Preisstabilität, aber die Schweizerische Nationalbank bleibt wachsam. Für die Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, ob und inwieweit sie den Kostenanstieg auf ihre Kundschaft überwälzen können. Für viele Unternehmen ist dies kein Problem, da sie in ihrer Nische gut positioniert sind. In den Analysen gilt es auf jeden Fall, den Preis- und Mengeneffekten auf die künftigen Ergebnisse Rechnung zu tragen.
Auch die Zinsentwicklung gibt zu reden. Zum einen führte sie zu einem Comeback der Anleihen und mithin einer ausgewogeneren Portfolioallokation zwischen Aktien und Anleihen. Zum anderen belastete sie die Börsenbewertungen der Firmen, da sie eine Verringerung der erwarteten Cashflows zur Folge hatte. Mit Blick auf die Börsenbewertungen ist zu bedenken, dass die Konsensgewinnerwartungen für 2024 bereits hoch sind und möglicherweise nicht mehr stark steigen werden beziehungsweise auch sinken könnten. Da der Zinsanstieg höhere Finanzierungskosten bedeutet, schlägt er sich auch in den Unternehmensbilanzen nieder. Wann und wie stark dieser Effekt zum Tragen kommt, hängt allerdings nicht zuletzt auch von der Fälligkeitsstruktur der Schulden eines Unternehmens ab. Im Übrigen sind die Auswirkungen je nach Sektor sehr verschieden. 2023 erzielten etwa die Versicherungen – insbesondere die Lebensversicherungen – eine Outperformance gegenüber den Finanzdienstleistern – ein Trend, der sich in den nächsten Monaten umkehren könnte. Im gegenwärtigen Umfeld, in dem die Zinsen immer noch relativ hoch sind, spricht auch die niedrige Verschuldung der öffentlichen Einrichtungen und der Unternehmen für den Schweizer Markt. Dies gilt insbesondere für die Small Caps und Mid Caps. Dank der durch die Schuldenbremse herbeigeführten finanzpolitischen Stabilität profitieren die KMU von guten Rahmenbedingungen. Sie verfügen meist über eine komfortable Kapitalausstattung und hohe Liquiditätsreserven. Dies dürfte ihren Aktien zugutekommen, sollte sich das Umfeld eintrüben.
Solide Dividenden
Die hohen Dividendenrenditen gehören seit über zwei Jahren zu den am meisten beachteten Anlagethemen am Schweizer Aktienmarkt. Ein Drittel der SPI-Titel weist eine Dividendenrendite von über 3 Prozent aus. Mit mehr als 50 Milliarden Franken haben die in Form von Dividenden an die Aktionäre und Aktionärinnen ausgeschütteten Erträge 2023 einen neuen Rekordstand erreicht. Der Trend dürfte sich 2024 fortsetzen. Die Abspaltung der Generikasparte Sandoz von Novartis sollte dividendenseitig keine Verschlechterung bringen. Novartis wird ihre Dividende nach der Abspaltung ihrer Tochter nicht senken, und Sandoz stellt eine Dividendenausschüttung von 20 bis 30 Prozent des Reingewinns in Aussicht.
Wer die Entwicklung am Schweizer Markt verstehen will, kommt auch dieses Jahr nicht darum herum, die globale Wirtschaftsentwicklung eng zu verfolgen. Ein wichtiger Gradmesser ist die Entwicklung der Rendite zehnjähriger US-Treasuries, zumal dieses Jahr in den USA Präsidentschaftswahlen stattfinden. So drücken etwa Wahlversprechen für tiefere Medikamentenpreise erfahrungsgemäss auf die Kurse der Pharmatitel. Weitere ungünstige Faktoren sind die geopolitischen Spannungen und die Franken-Stärke.