Es herrscht fokussierte Betriebsamkeit in den Labors von Evatec im sankt-gallischen Trübbach. Das Schweizer Unternehmen ist auf die Entwicklung, Produktion und den weltweiten Verkauf von Hightechanlagen im Bereich Thin-Film-Technologie spezialisiert. Beschichtet werden beispielsweise Bestandteile von Smartphones, Halbleiter oder LED. Zudem entwickelt Evatec auf Kundenwunsch neue Prozesse für massgeschneiderte Produkte.
Entsprechend hoch sind die Sicherheits- und Hygienevorschriften. Besucher dürfen die Forschungsstätten nur in Begleitung und Schutzkleidung betreten, vieles ist für die Kamera unseres Fotografen tabu. Trotzdem spürt man eine entspannte Atmosphäre. Ein Grossteil der 267 Mitarbeitenden am Hauptsitz wohnt in der Umgebung, die Verbundenheit mit dem Unternehmen wie auch die Kontakte untereinander sind eng.
Es ist diese Schweizer Unternehmenskultur, die CEO Andreas Wälti und CTO Marco Padrun auch in den Evatec-Aktivitäten im Ausland etablieren wollten. Der Schritt zum Export war von Anfang an vorgezeichnet. Schon immer lag der Anteil der im Ausland installierten Anlagen bei rund 98 Prozent.
«Als wir wuchsen und die Konkurrenzsituation sich verschärfte, merkten wir, dass wir näher beim Kunden sein mussten. Und zwar mit eigenen Leuten.»
In den Nullerjahren setzte Evatec in Deutschland und den USA auf Partnerschaften, im asiatischen Raum arbeitete man mit Agenten zusammen. Diese waren in der Regel für verschiedene Firmen tätig und verfolgten häufig eine kurzfristige Planung. Ressourcen investierten die Agenten dort, wo am schnellsten Profit zu machen war – welche Interessen dabei gewahrt wurden und welche weniger, spielte kaum eine Rolle. «Als wir wuchsen und die Konkurrenzsituation sich verschärfte, merkten wir, dass wir näher beim Kunden sein mussten. Und zwar mit eigenen Leuten», sagt Andreas Wälti. Ziel war es, schnellere und ungefilterte Informationen zu erhalten sowie langfristiger und intensiver mit den Auftraggebern zusammenarbeiten zu können. «Wir wollten Mitarbeitende, die exklusiv für uns arbeiten und auf Evatec fokussiert sind», erklärt Wälti.
2016 wurden die Agentenmodelle in Asien durch die Gründung der ersten beiden Auslandsniederlassungen abgelöst. Singapur, Malaysia, China und Japan sind rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften, Taiwan ist eine Niederlassung von Evatec. Entwicklung, Produktion und Zusammenbau blieben in der Schweiz.
Südostasien gilt als eine Region mit boomenden Märkten und einem grösseren Wachstum als China. Die halbe Milliarde Einwohner stellt nicht nur günstige Arbeitskräfte, sondern eine immer breiter werdende Mittelschicht mit westlichen Konsumansprüchen. Die dürften in den nächsten 20 Jahren noch steigen und Schweizer Firmen eine Menge Potenzial bieten.
Um in den südostasiatischen Ländern erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen verschiedene kulturelle Besonderheiten beachten. Wie in China dürfen Verhandlungspartner auf keinen Fall das Gesicht verlieren, westliche Verhandlungstaktiken oder Pünktlichkeitsansprüche funktionieren nicht. Zudem bedarf es mehrerer Meetings, bis Vertrauen aufgebaut ist.
Als sich Evatec in Südostasien niederliess, profitierte das Unternehmen von der Tatsache, bereits in der Region aktiv und vernetzt zu sein. Über private Kontakte gelangten Wälti und Padrun an einen taiwanesischen Experten, der ihnen beim Aufbau der neuen Standorte zur Seite stand. Der asiatische Manager verfügt über langjährige Erfahrung mit dem Westen, spricht beide kulturellen Sprachen und kann allfällige Stolpersteine aus dem Weg räumen. «Dank dieser Ausgangslage ist es uns gelungen, Fettnäpfchen und Fehler zu vermeiden, die uns langfristig Probleme bereitet hätten», schildert Wälti.
Evatec entschied sich für einen behutsamen Start. Die Firmengründungen wurden über ein internationales Consultingunternehmen abgewickelt. Bei der Finanzierung setzte das Unternehmen auf die in Singapur präsente Schweizer Hausbank UBS, welche alle Konten betreut und die gesamte Währungsabsicherung übernimmt.
Den ersten Schreck erlebten die Evatec-Gründer kurz nach dem Markteintritt in Malaysia. Über Nacht hatte die Regierung beschlossen, dass nur noch in der Landeswährung Ringgit gehandelt werden durfte. «Für uns war das neu und völlig unerklärlich», verrät Wälti. Die Schweizer Jungunternehmer hatten keine andere Wahl, als sich anzupassen und den Verkauf von Ersatzteilen in Ringgit abzuwickeln. Davon unberührt blieb glücklicherweise der Handel von ganzen importierten Maschinen in Fremdwährung.
«Wenn man sich für den Export entscheidet, muss man die Gesetze beachten, die in den jeweiligen Ländern gelten», zieht Wälti Bilanz. Bezüglich Steuern engagieren die Evatec-Gründer für jeden Markt spezialisierte Beratungsunternehmen, die das Optimum für die Schweizer Firma definieren. «Bei internationalen Geschäften geht es immer darum, wo und wie Gewinne anfallen. Dies wollen wir sauber abgeklärt haben.»
Um möglichst schnell und unkompliziert in Südostasien Fuss fassen zu können, mietete sich Evatec in sogenannten Shared Offices ein: betreute Bürokomplexe, in denen die gesamte Infrastruktur – von Telefonanlagen bis hin zu Meetingräumen – vorhanden ist. Anders als andere westliche Unternehmen rekrutierten Wälti und Padrun von Anfang an lokale Mitarbeitende, um sprachliche und kulturelle Barrieren gegenüber den Kunden zu vermeiden. Er sei positiv überrascht gewesen, zu sehen, wie viele Leute bereit waren, für eine neue Schweizer Firma zu arbeiten, die in der Region kaum jemand kannte, schildert der CEO.
Die gesamte asiatische Evatec-Belegschaft wurde für drei Monate zu einem Produkttraining nach Trübbach geflogen. Da sowohl Singapur als auch Malaysia sehr multikulturell sind und der Umgang mit anderen Bevölkerungsgruppen zum Alltag gehört, gab es keinerlei religiöse oder kulturelle Reibungen. Die Weiterbildung wurde in Südostasien durch Schweizer Spezialisten fortgeführt; zudem haben die neuen Angestellten die Möglichkeit, ihre Englischkompetenzen mittels Onlinesprachkursen zu verbessern. Bezahlt werden nicht Schweizer, sondern ortsübliche Löhne und Sozialleistungen.
Rückblickend würde Andreas Wälti noch mehr Zeit in das Training der frisch rekrutierten Mitarbeitenden investieren, speziell in die Sprachkenntnisse und in die Schulung am Standort Trübbach. «Zwölf Wochen in der Schweiz reichen kaum aus, um den Leuten Gelegenheit zu geben, Schweizer Arbeitskollegen und Freunde zu finden, die sie auch einmal anrufen könnten, wenn Fragen auftauchen.» Schliesslich würden sie zu Hause nicht in einer Umgebung arbeiten, in der alles Know-how vorhanden ist und man schnell bei einem erfahrenen Kollegen Rat suchen kann.
Bezüglich Kommunikation habe man die Beschäftigten darauf hinweisen müssen, dass zwei Personen miteinander sprächen, für die Englisch eine Fremdsprache sei. Wenn man aber kurze, prägnante Sätze formuliere und Ausschweifungen vermeide, könnten Missverständnisse reduziert werden. «Die Kommunikation ist das A und O», betont Wälti.
Ein Jahr nach dem Schritt in Richtung Singapur und Malaysia folgten eine Tochtergesellschaft in China und eine Niederlassung in Taiwan. Seit 2018 ist Evatec zudem in Japan präsent. Auch in diesen Märkten sucht das Unternehmen Unterstützung bei lokalen Vermittlern, die mit kulturellen und gesetzlichen Gegebenheiten vertraut sind. Oft sei die Rechtslage sehr komplex. Um die Situation zu analysieren und Wege zum Aufbau weiterer Geschäfte zu finden, brauche es die Expertise von Einheimischen.
«In Japan sind die Geschäftspartner extrem höflich und zuverlässig.»
Auch punkto gesellschaftlicher Umgangsformen und Mentalität müsse man sich von Land zu Land umstellen. «In China kann es auf einer Sitzung schon mal laut werden. Das ist aber normal und in einer halben Stunde vergessen. In Japan sind die Geschäftspartner extrem höflich und zuverlässig, zugleich gibt es Prozesse, die bei Entscheidungen exakt eingehalten werden müssen», fügt Wälti hinzu. Sämtliche Standorte in Asien sind Verkaufs- oder Serviceeinheiten. Trotz möglicher Subventionen will Evatec ihre Produktion nicht ins Ausland verlegen. Die Anlagen seien relativ aufwendig, zudem wolle man das Know-how in der Schweiz behalten. «Nach unserer Auffassung lohnt es sich preislich in diesem Segment, dem komplexen Maschinenbau, kaum, in einem Billigland zu produzieren», erklärt der CEO. Auch eigene Liegenschaften in Asien zu bauen, sei kein Thema. Mittlerweile habe man jedoch die Shared Offices verlassen und Büroräumlichkeiten gemietet.
Für Evatec hat sich der Schritt ins Ausland gelohnt. Das Unternehmen wächst weiter, ohne dass es schwerwiegende Rückschläge hätte hinnehmen müssen. Dennoch hatten Wälti und Padrun stets eine Exitstrategie in der Schublade. «Wir haben uns vertieft Gedanken darüber gemacht, was wir tun, wenn es nicht klappen sollte. In so einem Fall wären wir zum ursprünglichen Agentensystem zurückgekehrt.» Im japanischen Markt, der für westliche Firmen schwierig ist, fährt Evatec doppelspurig. Neben einer eigenen Gesellschaft mit lokalen Beschäftigten existiert eine Zusammenarbeit mit einem Agenten. Je nachdem, in welche Richtung die Entwicklung steuert, soll in Zukunft auf das eine oder andere Modell gesetzt werden.
Als einen der grossen Glücksmomente im Expansionsprozess nennt Wälti den Augenblick, als die erste Bestellung über den eigenen Kanal eintraf. Ebenfalls motivierend sei gewesen, wie gelassen die Mitarbeitenden in Malaysia reagierten, als die ersten Löhne wegen einer nicht funktionierenden Bankverbindung bei einer ortsansässigen malaysischen Bank mit ein paar Tagen Verspätung eintrafen. Am meisten freut sich Andreas Wälti jedoch darüber, dass die Leute in den Auslandseinheiten heute die Schweizer Firmenkultur leben und sich mit Evatec identifizieren.
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