Solche Aussagen hört man in kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) oft: «Ich sprühe noch vor Energie, da mag ich nicht an eine Übergabe denken.» Doch in der Schweiz stehen über 93 000 KMU in den kommenden Jahren vor einer offenen Nachfolge. Das zeigt eine Studie des Wirtschaftsberaters Dun & Bradstreet aus dem Jahr 2022.
Die in der Schweiz am häufigsten gewählte Art der Nachfolge ist die familieninterne Übergabe. Für diese Art der Unternehmensübergabe gelten per 1. Januar neue erbrechtliche Rahmenbedingungen. Die wesentlichsten Änderungen betreffen die Reduktion der sogenannten Pflichtteile, also jene Mindesterbteile, die vom Gesetz her im Todesfall vorgeschrieben sind. Die Pflichtteile für eigene Kinder werden reduziert, diejenigen für Eltern fallen vollständig weg.
Frei verfügbare Quote steigt
Mit der höheren freien Quote kann eine Unternehmerin das Kind, das den Betrieb übernimmt, einfacher begünstigen. Ein Beispiel: Eine Unternehmerin mit Ehemann und zwei Kindern hinterlässt ein Nachlassvermögen von 2 Millionen Franken, wovon 1 Million auf den Wert des eigenen Unternehmens entfällt. Gemäss auslaufendem Gesetz liegt der Pflichtteil des überlebenden Ehepartners bei 500 000 Franken und die Pflichtteile der Kinder bei total drei Achteln des Nachlassvermögens, also je 375 000 Franken. Die frei verfügbare Quote liegt somit bei 750 000 Franken. Gemäss neuem Gesetz beträgt der Pflichtteil für die beiden Kinder noch je einen Achtel, also 250 000 Franken – die frei verfügbare Quote steigt dadurch auf 1 Million Franken.
Der Autor
Marco Meier, Leiter Geschäftsentwicklung und Spezialprodukte Firmenkunden, Raiffeisen Schweiz, St. Gallen.
Betriebswirtschaftlich ist die neue Regelung sinnvoll. Denn oft kommt es vor, dass ein Kind die anderen Geschwister nicht auszahlen kann. Die Unternehmerin erhält nun die Möglichkeit, in ihrem Testament dem Nachfolger die freie Quote zuzuweisen und ihn zu stärken. Im Rahmen eines Erbvertrages mit der ganzen Familie können mit Einwilligung der Beteiligten auch Regelungen ausserhalb des Pflichtteilsrechts definiert werden. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten die Nachfolgeregelung nicht nur mit Blick auf die erbrechtlichen Rahmenbedingungen vornehmen, sondern auch weitere wichtige Schritte bedenken. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:
- Frühzeitige Planung Der Stichtag einer Nachfolge ist nicht der entscheidende Moment, wenn auch der emotionalste. Entscheidend für eine erfolgreiche Übergabe an die nächste Generation sind die Jahre davor. Die Faustregel besagt eine Vorbereitungsphase von fünf Jahren.
- Kommunikation Interessenkonflikte können in Familien genauso auftreten wie ausserhalb. Wenn die Bedürfnisse und Vorstellungen aller Beteiligten frühzeitig auf dem Tisch liegen, können sie auch diskutiert werden. Sobald eine Nachfolgelösung getroffen ist, sollte auch die Kommunikation im Unternehmen erfolgen. Das gibt den Mitarbeitenden Sicherheit und Perspektive.
- Szenarien durchdenken Welche Nachfolgeszenarien können eintreten? Was soll geschehen, wenn die Wunschvorstellung nicht umgesetzt werden kann? Wie hoch ist der Verkaufspreis? Die Auseinandersetzung mit solchen Fragen hilft den Beteiligten, Wünsche des oder der Übergebenden nachvollziehen zu können.
- Emotionale Hürden überwinden Unterstützung von aussen ist äusserst wertvoll. Unsicherheit und Emotionen sind bei solchen Entscheidungen normal. Ein neutraler Berater bringt Struktur in den Prozess, behält den Überblick und kann Emotionen abfedern.
Weitere Erleichterungen geplant
Um bei der erbrechtlichen Übertragung eines Unternehmens weitere Stolpersteine zu beseitigen, will der Bundesrat die Unternehmensnachfolge mit zusätzlichen erbrechtlichen Massnahmen erleichtern. Neu soll beispielsweise eine Erbin oder ein Erbe das Unternehmen übernehmen können, auch wenn der Erblasser sich dazu nicht geäussert hat. Das heisst, dass künftig auf Antrag einer Erbin und unter gewissen Voraussetzungen ihr das gesamte Unternehmen zugewiesen werden kann. Ziel dieser angedachten Regelungen ist, zu verhindern, dass KMU aufgrund einer unklaren Erbregelung zerstückelt oder gar geschlossen werden müssen.
Auf rechtlicher Ebene stehen somit einige Änderungen an, die Unternehmerinnen und Unternehmern Sicherheit geben sollen. Wer frühzeitig die Weichen für eine reibungslose Nachfolge stellt und sich Jahre vor der eigentlichen Übergabe mit dem emotionalen Thema auseinandersetzt, ist im Vorteil.