Klar ist: Auch eine nachhaltige Zukunft ist ohne Beton und Zement undenkbar. Das geht auch aus der Klimastrategie des Bundes zum Netto-null-Ziel 2050 und aus einem 2020 erschienenen Bericht über die Rohstoffversorgung in der Schweiz hervor: Auch in einer dekarbonisierten Welt braucht es den Baustoff weiterhin. Das hat seine Gründe: Beton ist dauerhaft, belastbar, widersteht Druck und Feuchte, brennt nicht und ist vollständig recycelbar. Schon die Römer kannten Beton.
Nachhaltiges Betonbauen ist möglich
Aber: Für die Betonherstellung benötigt man Zement. Gerade dieser sorgt beim Beton für dessen bedeutende Eigenschaften: Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Robustheit. Das Bindemittel entsteht zu einem grossen Teil aus Kalkstein, Ton oder Mergel. Brennt man diese Gesteine bei Temperaturen bis 1450 Grad Celsius, entsteht Klinker – bei diesem Prozess entweichen grosse Mengen CO₂ aus Brennstoffen sowie Kohlenstoff aus dem Kalkstein in die Atmosphäre. Nicht zu knapp: Jährlich werden mehr als 4,5 Milliarden Tonnen Zement verbraucht. Und die weltweite Zement- und Betonproduktion verursacht jedes Jahr rund 2,5 Milliarden Tonnen CO₂-Emissionen. Das ist rund doppelt so viel wie der gesamte weltweite Flugverkehr.
Was machen? Oft wird der Branche Nichtstun vorgeworfen. Doch sie schläft nicht. «Die Zementindustrie setzt bereits heute 69,1 Prozent der benötigten Brennenergie aus alternativen Brennstoffen ein», sagt David Plüss vom Branchenverband Cemsuisse. Konkret bedeutet das: Noch 1990 entwichen 4,2 Millionen Tonnen CO₂ in die Atmosphäre – 2021 waren es mit 2,9 Millionen Tonnen bereits bedeutend weniger. Doch das ist immer noch zu viel. Zumal es für Bauherren heute schon möglich ist, nachhaltig mit Beton zu bauen. Doch das genügt nicht, um netto null im Jahr 2050 zu erreichen. Das neue Zauberwort heisst Abscheidung und Lagerung von CO₂.
Der weltgrösste Zementhersteller Holcim mit Sitz in Zug tüftelt an einer klimaverträglichen Produktion. Eine Autostunde von Brüssel entfernt steht eines der grössten Zementwerke Europas. Ab 2029 will der Holcim-Konzern hier in Obourg CO₂-neutralen Zement produzieren. Möglich machen soll das die sogenannte Carbon-Capture-and-Storage-Technologie (CCS). Das bei der Produktion freigesetzte CO₂ wird abgeschieden und im Untergrund gelagert. Das braucht noch einiges an Tüfteleien – und das geht ins Geld: Bis 2030 will Holcim weltweit rund 2 Milliarden Franken in die CCS-Technologie stecken.
Auf die Nutzung von recyceltem Beton als CO₂-Speicher setzt das Berner ETH-Spin-off Neustark. Im Stadterneuerungsprojekt «Läbe im Burgereziel» in der Stadt Bern setzt die Bauunternehmung Losinger Marazzi auf die neue Technologie des Startups: Sie verbaut rund 600 Kubikmeter des klimafreundlichsten Betons der Schweiz. Es ist bisher der grösste Wohnbau in der Schweiz und das grösste Immobilienprojekt, bei dem das neuartige Material eingesetzt wird.
In den USA arbeiten Forscher an einem Superkondensator: Zement als Stromspeicher.
Beton absorbiert CO₂
In einem ersten Schritt wird von Neustark dabei Kohlendioxid aus der Atmosphäre gefiltert und verflüssigt. Anschliessend wird Betongranulat, das aus dem Rückbau anderer Bauwerke stammt, mit dem Kohlendioxid in Verbindung gebracht. Rund zehn Kilo CO₂ können auf diese Weise pro Kubikmeter Beton dauerhaft gebunden werden. Kommt hinzu: Die Zementmenge im Frischbeton kann auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum gesenkt werden, was die Klimabilanz des Neustark-Betons bei gleichbleibender Qualität um rund 10 Prozent verbessert. Die neuen Gebäude in Bern werden zudem auf natürliche Weise nochmals CO₂ aus der Atmosphäre aufnehmen. Gemäss einer von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) durchgeführten Studie werden knapp 10 Prozent der totalen CO₂-Emission von Betonbauwerken während ihrer Lebensdauer absorbiert. Und ganz wichtig: Die Kombination von Recyclingbeton-Granulat und CO₂-Technologie bringt ungeachtet der deutlichen Ressourceneinsparungen einen Beton hervor, der in jeder Hinsicht gleichwertige statische Eigenschaften aufweist wie ein Primärbeton aus Sand und Kies.
Noch schöner: Gemäss dem Massachusetts Institute of Technology arbeiten amerikanische Forscher an einem Superkondensator. Dieser soll Russ, Wasser und eben auch Zement zur Energiespeicherung nutzen. Und so könnte ausgerechnet Zement in Fundamenten, Strassen und Wänden zum Stromspeicher werden. Die Wunschvorstellung: Eine Solaranlage auf dem Dach produziert Energie. Diese kann dann in der Baumasse gespeichert und bei Bedarf genutzt werden. So würden Beton und Zement von Klimakillern zu Klimarettern.
2 Kommentare
Zum Abschnitt „Beton absorbiert CO2“
10 kg CO2 pro Kubikmeter Beton absorbiert und damit „eingespart“ - das sind rund 4% jener Menge, welche für die Herstellung dieses Kubikmeters Beton freigesetzt worden waren (mit Kosten für das Einsammeln und Eintragen von CO2 aus der Atmosphäre in den rezyklierten Zuschlagsstoff = unbekannt). Da fragt man sich, ob nicht allein bei der statischen Bemessung eines tragenden Betonteils - je nach Lastannahmen und Wirkungsweise - ein Mehrfaches an kostenlosem(!) Einsparpotential besteht!
Es gibt bereits seit Jahren eine Möglichkeit um im Hochbau viel Beton und somit Zement und somit CO2 zu sparen. Aber das interessiert niemand. Nicht mal Bund und Länder die ja viel bauen. Die lassen alle Betondecken in Vollbeton realisieren anstatt auf die etwas teurere, dafür aber 25 % Beton sparende Technologie mit dem Einbau von Hohlkörpern zu setzen. Jeder von denen redet zwar vor allem angesichts einer TV Kamera wie wichtig CO2 sparen wäre - aber wenns drauf ankommt ist es jeden egal. Dabei bietet der Einbau von Verdrängungskörpern aus recyceltem PVC (irgendwo müssen die leeren Plastikflaschen ja hin) nicht nur CO2 Ersparnis sondern auch lichte Weiten von bis zu 16 m - wenn schlaff bewährt - und sogar bis zu 19 m in Verbindung mit Vorspanntechnik. Die Technik ist seit zig Jahren bekannt und am Markt - sie wird aber ignoriert. Dabei hätten damit schon tausende Tonnen von CO2 gespart werden können.