Die Modebranche verursacht rund 10 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen – mehr als die internationale Luft- und Seeschifffahrt zusammen. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur wurden durch den Kauf von Textilien in der EU 2020 pro Person etwa 270 Kilogramm CO₂-Emissionen generiert. Dies bedeutet, dass die in der EU verbrauchten Textilerzeugnisse Treibhausgasemissionen in der Höhe von 121 Millionen Tonnen verursachen.
In der Schweiz sind die Verhältnisse anders: «Wir fliegen deutlich mehr als der globale Durchschnitt, weshalb Flugreisen bei uns etwa 15 Prozent aller CO₂-Emissionen ausmachen und Mode mit etwa 325 Kilogramm CO₂-Emissionen pro Person und Jahr nur etwa 2,5 Prozent», sagt Christoph Meili, Nachhaltigkeitsexperte bei WWF Schweiz.
Dass der ökologische Fussabdruck der Textil- und Bekleidungsbranche so gross ausfällt, liegt unter anderem an der Produktion: Insbesondere der Anbau von Baumwolle und anderen Rohstoffen sowie das Spinnen, Weben und Färben der Textilien verbrauchen viel Energie und tragen massgeblich zum Carbon-Footprint bei. Synthetische Fasern wie Polyester bestehen zudem grösstenteils aus Erdöl, das bei der Entsorgung und Verbrennung direkt zur Klimaerhitzung beiträgt.
«Die Fast-Fashion-Industrie fördert eine Kultur des Überkonsums, was zu einem Anstieg des Abfalls und der Emissionen führt. Viele Menschen kaufen mehr Kleidung als nötig und tragen sie nur kurze Zeit, bevor sie sie entsorgen», erklärt Meili. Weil die neuen Textilien immer schneller bei den Konsumentinnen und Konsumenten sein müssen, werden die Kleider für Fast Fashion immer häufiger mit dem Flugzeug transportiert. Dies trägt dazu bei, dass deren Fussabdruck erheblich höher ist als jener von Textilien, die per Schiff transportiert werden.
Was kann man dagegen tun? Laut Meili braucht es eine Abkehr von der schnelllebigen Mode: «Wir brauchen wieder mehr Qualität statt Quantität. Das heisst, wir sollten Langlebigkeit und modulare Kleidung – also wenige Kleidungsstücke, die sich vielfältig kombinieren lassen – zum Trend machen.» Zudem fordert der WWF mehr nachhaltige Materialien sowie die Implementierung von Ökodesignrichtlinien, die dazu führen, dass Kleidung länger haltbar wird. Relevant seien auch eine verantwortungsvolle Entsorgung und die Einführung von Programmen, die es verpflichtend machen, Kleider zurückzunehmen oder zu recyclen.
Pilotprojekt der Hochschule Luzern
Doch was geschieht mit den zurückgenommenen Altkleidern? Einige werden gespendet oder gelangen in den Secondhandverkauf, andere werden in einem Downcycling-Verfahren zu Produkten wie Putzlappen verarbeitet und damit für eine kurze Zeit weiter nutzbar gemacht. Um die textile Kreislaufwirtschaft zu verbessern, lancierte die Hochschule Luzern (HSLU) das Projekt Texcircle, das vor zwei Jahren abgeschlossen wurde. Es hatte das Ziel, Recyclingprozesse so zu optimieren, dass die ursprünglich eingesetzten Materialien effizient als Rohstoffe für hochwertige neue Produkte wiederverwendet werden können. Laut der Projektleiterin Tina Tomovic ist die Wiederaufbereitung von Textilien aufgrund ihrer verschiedenen Komponenten besonders schwierig. Sowohl die Sortierung als auch die Aufbereitung von Altkleidern erfolgen grösstenteils in aufwändiger Handarbeit. Im Projekt konnten unterschiedliche Sortier- und Aufbereitungsmethoden getestet werden – wenn immer möglich in einem industriellen Massstab.
Dank verschiedenen Partnern aus der Wirtschaft, die die recycelten Textilfasern zu neuen Produkten verarbeiteten, konnte die Marktfähigkeit verschiedener Prototypen getestet werden. Mit im Boot waren unter anderem das Bundesamt für Zivildienst, Coop, Rieter, Ruckstuhl oder Workfashion. Nicht alle gesammelten Textilien liessen sich überhaupt wiederverwenden, bei einigen sei die Verarbeitung zu ineffizient und kostenintensiv gewesen. Wie Tomovic erklärt, konnte man jedoch einige Erfolge verzeichnen: So produzierte das Winterthurer Unternehmen Rieter beispielsweise Pullovergarn aus alten Jeanshosen. Die Arbeitskleiderspezialistin Workfashion verarbeitete alte Kissen- und Deckenfüllungen zu Isolationsfutter für Arbeitswesten. Die Firma Rohner Socks stellte aus alten T-Shirts des Zivildienstes und abgetragenen Bäckerhosen von Coop neue Socken her. Vorgabe war, dass die Qualität sämtlicher Prototypen mindestens denselben Standard hatte wie herkömmliche Produkte, die im Handel waren. Das Fazit der Projektteilnehmenden: Garne aus Post-Consumer-Waste eignen sich dazu, neue Produkte mit mehr Wertschöpfung herzustellen, ohne dass bezüglich Qualität, Lebensdauer oder Tragekomfort Abstriche gemacht werden mussten. Die grössten Hürden bei diesem Neudenken der Wertschöpfungskette sind die erheblich höheren Preise der Rohstoffe und der Verarbeitungsschritte.
Greenwashing in der Modebranche
Unter Greenwashing versteht man den Versuch, ein umweltfreundliches Image vorzutäuschen, ohne tatsächlich nachhaltige Praktiken umzusetzen. Basierend auf einer Analyse des unabhängigen Think-Tanks Planet Tracker zeigt der WWF auf, welche Formen von Greenwashing in der Modebranche häufig sind:
- Greenlighting: Ein Unternehmen hebt ein kleines, grünes Projekt hervor, um von insgesamt weniger nachhaltigen Praktiken abzulenken. Zum Beispiel betont es den Recyclinganteil einer Schuhsohle, während der Rest des Schuhs nicht nachhaltig produziert wird.
- Greenlabelling: Produkte werden mit vagen, unbewiesenen Behauptungen als umweltfreundlich deklariert, ohne konkrete Details zur Nachhaltigkeit zu liefern.
- Greenshifting: Die Verantwortung für Umweltschutz wird auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abgewälzt, während das Unternehmen selbst keine wesentlichen Massnahmen ergreift, um umweltschädliche Praktiken zu reduzieren.
- Greencrowding: Solche Unternehmen verstecken sich hinter kollektiv formulierten, oft wenig ambitionierten Nachhaltigkeitszielen, ohne selbst substanzielle Änderungen vorzunehmen.
- Greenrising: ESG-Ziele (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) werden regelmässig angehoben oder geändert, bevor sie erreicht werden, um den Anschein von Fortschritt zu erwecken.
- Greenhushing: Diese Unternehmen berichten absichtlich wenig oder gar nicht über ihre Nachhaltigkeitsleistungen, um Kritik zu vermeiden.
«Diese Formen zeigen, dass Greenwashing darauf abzielt, das Image eines Unternehmens zu verbessern, ohne tatsächliche ökologische Verantwortung zu übernehmen», sagt Stephan Egloff vom WWF Schweiz, der sich besonders mit dem Thema Greenwashing auseinandersetzt.