Die Kreislaufwirtschaft entwickelt sich zunehmend zu einem zentralen Thema für die produzierende Industrie wie zum Beispiel Hersteller von Industrie-, Medizinal- oder Konsumgütern. Das traditionelle lineare Wirtschaftsmodell stösst an seine Grenzen. Im Zeitraum zwischen 2016 und 2021 hat die Weltwirtschaft 582 Milliarden Tonnen an Materialien verbraucht, was beinahe so viel ist wie die 740 Milliarden Tonnen an Rohstoffen, welche im gesamten 20. Jahrhundert benötigt wurden. Im Jahr 2023 betrug der Anteil an sekundären Rohstoffen global betrachtet lediglich 7,2 Prozent. Diese Übernutzung der Ressourcen und die damit einhergehenden Umweltauswirkungen zeigen, dass eine Umstellung unerlässlich ist, um in Zukunft wirtschaftlichen Wohlstand und Umweltverträglichkeit in Einklang zu bringen. Doch welche Herausforderungen gilt es zu meistern, und welche Strategien existieren?

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Der Autor

Ronny Hoffmann ist Sustainability Consulting Manager bei Zühlke in Schlieren.

Herausforderungen bei der Implementierung der Kreislaufwirtschaft

Die obigen Zahlen verdeutlichen, dass die Transformation in die Kreislaufwirtschaft, welche über das Recycling hinausgeht, noch nicht vollbracht ist. Augenscheinlich zögern viele Unternehmen mit der konsequenten Umstellung, was auf eine Vielfalt an technologischen und organisatorischen Herausforderungen zurückzuführen ist. Im «Statusbericht der Schweizer Kreislaufwirtschaft» der Berner Fachhochschule und der ETH wurden die für Unternehmen essenzielle Herausforderungen erfasst. Eine der zentralen Hürden ist mangelnde Innovationskraft in vielen Unternehmen. Dieser Umstand zeigt sich beispielsweise dadurch, dass die Unternehmen ihre Produkte als ungeeignet für das Operieren innerhalb einer Kreislaufwirtschaft erachten und sich eine Adaption nicht vorstellen können. Dies liegt häufig nicht an der technischen Machbarkeit, sondern an der mangelnden Fähigkeit, bestehendes Wissen auf neue, zirkuläre Geschäftsmodelle, Produktdesigns und Prozesse zu übertragen. Die Unternehmen verharren oft auf ihren traditionellen Technologien und Prozessen, was als «technological path dependence» bezeichnet wird.

Inmitten dieser Herausforderungen können die im Rahmen des European Green Deals definierten Regulierungen eine wichtige Rolle spielen, um den Wandel zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Diese Regulierungen setzen klare Rahmenbedingungen, die die Unternehmen zwingen, ihre Strategien und Prozesse anzupassen und die Vorteile der Kreislaufwirtschaft zu nutzen. Für produzierende Unternehmen zentral sind beispielsweise die «Ecodesign for Sustainable Products Regulation» (ESPR), die «Batteries and Waste Batteries Regulation» oder auch die «Right to Repair Directive».

 

Lösungsansätze und Transformationsstrategien

Um die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft zu meistern und die damit verbundenen Chancen zu nutzen, existieren verschiedene Lösungsansätze und Transformationsstrategien. Eine erfolgreiche Methode ist die Betrachtung der Kreislaufwirtschaft als systemischer Veränderungsprozess, der alle Unternehmensbereiche betrifft und bestehende Silos aufbricht. Unser Leitfaden zur erfolgreichen Transformation umfasst fünf Phasen und erstreckt sich über die Dimensionen Strategie, Geschäftsmodelle, Ökosystem, Prozesse und Produkte. In der ersten Phase geht es darum, eine integrierte Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, die ehrgeizige Ziele für die Kreislaufwirtschaft enthält. Diese Ziele sollten operationalisiert und entsprechende Massnahmen abgeleitet werden. Ein Beispiel ist die Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in die Entwicklungsprozesse, da rund 80 Prozent der Umweltauswirkungen von Produkten in den frühen Phasen der Produktentwicklung festgelegt werden.

Wichtige Werkzeuge sind die Nutzung von Ökobilanzen (sogenannte Life Cycle Assessments, kurz LCAs) zur Beurteilung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. LCAs ermöglichen beispielsweise eine Bewertung von Produktfunktionen nicht nur nach Herstellungskosten, sondern auch nach Umweltauswirkungen. Eine solide Datenbasis ist entscheidend für die Entwicklung von Produkten, die den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft entsprechen, wie etwa verbesserte Reparierbarkeit. Dies führt uns zurück zu langlebigen, reparierbaren Produkten mit zeitlosem Design. Die Unternehmen stehen jedoch vor diesem Dilemma: Längere Produktlebensdauer bedeutet weniger Absatz. Ein umfassendes Geschäftsökosystem kann jedoch helfen, die längere Lebensdauer zu monetarisieren und die Kundenbindung zu stärken. Durch die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung von Produkten und Services wird ein auf Services ausgerichtetes Geschäftsmodell möglich. Datenerfassung und -verarbeitung spielen hierbei eine wesentliche Rolle, indem sie etwa vorausschauende Wartung ermöglichen und die Produktlebensdauer verlängern.

Es ist klar: Nur durch ein tiefes Systemverständnis und das Aufbrechen von Silos können Unternehmen die Vorteile der Kreislaufwirtschaft vollständig nutzen. Unternehmen, die diese Herausforderung annehmen, werden langfristig wettbewerbsfähiger und nachhaltiger agieren. Es liegt an uns, diesen Wandel aktiv zu gestalten.