Das MIT, die Insead-Business-School oder die University of Cambridge – in der Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind die allerbesten Adressen der Welt vertreten. Hinzu kommen unzählige weitere Anbieter wie Fachhochschulen, Universitäten und andere Bildungsträger. Sie alle profitieren von einem säkularen Trend: Spätestens mit dem Geschäftsjahr 2028 sind auch die Schweizer Unternehmen mit Tochtergesellschaften und Niederlassungen von der EU-Taxonomie beziehungsweise von der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) betroffen. Spätestens dann wird das Thema Kreislaufwirtschaft zum Thema bei Weiterbildungen.
Grosse Wissensdefizite
«Man muss nach Zielgruppe differenzieren», sagt Rahel Ostgen, Leiterin Kreislaufwirtschaft beim Verband Swiss Recycle, einem privatwirtschaftlichen Kompetenzzentrum für die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz, auf die Frage nach den grössten Wissensdefiziten. «Beispielsweise besteht in der Bevölkerung noch ein Wissensdefizit in Bezug darauf, was die Kreislaufwirtschaft über das Recycling hinaus überhaupt ist und welche Angebote, beispielsweise im Bereich Reuse oder Repair, bestehen.» Bei Firmen sei die Kreislaufwirtschaft noch wenig verankert, was ebenfalls mit einem Wissensdefizit zu tun habe.
Praxiskurse (Abfallkurse.ch) und Webinare sollen helfen, Wissenslücken zu schliessen. Ergänzend hat man hier Tools und Wegweiser für bestimmte Anspruchsgruppen entwickelt. «Grundsätzlich ist uns der Bezug zur Praxis immer sehr wichtig und wird von den Teilnehmenden sehr geschätzt», sagt Ostgen. «Zudem ist natürlich die Sensibilisierung ein zentraler Aspekt bei der Vermittlung, was die Kreislaufwirtschaft ist und auch bringt. Hier platzieren wir über unsere verschiedenen Kanäle (Social Media) und Kampagnen die Botschaften, was Recycling und Kreislaufwirtschaft der Umwelt bringt und wieso es wichtig ist, mitzumachen.»
Mit «Anti-Littering und Recycling Heroes», das zusammen mit der IG Saubere Umwelt entwickelt wurde, gibt man auch Lehrpersonen diverse Materialien und Anleitungen an die Hand, um das Thema stufengerecht zu vermitteln. «Und auch bei unseren anderen Sensibilisierungs- und Kommunikationstools werden je nach Bedarf Aspekte der Gamification integriert – das hilft natürlich, gerade die jüngeren Zielgruppen entsprechend abzuholen», sagt Ostgen.
Unterschiedliches Branchenwissen
«Auch wenn das Thema Kreislaufwirtschaft auf zunehmendes Interesse stösst, ist es momentan vor allem für spezifische Bereiche besonders relevant», sagt Nico Pfändler, der am Center for International Industrial Solutions der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur ZH forscht. Die Teilnehmenden der einschlägigen Weiterbildungsangebote haben einen sehr diversen Hintergrund, von Bereichen wie Energie und Textil über Lebensmittel bis hin zur Finanzbranche. «Sie kennen das Thema Kreislaufwirtschaft bereits und sind privat sowie beruflich sehr interessiert am Thema», beobachtet Pfändler. Wichtig sei ein gesamthaftes Verständnis der Kreislaufwirtschaft. «Beispielsweise hat ein Product-as-a-Service-Geschäftsmodell nicht nur Auswirkungen auf das Produktdesign und die Fertigung – damit die Ressourcen eines Produkts wiederverwertet werden können –, sondern es verändert auch direkt den Cashflow und die Bilanz der internen Buchhaltung», erklärt Pfändler. «Ein ganzheitliches Verständnis der Kreislaufwirtschaft ist somit auf jeder Unternehmensebene und in jeder Unternehmensabteilung wichtig.»
In gewissen Branchen sei das Thema deutlich präsenter, so etwa in der Verpackungs-, Bau- und Textilindustrie, da hier viel Abfall am Ende der Pipeline entstehe und Ressourcennutzung beziehungsweise -effizienz immer wichtiger werde. Das Thema sei inzwischen aber auch in der Politik und im öffentlichen Diskurs angekommen und werde in Zukunft an Bedeutung gewinnen, da die Kreislaufwirtschaft Teil der sechs Umweltziele der EU-Taxonomie ist. «Durch die Regulierungen, aber auch Chancen der Kreislaufwirtschaft wird das Thema – hoffentlich – in die ‹normalen› Curricula eingehen», sagt Pfändler im Hinblick auf die zukünftigen Aussichten.