Die weltweite Materialgewinnung hat sich in den letzten 50 Jahren verdreifacht (Quelle: Global Resources Outlook, UN 2019). Gegenwärtig brauchen wir jedes Jahr so viele Ressourcen auf, als lebten wir auf 1,75 Erden (Quelle: Global Footprint Network 2022). Dabei fallen 2,01 Milliarden Tonnen Abfall an (Quelle: What a Waste 2.0, Weltbank 2016).

Der Autor

Corrado Gaudenzi, Head of Long Term Sustainable Strategies bei Eurizon

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Ein derartiges Produktions- und Konsumverhalten ist mit den Ressourcen unseres Planeten nicht mehr vereinbar. 33 Prozent der jährlich erzeugten Lebensmittel landen im Müll, 92 Prozent der Zeit bleiben Fahrzeuge in Europa geparkt. Dies bedeutet eine ineffiziente Produktionsweise und eine Übernutzung aller Freiflächen der Ballungsräume. Städte werden dadurch unbewohnbar.

Die Risiken bei der Rohstoffbeschaffung steigen, die Rohstoffpreise werden immer volatiler und die Abhängigkeit zahlreicher Länder von Importen nimmt zu. Die wirtschaftlichen Kosten wachsen ebenfalls: Die Luftverschmutzung verschlingt etwa 3,3 Prozent des weltweiten BIP (Quelle: Columbia University), und die Kosten der durch Plastik verursachten Meeresverschmutzung belaufen sich jährlich auf 2,5 Billionen Dollar (Quelle: Marine Pollution Bulletin).

 

Substanzielle Vorteile für Unternehmen

Die Umstellung hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist unerlässlich, um den unwiederbringlichen Verschleiss der natürlichen Ressourcen zu verhindern. Damit soll ein nachhaltigeres und integratives Wachstum vorangetrieben werden. In Unternehmen zu investieren, die führend beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sind und über eine bessere Unternehmensstruktur, hat mehrere positive Faktoren.

Sie sind weniger stark vom Rohstoffmarkt abhängig, setzen Materialien effizienter ein und können eine höhere Kosteneffizienz erzielen. Durch das Angebot begleitender Dienstleistungen, die den Verkauf von Produkten ersetzen, gelingt es ihnen, eine bessere Kundenbindung aufzubauen und kontinuierliche Umsätze zu generieren. Ausserdem ermöglichen die Anfangsinvestitionen zur Neuausrichtung des Produktionsprozesses und des Geschäftsmodells einen zunehmenden Netto-Cashflow, der sich mittelfristig als solide erweisen dürfte.

 

Auswahl der Firmen bei unzureichender Datenlage

Die Herausforderung besteht darin, den Grad an Kreislaufwirtschaft (Circularity Score) der Unternehmen genaust möglich zu messen. Derzeit gibt es jedoch von den Unternehmen noch keine ausreichend detaillierten Berichtsstandards. Daher hat der Vermögensverwalter Eurizon für langfristige Nachhaltigkeitsstrategien ein eigenes System entwickelt, um eine Bewertung der Kreislaufwirtschaft vorzunehmen.

Der Schwerpunkt liegt auf den Charakteristika des Produktionsprozesses, dem Geschäftsmodell und der Bereitschaft der Unternehmensleitung, den Weg der Kreislaufwirtschaft zu beschreiten.

Der Analyseprozess beginnt mit dem Sammeln von Rohdaten aus offiziellen Dokumenten wie Bilanzen, Nachhaltigkeitsberichten und allen anderen von den Unternehmen bereitgestellten einschlägigen Informationen. Der zweite Schritt besteht in der Klassifizierung und Standardisierung der Daten, um sie vergleichbar zu machen.

Im Anschluss daran werden die Daten auf drei Hauptkategorien von Indikatoren heruntergebrochen: den Produktionsprozess, das Geschäftsmodell und die Qualität der vom Vorstand umgesetzten Massnahmen. Der Produktionsprozess wird bei der Berechnung mit 65 Prozent gewichtet, das Geschäftsmodell mit 25 Prozent und die Qualität der Massnahmen des Vorstands mit 10 Prozent.

 

Bestimmung des Kreislaufwirtschaftsgrads für Sektoren

Die Daten aus den 2021 veröffentlichten Berichten von rund 470 im weltweiten Aktienindex vertretenen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes belegen auf einer Skala von 0 bis 10 einen durchschnittlichen Circularity Score von rund 0,8. Näher betrachtet haben sich die Unternehmen meist dazu entschlossen, ihre Produktionsprozesse umzugestalten, die Zusammensetzung der Ausgangsmaterialien, die Abfallwirtschaft und das Verpackungsmanagement zu optimieren. Bei der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle scheinen sie jedoch hinterherzuhinken.

Aus diesen Ergebnissen geht hervor, dass wir erst am Anfang des Überganges zu einer Kreislaufwirtschaft stehen und dass noch reichlich Spielraum für Verbesserungen vorhanden ist, der in den nächsten Jahren ausgeschöpft werden muss.