Als das Auktionshaus Christie’s am 11. März 2021 das Beeple-Werk «Everydays: The First 5000 Days» für 69 Millionen Dollar versteigerte, war das nicht nur ein Rekordbetrag für ein digitales Kunstwerk. Es war auch der Ausgangspunkt für weitere Projekte wie die hauseigenen Art + Tech-Summits, die Non-Fungible-Token-(NFT-)Verkäufe, die inzwischen auf einer eigenständigen digitalen Plattform abgewickelt werden.
Reine Vermittlerplattformen, wie sie von Ebay nach 1995 auf- und ausgebaut worden waren, haben sich als Zwei-Seiten-Marktplätze auch im Kunstbereich durchgesetzt: Je mehr Kunstinteressierte auf der einen Seite, desto attraktiver wird ein solcher digitaler Marktplatz auch für die Kunsthändler, Galerien und Verkäufer auf der anderen Seite. Laut Jonathan Knee, Forscher und Dozent an der Columbia Business School in New York, kommt bei solchen Plattformen dadurch ein selbstverstärkender Schwungrad-Effekt in Gang. Allerdings müssten die entsprechenden Geschäftsmodelle sorgfältig weiterentwickelt werden, sagte Knee Mitte Mai am Rande einer E-Commerce-Konferenz in Zürich – ansonsten werden auch Marktplätze obsolet oder in ihre Nischen zurückgedrängt.
Allein die Daten, die beim Betrieb der Marktplätze anfallen, sind für die Beteiligten von unschätzbarem Wert: Sie ermöglichen bessere, präzisere Schätzwerte und Einstiegspreispunkte. Hinzu kommen Regulierungen, wie man sie von den E-Commerce-Plattformen und dem Digital Banking kennt: Dazu gehören rigide Regelungen, wer an welchen digitalen Auktionen teilnehmen darf und wer nicht. Die Know-your-Customer-Prozeduren sowie die Regelungen gegen die Geldwäsche müssen ebenfalls eingehalten und überwacht werden. Denn es kam – und kommt – viel Geld von Interessierten, die ihre ersten Dutzenden von Millionen mit Bitcoins und weiteren Kryptowährungen gemacht haben.
Kontrollen sind bei digitalen Auktionen auch deshalb zunehmend wichtig geworden, weil Kunstschaffende teilweise nichts mit bestimmten Auktionshäusern oder potenziellen Käufern zu tun haben wollen. Und auch die Digitalkunst-Interessierten legen zunehmend mehr Wert auf die Einhaltung von ethischen Standards. Gesteuert werden solche Vorgänge auch mit der Blockchain-Technologie, die den NFT zugrunde liegt. Die NFT-Technologie ist laut Dirk Boll, President von Christie’s, nach wie vor ein Medium, das die Künstlerschaft interessant findet und einsetzt. «Mittlerweile gibt es erste NFT-zertifizierte Werke in Museen, die Kanonisierung hat begonnen und wird den Markt der dadurch etablierten Positionen stärken», so Boll. «Mit sorgfältiger Selektion des Angebots trägt Christie’s zu diesem Prozess bei. Insgesamt ist das Handelsvolumen aber gesunken, sowohl bezüglich der Zahl der Werke als auch bezüglich des Gesamtumsatzes.»
Serielle Objekte funktionieren besser
Die Tech-Community ist laut Boll nach wie vor daran interessiert, wie junge Künstlerinnen und Künstler mit einer Technologie umgehen, die in anderen Bereichen, beispielsweise im Finanzwesen, täglich zum Einsatz kommt. Digitale und Online-Auktionen funktionierten naturgemäss bei seriellen Objekten (Grafik, Fotografie, Multiples, Handtaschen, Armbanduhren), bei bekannten Œuvres und bei jüngeren Nachfragegruppen der Generation der Digital Natives, sagt Boll. «Eher komplex ist die digitale Vermarktung von Werken, deren Erhaltungszustand hohen Einfluss auf Preisbildung und Nachfrage hat, beispielsweise die Gemälde alter Meister.» Aber auch die lassen sich mittels virtueller Viewing-Räume aus der Nähe betrachten, selbst über grosse Distanzen. «Es wird sich zeigen, ob die Konkurrenz der Metaversen einen Konzentrationsprozess nach sich zieht», so Boll. « Womöglich wird sich eines Tages ein Metaverse für Kunstrezeption oder Kunstkauf durchsetzen.»