Ein Stück von einem echten Picasso für rund 4000 Franken? Als die Zürcher Sygnum Bank 2021 das Gemälde «Fillette au béret» von Pablo Picasso «tokenisiert» hatte, verursachte das weltweit Schlagzeilen. Rund fünfzig professionelle beziehungsweise institutionelle Investoren teilen sich seither den direkten Besitz an diesem Werk. Die gesetzliche Basis bildet das schweizerische Blockchain-DLT-Gesetz. Die technologische Grundlage stellt die Blockchain-Technologie, wie sie in einer anderen Variante beispielsweise auch dem Bitcoin zugrunde liegt. Denn laut den Analystinnen und Analysten der Citigroup lassen sich damit gleich mehrere Herausforderungen des Kunstmarktes lösen: Es lässt sich Vertrauen herstellen in einem Markt, in dem Fälschungen, Betrug und Diebstahl regelmässig vorkommen.

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Erste Ökosysteme entstehen

Seriöse Produzenten und Vermittlerinnen sichern über die Blockchain-Technologie die Angaben zu Ursprüngen, Echtheit und Provenienz von Werken. Auch die grossen Auktionshäuser und Galerien arbeiten zunehmend mit diesen Technologien, um Kunstwerke digital zu zertifizieren, und es entstehen inzwischen die ersten digitalen Ökosysteme in diesem Bereich. Denn die digitalen Zertifikate zu bestimmten Kunstwerken lassen sich in sogenannte Security-Token packen, die laut Analystinnen und Analysten interessierten Investoren eine Handhabe von Kunst ermöglichen, die den hohen Ansprüchen professioneller Investoren entsprechen.

Und es formieren sich erste Unternehmen wie Arcual, welche die Handhabung dieser Non-Fungible Token (NFTs) so weit vereinfachen, wie man das heute beispielsweise von Office-Dokumenten her kennt: Es lassen sich Kunstwerke und Transaktionen verifizieren, die eingespielten Erträge unter die Investoren proportional zu ihren Beteiligungen auszahlen und Transaktionen abwickeln. «Ich bin überzeugt, dass in Zukunft beim Kauf eines Gemäldes ein NFT automatisch mitverkauft wird», sagt Magnus Resch, der weltweit wichtigste Kunstmarkt-Ökonom, der an der Universität Yale unweit von New York lehrt. «Das ersetzt das Echtheitszertifikat, das heute in Papierform existiert.» Der Vorteil für den Sammler ist, dass es leichter ist, das Gemälde zu verkaufen, weil alle Parteien wissen, dass es echt ist. «Und jedes Mal, wenn es verkauft wird, bekommt der Künstler Tantiemen», so Resch.

Sein Buch «How to Create and Sell NFTs – A Guide for All Artists» ist vor einem Jahr auf Englisch und Ende März unter dem Titel «Als Künstler Geld verdienen» auch auf Deutsch erschienen. Es gilt unter Sammlerinnen, Künstlern, Galeristinnen und Galeristen und Museen bereits als Standardwerk.

Die Blase ist geplatzt

Bei Erscheinen des Buches hatte der NFT-Kunstmarkt sehr hohe und teilweise kaum noch nachvollziehbare Preise erzielt. Für die digitalen Bilder von The Bored Ape Yacht Club wurden Millionenbeträge ausgegeben. «Der Markt für digitale Kunst war eine riesige Blase, die getrieben wurde von Crypto-Investoren, die ein Produkt suchten, um ihr Geld zu investieren», kommentiert Resch. «Es ging nie um Kunst, es ging ausschliesslich um Gewinnmaximierung.» Diese Blase ist geplatzt. «Was bleibt, ist jedoch von grösserer Bedeutung: die Technologie. NFT sind Zertifikate, die in Zukunft beim Kauf von jedem Luxusgut verwendet werden, um die Echtheit zu garantieren», so Resch weiter. Er  hatte massgeblich zur Preisfindung im Kunstmarkt geforscht. «Die Preisfindung ist recht einfach: Die meisten Werke kosten weniger als 10 000 Euro», beschreibt er den Vorgang. «Um höhere Preise zu erzielen, muss der Künstler oder die Künstlerin ein Brand werden.» Während der NFT-Blase lief das über smarte Marketingtricks von wenigen Megasammlern, die einen Hype kreierten. «Im traditionellen Kunstmarkt übernehmen Galerien diesen Job und platzieren Künstler in ihrem Netzwerk von Sammlern und Museen», so Resch.  

Sowohl bei klassischer als auch bei digitaler Kunst sind damit die gleichen Kräfte wirksam, welche die Preise bewegen. Bei Kunst, die mit künstlicher Intelligenz hergestellt wird, gilt das nicht. «Die Relevanz von KI-Kunst wird übertrieben dargestellt», meint Resch. «Nur weil nun jeder Künstler sein kann, macht es ihn noch nicht erfolgreich.