Schon einiges ist über die Generation der Babyboomer oder eben Ü50 geschrieben worden. «In der Blütezeit der Wirtschaftsentwicklung geboren, von technischem Fortschritt beglückt und von materiellem Wohlstand verwöhnt.»

Dieses Leben war aber auch geprägt von Wirtschaftskrisen, geopolitischen Verschiebungen oder der Digitalisierung. Doch die Ü50 kämpfen mit einer miesen Reputation.

«Teuer sind sie», und man kolportiert, «sie sind nicht auf dem letzten Stand, langsam, zu wenig flexibel, eingefahren und ausgebrannt. Die Entwicklung in der Technik verschlafen sie meist.»

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Gerade die Zürcher FDP-Regierungsrätin Carmen Walker Späh (Jahrgang 1958) hat Anfang Oktober älteren Arbeitnehmenden «geraten», an ihren digitalen Kompetenzen zu arbeiten, und festigt den Eindruck, dass die Alten technisch abgehängt sind und mitgeschleppt werden müssen.

Diskriminierendes Rentensystem

Natürlich stimmen diese Beobachtungen bei einigen Ü50-Vertretern, doch sind sie auch bei allen anderen Generationen zu beobachten. Die schlechte Reputation entsteht meist in Excel-Listen, die von Buchhaltern ans Management weitergereicht werden und die Kosteneinsparungen suchen.

Die Pensionskassen diskriminieren die Ü50 massiv. Bei Arbeitnehmenden im Alter von 55 bis 65 werden 18 Prozent des koordinierten Lohnes als Sparbeitrag erhoben. Zum Vergleich: Bei 18- bis 24-Jährigen beträgt der Satz null Prozent und bei 25- bis 34-Jährigen sind es 7 Prozent.

Durch dieses veraltete Rentensystem werden ältere Angestellte systemisch teuer und massiv diskriminiert. Die Politik hat dieses Problem immer noch nicht gelöst, zum Beispiel durch einen Einheitssatz.

 

Grosse Erfahrung und hohe Leistungsbereitschaft

Was bei den Ü50 viel zu wenig gewürdigt wird: Sie verfügen über ein Gut, welches die jüngere Generation nicht besitzt, nicht besitzen kann: Erfahrung! Diese Mitarbeitenden mit langjährigen Fähigkeiten sind meist auch mit unternehmerischem Denken ausgestattet und sind bereits heute das Rückgrat in den meisten Unternehmen. Ein Punkt, der in den kurzfristigen Kosteneinsparungsrunden von Managern wenig berücksichtigt wird.

Und viele Meldungen in den vergangenen Wochen zeigen es. Die Ü50 werden wichtiger. Denn die jüngeren Generationen haben eine völlig andere Einstellung zur Arbeitswelt. Begriffe wie Work-LifeBalance oder Kind/Job-Vereinbarung bringen HR-Verantwortliche in Bedrängnis. Unternehmen müssen sich an die Vorgaben dieser fordernden Generationen anpassen.

Diese neuen Arbeitsmodelle bringen bestehende Abläufe in Bedrängnis und Verteuern zudem die Arbeit. Dazu werden interne und externe Weiterbildungen, Sabbaticals oder monatelange Absenzen gefordert, was eine Mittelplanung erschwert und, das wird in der Diskussion vernachlässigt, auch die Konkurrenzfähigkeit angreift.

In St.Gallen wurde eben eine Werbeagentur in den Medien bekannt, die seinen Angestellten neu acht Wochen Ferien bei gleichem Lohn anbietet – und von Bewerbungen überrannt wurde. Die Geschäftsführung ist überzeugt, dass sich das langfristig gut auf die Motivation und Kreativität der Mitarbeitenden auswirken wird. Ob dies genügen wird, bezweifle ich.

 

Anspruchsdenken vieler jüngeren Mitarbeitenden

Denn die jüngeren Generationen sind dafür bekannt, dass sie kaum mehr länger als drei bis fünf Jahre in einem Unternehmen bleiben. Karriereplanung ist heute für HR kaum möglich. Diese Jobhopper-Kultur kommt die Unternehmen teuer zu stehen. Diese Kosten tauchen aber in den Excel-Listen der Unternehmen nicht auf.

Dieser Umstand bringt für erfahrene Mitarbeitende in Zukunft wieder Vorteile. Das Stigma, dass sie alte, ausgebrannte und zu teure Mitgeschleppte sind, bröckelt. Vor allem wenn man die vielen Frühpensionierungen und Entlassungsrunden sieht, die immer noch von kurzsichtigen Managern forciert werden. Für Erfahrung gibt es heute zwar kein Diplom. Versierte Rekruter erkennen und berücksichtigen beim Lesen eines Lebenslaufes diese langjährig erarbeitete Qualität jedoch von jenen der zertifizierten Schaumschläger.

Die Unternehmen wissen oft nicht, welch kostbares Gut verloren geht, wenn sie nur auf die Kosten schauen. Es ist ein eigentlicher «Braindrain». Ohne den Franken umzudrehen, ein paar Anmerkungen, warum Kosten eine miese Ausrede und ein schlechtes Argument darstellen, Ü50 rauszuschmeissen.

Vor kurzem erzählte mir eine junge Dame aus dem Schweizer Management eines US-Unternehmens, dass junge Mitarbeitende nach erfolgreichem Bestehen der Probezeit zeitnah das HR aufsuchen, um ihre persönlichen Befindlichkeiten zu adressieren: Reduktion der Arbeitszeit (Work-Life-Balance); Sprachaufenthalt; Homeoffice (da Kind zu Hause und beide Elternteile arbeitstätig); Weiterbildung auf Kosten des Unternehmens. Die Liste ist nicht abschliessend.

Wie sich dieAblehnung des Wunsches oder ein Vertrösten auf später auf die Arbeitsmoral auswirkt, kann man sich vorstellen. Statistisch gesehen sind die Stellenwechsel der Belegschaft im Alter zwischen 25 und 39 Jahren am häufigsten und die Firmenzugehörigkeit somit am kürzesten. 40 Prozent dieser Altersgruppe wechseln die Arbeitsstelle innerhalb von ein bis drei Jahren. Die Kostenfolge kann mit rund einem Jahresgehalt veranschlagt werden.

 

Spezialisiert auf ältere Mitarbeitende

Auch statistisch belegen lässt sich, dass ein älterer Mitarbeitender eine deutlich längere Firmenzugehörigkeit aufweisen wird, denn er bleibt oft bis zur Pensionierung dem Unternehmen erhalten. Seine Entscheide fussen auf Erfahrungen, sind oft pragmatisch und für den Arbeitgeber nachhaltiger und kostensparender.

Die Fehlerquote ist geringer und zieht weniger Nachbearbeitung oder Reklamationen mit sich. Zudem muss der Vorgesetzte nicht um seinen Sessel fürchten, was Ruhe ins Team und Beständigkeit bringt. Dies hat einen Wert und sollte in eine HR-Strategie einfliessen. Die Unternehmen sind sich oft kaum bewusst, welch wertvolles Gut sie in ihrer Belegschaft horten.

Auch die demografischen Zahlen sprechen dafür, älteren Mitarbeitenden Sorge zu tragen und auch bei Neueinstellungen Erfahrungsträger nicht auszuschliessen. Im Gegenteil. Wissbegierige junge sollen nicht gegen beständige und erfahrene ältere Mitarbeitende ausgespielt werden, denn jeder kann vom anderen lernen.

So fokussiert sich ein Medienmanager in Zürich auf diese Kategorie. «Ich stelle gerne frühpensionierte Mitarbeitende ein. Sie sind hochmotiviert und leisten hervorragende Arbeit. Auch Frauen sind für unser Unternehmen eine Wohltat. Sie sind 100 Prozent fokussiert, einsatzbereit und gute Teamplayer. Ein Gewinn für jedes Unternehmen, egal in welchem Alter.»

Der Wille jedes Unternehmens muss es also sein, eine Belegschaft mit den besten Mitarbeitenden zusammenzustellen. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Neigungen und Präferenzen. Das muss Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen klar werden. Ganz abgesehen davon, welche Spätfolgen ein Ausschluss für die Gesellschaft und Sozialwerke bedeutet.

Ein Gastbeitrag von Markus Rothweiler, Geschäftsführer, Conexus, Pfäffikon.