Arancha González tritt an wie zum Weckappell. Die ehemalige spanische Aussenministerin ist der erste Programmpunkt des Lucerne Dialogue Annual Meetings am Donnerstagmorgen – und offenbar fest entschlossen, die Zuhörenden zünftig aufzuwecken. In nur 15 Minuten rast González durch ihren Vortrag zur Rolle des Aussenhandels und zur Frage, wie Europa seine wirtschaftliche und politische Sicherheit angesichts einer zweiten Trump-Regierung, des amerikanischen Systemwettbewerbs mit China und des anhalten Kriegs in der Ukraine neu definieren kann.

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«Es gibt keine De-Globalisierung!», ruft González zu Beginn energisch von der Bühne. Die weltweite wirtschaftliche Verflechtung sei nicht passé. Es gebe lediglich Verschiebungen in der «Geografie des Handels», also in den Fragen, wie Lieferketten funktionierten und wer überhaupt noch mit wem handle. Was sie dann auch direkt zu ihrem Kernanliegen führt: Friendshoring. Das bedeutet, Handel vor allem mit jenen Ländern zu betreiben, mit denen man gemeinsame Werte teilt.

Absage an Friendshoring  

Diesem Konzept erteilt die Spanierin eine klare Absage: «Freundschaft ist grossartig. Aber internationaler Handel dreht sich nicht darum, zwischen Freunden und Feinden aufzuteilen», sagt die Ex-Politikerin, die heute als Dekanin der Pariser Hochschule für Internationale Angelegenheiten an der Sciences Po arbeitet.

González spricht sich daher klar gegen Zölle aus: «Arbeiter und Arbeiterinnen werden nicht durch Zölle geschützt, sondern mit starken Sozialsystemen», sagt sie. Ein klarer Seitenhieb auf Donald Trump, ohne dessen Namen zu nennen. In Sachen Handelsschranken sollte Europa aber nicht tatenlos bleiben: So forderte Gonzáles, dass Pläne etwa für Gegenzölle fertig in der Schublade liegen sollten. Bekanntlich versteht Trump vor allem die Sprache der Stärke.  

Wie aber soll sich Europa angesichts der steigenden Rivalität zwischen China und den USA verhalten? Auch darauf hat González eine Antwort: europäische Einheit. «Wir sollten der Versuchung widerstehen, uns auseinandertreiben zu lassen. Unsere europäische Stärke ist, zusammenzuhalten. Nur gemeinsam sind wir wirtschaftlich und politisch eine Kraft.»

Europa dürfe sich nach aussen nicht anbiedern. Die USA und China würden beide für die wirtschaftliche Stabilität benötigt, Europas Schicksal hänge von offenen Märkten ab. Entsprechend solle Europa seine Zukunft selbst gestalten und nicht durch andere gestalten lassen. Dafür notwendig: eine stabile Wirtschaft. Diese müsse Europa besonnen schützen, ohne selbst in Protektionismus abzudriften.

Spanien litt einst schwer unter der Schuldenkrise, mittlerweile ist das Land eine der wirtschaftlichen Lokomotiven des Kontinents. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass Spaniens Wirtschaft in diesem Jahr um 2,9 Prozent wachsen wird. Die Prognose liegt sogar über jener der USA, für die der IWF nur ein Wachstum von 2,8 Prozent erwartet.

Aufruf an die Schweiz 

Die Ex-Politikerin vertraut im instabilen internationalen Gefüge auf Diplomatie. Zusammensitzen, reden, verhandeln: Das müsse die Basis sein. Auch zu Kompromissen müsse Europa bereit sein. «Nur nicht bei unseren Grundwerten.» Um diese zu verteidigen, sei eine viel grössere Verteidigungsfähigkeit notwendig. González meint dabei explizit eine militärische und wirtschaftliche Verteidigungsfähigkeit.

Damit richtet sie sich auch an die Schweiz: Europa und die Schweiz müssten enger zusammenrücken, «am Ende des Tages stehen wir auf derselben Seite». Nur ein starkes Europa, ein gemeinsamer europäischer Geist biete angesichts der geopolitischen Lage Sicherheit für alle europäischen Länder, sagt González. «Unser Problem ist nicht Donald Trump. Es liegt nur an uns.»