Lärm ist gut fürs Ego. Und für die Vermarktung. Keine Jugendpartei macht dies besser als die  Jungsozialisten (Juso). 2007 lancierten sie ein Präsidium, auf dessen To-do-Liste zuoberst die Daueraufmerksamkeit steht. «Provokante Aktionen und Positionsbezüge werden zum Markenzeichen der Juso», ist der Anspruch der Jungpartei. Und einer machte es vor: Cédric Wermuth, damals 22 Jahre alt – der heutige SP-Parteipräsident in Co-Leitung. 

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Sein erster Coup war die Volksinitiative «1:12 – für gerechte Löhne», die eine radikale Beschneidung der Spitzenlöhne in der Wirtschaft forderte. An der Urne war sie mit 34 Prozent-Ja-Stimmen zwar ein Flop, aber der junge SPler aus dem Aargau und seine Mitkämpferinnen und Mitkämpfer machten politisch Kasse. Die Kampagne spülte David Roth, Mattea Meyer, Fabian Molina und Tamara Funiciello auf die Frontseiten, in die «Arena», in die Parteikader und ins nationale Parlament (mit Ausnahme von Roth). Seither treibt diese junge Garde die angejahrten SP-Abgeordneten vor sich her. Doch die Frage ist: Haben diese Millennials in ihrer Partei auch tatsächlich etwas zu melden? 

Die Abgeordneten aus dem gegnerischen Lagern sagen: Nein. Im politischen Geschäft seien vorab die Älteren, die Nicht-Millennials, tonangebend. Gewerkschafter Pierre-Yves Maillard, der Energie- und Europapolitiker Eric Nussbaumer, Fraktionschef Roger Nordmann, die Wirtschaftspolitikerinnen Prisca Birrer-Heimo und Jacqueline Badran und der Waadtländer Finanzpolitiker Samuel Bendahan. Die beiden Letzteren sitzen im SP-Vizepräsidium. Sie alle vereinen zwei Haupteigenschaften: Sie sind politische Schwerstarbeiter und Brückenbauer politischer Allianzen. Nur so komme man als Jungpolitiker weiter und werde respektiert, heisst es unisono. 

FDP hat Jugend-Marketing entdeckt

Doch der mediale Erfolg der Juso inspirierte die Bürgerlichen. Besonders die SVP und FDP setzen voll auf den Trend, denn sie merkten: Zur Erfüllung der Gender- und Jugendquote lassen die Medien gerne Junge und Frauen zu Wort kommen. So sitzen im fünfköpfigen Parteivorstand der FDP drei Millennials, der 38-jährige Walliser Anwalt Philippe Nantermod, die 33-jährige Profipolitikerin Johanna Gapany und der 28-jährige Andri Silberschmidt. Der einzige Ältere ist mit seinen 46 Jahren Präsident Thierry Burkart.

Jungspund Silberschmidt, der frühere Bankangestellte und Jungunternehmer, hat ebenso wie Wermuth viele beeindruckt. In der «Arena» ist er ein gern gesehener Gast. Er trägt Kritik hart und eloquent vor und hat wie Wermuth eine Volksinitiative realisiert: die Renteninitiative zur Einführung eines Pensionsalters je nach Lebenserwartung. Doch auch hier stellt sich die Frage: Haben er und seine zwei jungen Mitstreiter im Parteipräsidium wirklich Macht?

Wie schon bei der SP überwiegt auch gegenüber diesen Millennial-Politikern die Skepsis bei der Konkurrenz. Die Durchmischung des FDP-Präsidiums von Jung und Alt sei zwar gut, aber sie hätten «wenig Führungserfahrung», seien bis auf Silberschmidt kaum bekannt und hätten kaum Einfluss in Parlamentskommissionen, sagt ein FDP-Kenner. Doch das Hauptproblem sei, dass Bundesratsparteien heute generell stark von «ihren» Bundesräten gesteuert werden. Wenn beispielsweise die 58-jährige Justizministerin Karin Keller-Sutter eine bestimmte Haltung von ihrer Partei wünsche, können die Jungen im Vizepräsidium noch so sehr dagegen sein, sie hätten «keine Chance, sich durchzusetzen».

Die jungen SVP-Rabauken

Anders als die SP und FDP hält die SVP in der Parteileitung keine Jüngeren. Dort hat es mit dem 41-jährigen Innerschweizer Bauern Marcel Dettling einen einzigen Millennial. Die politische Konkurrenz lästert, die SVP verheize gerne Junge — «siehe SVP Kanton Zürich», so der Kommentar. Dort verliess der 30-jährige Benjamin Fischer das Parteipräsidium, weil er nicht davon leben konnte.

Doch vergessen geht bei dieser Stichelei, dass die SVP die erste Bundesratspartei war, die auf einen ganz jungen Parteipräsidenten setzte: Toni Brunner. Er war gerade mal 34 Jahre alt, als er 2008 das Präsidium übernahm – und es acht Jahre hielt. Er führte die Partei von Erfolg zu Erfolg, zuletzt mit der Volksabstimmung zur SVP-Masseneinwanderungsinitiative. Nach seinem Abgang holten sich die Älteren den Einfluss auf die Parteispitze zurück, insbesondere Magdalena Martullo-Blocher und Albert Rösti. Doch die jungen SVP-Wilden, wie sie in der Wandelhalle genannt werden, weil bekannt für harsche Voten und giftige Fragen im Nationalrat, sind wieder am Kommen. Und sie würden Einfluss haben, sagt die politische Konkurrenz: allen voran der 40-jährige Klima-Politiker Christian Imark. Er hatte den Ausgang der Abstimmung über die CO2-Vorlage («Flugticketabgabe») beeinflusst, die vor dem Volk abgestürzt ist. Neben ihm wird der 30-jährige Mike Egger als hoffnungsvoller Newcomer weil Brückenbauer genannt.

Komplexe Mitte

In der Mitte-Partei sind Millennials kaum präsent. Bei den nationalen Grünliberalen geben ebenfalls Nicht-Millennials den Ton an, vor allem der Parteigründer Martin Bäumle (58), der Präsident Jürg Grossen (53) und die Fraktionschefin Tiana Angelina Moser (43). Die einzige Millennial der 16-köpfigen Fraktion ist die Zürcherin Corina Gredig (34). 

Bei den Grünen ist die Lage komplex. Zwar stellt die Partei viele Junge. Ein Aushängeschild ist etwa die 35-jährige derzeitige Nationalratspräsidentin Irène Kälin. Aber nur der 34-jährigen Genfer Ständerätin Lisa Mazzone wird ein starker Einfluss von junger Seite auf die Partei nachgesagt. «Weil sie viel arbeitet, die Dossiers kennt und Brücken baut», sagt ein Kenner – und nicht weil sie politisch Lärm macht wie die früheren Jusos in der SP. 

Dieser Kenner, einer der amtsältesten im Parlament, der gerne mit Jungen kooperiert, bringt es auf den Punkt: «Junge haben es wie die Frauen: Wenn sie Format haben, sind sie gut, ganz unabhängig davon, ob sie jung oder weiblich sind.»

Millennials im Brennpunkt

«Let Europe arise. Die nächste Generation übernimmt in herausfordernden Zeiten. Welches Europa wollen die Millennials jetzt?» lautet das diesjährige Hauptthema der Gesprächs- und Ideenplattform Europa Forum. Als Höhepunkt der Jahresaktivitäten findet am 23. und 24. November 2022 das Annual Meeting im KKL Luzern statt.

Zu den namhaften Speakerinnen und Speakern zählen Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Deutschlands früherer Aussenminister Sigmar Gabriel, Bundespräsident a.D. Christian Wulff, Historiker und Publizist Timothy Garton Ash, Schriftstellerin Nora Bossong, Chefin Sicherheitspolitik des VBS Pälvi Pulli, Alena Buyx und Franca Lehfeldt. Sichern Sie sich jetzt Ihr  Ticket.