Invest: Top oder Flop

Für den Uhrenliebhaber oder die Uhrenliebhaberin wird es immer schwieriger, an gewisse Modelle zu gelangen. Wartelisten und Regelungen erschweren es den Kaufwilligen, das gewünschte Modell zu erwerben. Das beeinflusst wiederum den Zweitmarkt. Wenn man zu ungeduldig ist, um bei Bucherer und Co. auf eine Uhr zu warten, hat man die freie Wahl im Internet oder bei Secondhandhändlern. Dabei muss man in Kauf nehmen, dass der Preis sich vom ursprünglichen Listenpreis zum Teil gravierend unterscheidet. Mittlerweile sind Uhren ein beliebtes Investment – genau wegen der unterschiedlichen Preise und des knappen Angebots. Die Tops und Flops in der Uhrenwelt zeichnen sich nicht nur beim Uhrenhändler an der Bahnhofstrasse ab. Mittlerweile existieren Internetportale, auf denen man den Wert einer Uhr wie eine Aktie verfolgen kann.

Eines dieser Portale ist Watchanalytics.io. Es sammelt Tausende Daten und Werte von Uhren auf der ganzen Welt. Auf einer grafischen Darstellung kann man genau ablesen, wie viel eine Uhr an Wert zugelegt oder verloren hat. Mit diesem Tool ebnet Watchanalytics den Weg für Investoren und Investorinnen. Francesco Bortolan ist einer der Gründer von Watchanalytics; er kam während seines Studiums auf die Idee, den Uhrenmarkt grafisch darzustellen. Mit zwei weiteren Uni-Kollegen baute er die Seite auf. Mittlerweile nutzen Zehntausende Enthusiasten und Enthusiastinnen die Seite, um ihr nächstes Investment zu planen oder um das bestehende einfach zu überprüfen. Watchanalytics ist wie eine Börsenseite aufgebaut. Aufgelistet sind die Topperformer, aber auch unbeliebte Marken. Die Kurse der Uhrenpreise sind zwar Momentaufnahmen, werden jedoch ständig aktualisiert. Für Bortolan gibt es im Investmentbereich immer wieder die gleichen Vorreiter: «Es gibt natürlich einige Marken, die trotz dem generellen Rückgang der Preise in den letzten Jahren sehr stark performen. Da spielt die grosse Nachfrage die entscheidende Rolle.» Dazu gehören Rolex, Audemars Piguet und Patek Philippe. «Trotz den oft fallenden Preisen gibt es einige Uhren, die einen Aufwärtstrend aufweisen. Zum Beispiel dank Gerüchten über einen möglichen Produktionsschluss.»

So etwa die GMT Pepsi. Sie ist im letzten Jahr im Wert um 4,2 Prozent gestiegen, weil immer wieder Gerüchte über einen möglichen Ausstieg aus der Produktion aufkommen: Rolex habe grosse Schwierigkeiten, die rote und blaue Lünette zu produzieren. Das trieb den Preis nach oben. Bortolan sagt: «Betrachtet man die allgemeine Entwicklung des gesamten Sekundärmarktes basierend auf unserem WA50-Index, stellt man eine deutliche Stabilisierungsphase fest, die seit einem Jahr andauert. Im Februar 2023 lag der Preis bei 83,372 Franken, während er heute bei 77,672 Franken liegt, was einem Rückgang von 6,8 Prozent entspricht.» Betrachte man jedoch den Marktpreis der begehrtesten Modelle im Vergleich zu ihrem Einzelhandelspreis, sehe man immer noch eine grosse Lücke. «Dies beweist, dass die Nachfrage immer noch weitaus grösser ist als das Angebot, weshalb wir nicht mit einem weiteren raschen Zusammenbruch des Markts wie im Jahr 2022 rechnen.»

Fragt man andere Uhrenexperten, kommt man auf ähnliche Ergebnisse wie Watchanalytics. Die Marken Patek Philippe und Rolex liegen auf den obersten Plätzen in der Beliebtheitsskala. Mehrheitlich beliebt sind sportliche, unauffällige Modelle. Alltagstauglich sollten die Uhren sein und, wenn möglich, auch mal «unters Hemd» passen. Der Trend zu aussergewöhnlichen, in Stückzahlen limitierten und besonders hochwertigen Modellen nimmt aber stark zu. Erkennbar ist hier insbesondere der momentan grosse Erfolg der «Indies» – also von kleinen unabhängigen Marken.

Auf dem Markt passiert derzeit viel. War es einst noch der einsame Uhrmacher, der in seinem dunklen Kämmerlein mit zittriger Hand Uhren von A bis Z selber baute, tauchen jüngst «Kollaborationen» verschiedener Handwerksspezialistinnen und -spezialisten auf.