Vor genau zehn Jahren kaufte der Konzern Meta, einst Facebook, das Unternehmen Oculus auf und benannte es in Reality Labs um. Unter diesem Namen beschäftigt sich die Unternehmenssparte mit künstlicher Intelligenz und virtuellen Welten. Und das kommt Mark Zuckerberg heute teuer zu stehen. Reality Labs ist und bleibt für Meta eine finanzielle Herausforderung. Operativ verbucht die Sparte im dritten Quartal des Jahres 2024 rund 4,4 Milliarden US-Dollar Verlust, bei einem Umsatz von 270 Milliarden. Nach aussen betont Finanzchefin Susan Li jedoch weiterhin die wichtige strategische Bedeutung der Investition in diesem Bereich. Aber lohnt sich das wirklich?
Umdenken ist wichtig
Virtuelle Welten wie das Metaverse werden nicht selten schnell nach ihrem Aufkommen in den Himmel gelobt. Wir erinnern uns an «Second Life», einst einmal mit 1,7 Millionen Usern im Jahr 2007 einigermassen erfolgreich, verzeichnet die virtuelle Welt heute noch etwas um die 40 000 gemeldete Nutzer. Auch hier hatte man den Unternehmen viel versprochen, ging es um das Thema Marketing. Marken wie Adidas, Mercedes oder auch IBM sprangen auf den Zug auf, verabschiedeten sich jedoch schnell wieder. Die Frage, die sich daher gerade viele Unternehmen stellen: Macht es wirklich Sinn, Geld in einen Auftritt ins Metaverse zu investieren und wenn ja, in welcher Form macht Marketing hier Sinn?
Im Metaverse verschmelzen physische und virtuelle Welten und schaffen eine neue, erweiterte Realität. Und in dieser können Marken und die dahinterstehenden Unternehmen in einer völlig neuartigen Weise mit ihrer Zielgruppe interagieren – das ist sicher Fakt. «Das Metaverse ist virtuell und experiential, kann also Experiences schaffen, die normalerweise nicht möglich sind», erklärt Tobias Schlager, Professor für Marketing an der HEC Lausanne. «Es können Erfahrungen gemacht werden, die im richtigen Leben nicht möglich sind, was für Unternehmen aber bedeutet, umdenken zu müssen. Menschen treten als Avatare auf und können ihre Identität verschleiern und ihr sogenanntes ‹Desired Self› ausleben, was zu weniger sozialen Entscheidungen führen kann. Das sollte immer im Hinterkopf bleiben.» Menschen können als Avatare auftreten, und sich so geben, wie sie es wollen, also dem Desired Self entsprechend, was zu weniger sozialen Entscheidungen führen kann. Das sollte immer im Hinterkopf bleiben.»
Es braucht Konstanz
Laut dem Metaverse Barometer Switzerland 2023 der Agentur TBWA in Kooperation mit der Universität Lausanne (Unil) gaben 74 Prozent der Befragten an, dass sie schon einmal vom Metaverse gehört haben, doch nur 9 Prozent nutzen es wirklich regelmässig. Die Vorsicht der Unternehmen, hier zu investieren, ist daher sicher gerechtfertigt. Auf lange Sicht aber wird wohl keine Marke um eine Platzierung herumkommen. Dazu Tobias Schlager, der als Studienleiter am Barometer beteiligt war: «Früher oder später wird es für jede Marke wichtig werden, hier präsent zu sein. Wobei natürlich Luxusmarken oder Brands, die eine gewisse Zielgruppe ansprechen, wie etwa die ältere Generation, sicher die Letzten sein werden, welche die Virtualität nutzen werden.»
Geht es gezielt um einen Auftritt, rät der Marketingexperte Unternehmen, nicht komplett neu zu denken, sondern wie auch bei Offline-Kampagnen, sich zuerst die Frage zu stellen, was der Kunde will und erwartet. Dazu braucht es einen authentischen und auf die Offline-Aktivitäten abgestimmten Auftritt. «Für das Metaverse sollte nicht alles geändert werden; eher sollten Marken es als Chance sehen und konsistent zu ihrem Markenkern auch im Metaverse kommunizieren», sagt Tobias Schlager. «Hier stehen ihnen dazu natürlich neue Tools zur Verfügung, die zum Beispiel einen Communityaufbau erleichtern oder Produktpräsentation schneller und effektiver machen.»
Datenschutz auch ein Thema
«Unternehmen sollten sich ehrlich die Fragen stellen: Wie wichtig ist es wirklich für uns? Wie viele Kundinnen und Kunden von uns nutzen es? Nutzen eventuell zukünftige Kundinnen und Kunden Anwendungen im Metaverse?», fasst Tobias Schlager zusammen. Messbar ist dabei der Erfolg so wenig und so viel, wie das auch bei Online- beziehungsweise Community-Kampagnen der Fall ist.
Der Unterschied zu anderen virtuellen Kampagnen ist jedoch der Fakt, dass durch sogenannte Non-Fungible Tokens (NFTs) umfassende Authentifizierung möglich ist. «NFTs können zum Beispiel die Echtheit virtueller Produkte im Metaverse garantieren», so der Experte. «Auch können NFTs zum Eintritt in geschützte Communitys verwendet werden.» Das wird sicher beim Thema Datenschutz, das auch im Metaversum eine Herausforderung ist, noch wichtig werden. Grundsätzlich aber ist und bleibt Marketing. «Es gelten die gleichen Regeln wie auch bei Offline-Aktivitäten», sagt Tobias Schlager. «Know your community, be authentic, enable the community, provide material for them to share, don’t micromanage.»