Wenn Influencer in der Schweiz gemeinsam eine Firma gründen würden, wären sie ein beachtliches Startup mit einem abgerechneten Umsatz von rund 100 Millionen Franken allein in diesem Jahr. Hierbei sind die erbrachten Dienstleistungen, Gratis-Flüge, Hotelaufenthalte und Mahlzeiten inklusive Trend-Getränken nicht miteingerechnet. «Schweizer Influencer sind eine vielfältige Gruppe dynamischer und kreativer, unternehmerisch denkender Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen, die meist ihren ganz eigenen, einzigartigen Stil und Standpunkt haben», sagt Yoeri Callebaut, CEO DACH bei Kingfluencers, einem schweizerischen Digital-Influence-Marketing-Unternehmen.

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«Schweizer Influencer sind in der Regel selbstbewusst, fokussiert und ehrgeizig. Sie wissen, was sie wollen, und streben danach, Topqualität zu liefern – sei es in Markenkooperationen oder bei der Erstellung von Content für ihren eigenen Account und ihre Community.» Der Schweizer Markt sei natürlich viel kleiner als Märkte wie Deutschland oder Grossbritannien. «Doch genau das macht seinen Charme aus, da er die Nähe verstärkt und die Influencer noch greifbarer und nahbarer macht», so Callebaut.

 

Bei Unternehmen beliebt

Fast jede B2C-Marke setze inzwischen auf Influencer-Marketing oder plane entsprechende Massnahmen. Auch im B2B-Bereich gewinnt es zunehmend an Bedeutung. «Im B2B-Segment ist der Einfluss von Influencer-Marketing besonders stark, da die Folgen der richtigen oder falschen Entscheidungen weitreichend sind», beobachtet Callebaut. «Dabei spielen solide Einblicke und Empfehlungen bei der Auswahl der besten Technologien oder Lieferanten eine grosse Rolle. Klare Empfehlungen von Spezialisten oder bestehenden Usern helfen enorm, die richtige Wahl zu treffen – besonders in einem oft komplexen Entscheidungsprozess mit vielen Parametern.»

Für allgemeine Reichweite und grosse Zielgruppen sieht Callebaut, dass der klassische Kanal Instagram nach wie vor sehr stark performt, mit Tiktok dicht auf den Fersen. Instagram bleibt aber die dominierende Plattform für eine Vielzahl von Themen, insbesondere für klassische Sparten wie Beauty und Fashion. Für spezifische und wertvolle Nischenzielgruppen seien auch Plattformen wie Snapchat, Twitch, X, Pinterest für Marken relevant.

 

KI macht sie alle überflüssig

«Die Wichtigkeit der Influencer-Economy kann nur schwer bestimmt werden», meint hingegen Markus Rach, Marketing-Professor an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. «Als Proxy können die Werbeausgaben für Influencer hergezogen werden.» Generell hält Rach das Geschäftsmodell der Influencer langfristig für schwierig: «Zuerst gilt es anzumerken, dass sich Influencer mit sinkender Werbeeffektivität über kurz oder lang auseinandersetzen müssen. Denn die Glaubwürdigkeit von Influencern – ich verkaufe für Geld alles – sinkt, der Marken-Influencer-Fit fehlt oftmals, ebenso der Produkt-Fit. Ein wirklich positiver Effekt ist dann fast nur noch bei sehr unerfahrenen Zielgruppen möglich», erklärt der Experte. «Die Influencer-Kredibilität ist durch irrationale Beziehungsgefühle positiv gestört.» Hoch frequenter und scheinbar persönlicher Content verstärkt diesen Effekt in seinen Augen. Und mit wachsender Reichweite verwässert sich die Homogenität der Follower. Die bezahlten Posts nehmen in der Relevanz für die Einzelnen ab. Der Influencer wird immer mehr zum Massenmedium und damit natürlich ineffektiv.

Und dann kommt laut Rach die künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel: «Avatare und KI erlauben die personalisierte Erstellung von Influencern für kleine Zielgruppen bis hin zu einzelnen Usern. Also Micro-Targetting durch Micro-Influencer.» Sobald eine Echtzeiterstellung und Content-Ausspielung machbar wird, könnten die Nachteile der echten durch künstliche Influencer ausgeglichen werden. «Ich persönlich gehe sehr stark davon aus, dass dies Realität wird, weil Studien gezeigt haben, dass das Verhalten von Usern gegenüber virtuellen Influencern den echten, aber oftmals «fake» agierenden Vorbildern kaum nachsteht.»

 

Die Reise beginnt erst

Und Rach geht noch weiter. «Was wäre, wenn Marken es schaffen könnten, Menschen im echten Leben zugunsten der eigenen Marke zu beeinflussen?» Hierfür bräuchte es eine Augmented Reality-(AR)-Brille, KI und eine lasche Regulierung. So könnten digitale Augmentierungen der realen Welt relevante Mikro-Impulse auslösen, um Marken- oder Produkteinstellungen positiv zu beeinflussen. Sobald diese einen gewissen Schwellenwert überschreiten, wird eine automatisierte Warenzusendung ausgelöst. «Der sogenannte Algorithmic Commerce durch Echtzeitimpulse virtueller Influencer bietet die Chance, den ineffizienten, aber 750 Milliarden Dollar schweren globalen Werbemarkt auf den Kopf zu stellen», so Rach. «Denn wer will schon Werbung sehen?» Die Innovationen der Technologie-Konzerne lässt die Machbarkeit dieser, nach Science-Fiction klingenden Werberealität bereits erahnen. Metas kürzlich vorgestellte AR-Brille zeigt laut Rach, wie nah diese Zukunft bereits ist.