Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit heute für Marken?
Wenn Marken nachhaltig positioniert sind, kann dies einen Wettbewerbsvorteil schaffen. Leider erkennen das zu wenige Unternehmen. Einerseits ist es notwendig, dass Produzenten in dieser Hinsicht wirklich aktiv werden. Anderseits ist die Nachhaltigkeit einer der grössten Treiber: Es ist möglich, sich damit wirklich von anderen Unternehmen und Produkten abzuheben. Mittlerweile scheuen sich auch weltweit agierende Unternehmen nicht, dieses Thema aufzugreifen – das ist ein gutes Zeichen.
Wie markenbewusst sind die Menschen in der Schweiz?
Die Marke ist immer das Original. Es gibt viele Konsumierende, die Wert darauf legen. Für viele sind Markenprodukte beim Einkauf jedoch nicht an erster Stelle. Das kann, muss aber nicht immer mit dem Preis zu tun haben.
Inwiefern?
Auch No-Name-Produkte, also günstige Alternativen von Grossverteilern und Discountern, sind heute qualitativ gut.
Wie hat sich die Markenwahrnehmung in der Schweiz in letzter Zeit verändert?
Der grosse Markenhype rund um die Luxusprodukte ist meiner Ansicht nach etwas vorbei. Ich glaube, es gibt viele junge Menschen, denen es nicht so wahnsinnig wichtig ist, dass sie eine berühmte Marke besitzen. Eher noch bei Lebensmitteln und Getränken.
Die Schutzpatronin
Name: Babette Sigg Frank
Funktion: Geschäftsführende Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums KF
Ausbildung: Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Master in Modedesign
Die Organisation Das Schweizerische Konsumentenforum KF ist die älteste nationale Konsumenten- und Konsumentinnenorganisation. Seitdem das KF seine Arbeit im Jahr 1961 aufgenommen hat, steht es ein für Konsumierende. Es zeichnet sich aus durch eine unvoreingenommene Haltung, Unabhängigkeit, demokratische Strukturen und eine breite Fachkompetenz.
Wenn neue Turnschuhe von bestimmten Marken lanciert werden, gibt es immer noch einen Hype und eine lange Schlange vor den Läden.
Über diese langen Schlangen wundere ich mich immer wieder. Es ist aber nicht die Mehrheit der Konsumenten, die unbedingt das Neuste haben muss oder jedes Jahr ein neues Mobiltelefon oder ein neues Auto kauft. Das ist, denke ich, vorbei. Es gibt bereits einen Gegentrend, dass man als Konsumentin möglichst keine Labels mehr zeigen möchte.
Gerade die Generation Z legt oft grossen Wert auf Nachhaltigkeit und kauft gerne gebrauchte Sachen.
Ich finde den Secondhandtrend gut. Da werden unter Umständen auch Markenprodukte angeboten. Fast alles, was wir brauchen, gibt es schon irgendwo. Secondhand ist ein wachsender Markt.
Bei wem spielt eher der Preis respektive das Preis-Leistungs-Verhältnis eine grössere Rolle als die Marke?
Da gibt es einen 1:1-Zusammenhang mit der gesunkenen Kaufkraft. Der Detailhandel beklagt, dass diese dazu führt, dass die Menschen weniger Biogemüse und Markenprodukte kaufen oder sich weniger Lifestyleprodukte leisten. Stattdessen bevorzugen sie namenlose Produkte. Wenn ich hierzulande einkaufe, kann ich davon ausgehen, dass die Qualität stimmt. Beim Online-Handel ist – je nach Produkt – darauf zu achten, dass keine Fälschung gekauft wird.
Die Stärke der Marke Schweiz ist laut einem anderen Ranking leicht gesunken – und dürfte durch die CS-Krise noch weiter sinken.
Wenn man ins Ausland fährt, werden wir heute nicht mehr als die strahlenden Überflieger wahrgenommen. Auf das gute Image der Schweizer Qualität hat das aber keinen Einfluss. In China und in den Vereinigten Staaten habe ich Regale voller teurer Pflegekosmetika mit dem Label «Swiss Quality» gesehen, die in der Schweiz gar nicht erhältlich sind. Damit lässt sich offenbar immer noch viel Geld verdienen.
Wie wird sich die Wahrnehmung der Marken zukünftig verändern?
Ich denke, dass sich an der Wahrnehmung nicht viel ändern wird, wohl aber am Kaufverhalten. Der Kaufkraftverlust kann dazu führen, dass gewisse Produkte künftig weniger gefragt sind, wenn sie nicht auf die Bedürfnisse der Kundschaft eingehen.
Auch wenn qualitativ gute Produkte, die teuer sind, nachhaltiger sind?
Der Preis hat immer einen Einfluss. Letztlich ist es leider noch vielen Konsumentinnen und Konsumenten gleichgültig, ob ein Produkt nachhaltig ist. Hauptsache, sie können das Produkt irgendwo günstiger einkaufen. Dies könnte sich künftig ändern.
Wird für Konsumierende wichtiger werden, dass eine Marke nachhaltig ist?
Ja, ich hoffe, auf lange Sicht werden nur noch nachhaltige Marken existieren.
Warum?
Das Bewusstsein muss und wird sich ändern. Irgendwann werden alle wissen, dass wir mit Sorgfalt wirtschaften müssen. Denn wenn wir der Umwelt nicht Sorge tragen, werden wir eines Tages nicht mehr existieren können.
Was würde helfen?
Die eingereichten Bewerbungen zum Promarca-Nachhaltigkeitsaward zeigen, dass sich die Unternehmen im Konsumgüterbereich seriös mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Ich würde mir wünschen, dass die Unternehmen wieder mehr Produkte auf den Markt bringen, die einfacher und mit wenigen Handgriffen zu reparieren sind. Es gibt immer mehr Reparaturwerkstätten, die zum Beispiel den Lieblingsföhn auseinandernehmen, Ersatzteile dafür suchen oder sogar herstellen, um dem Produkt ein längeres Leben zu schenken. Solche Beispiele begeistern mich.