«Was hat die Mücke je für uns getan?» Diese Frage, die Frauke Fischer als Titel für ihr Buch wählte, haben sich schon viele Menschen gestellt. Nur wenige jedoch haben eine Antwort gefunden, da man sich irgendwann damit zufriedengegeben hat, gestochen zu werden. «Alles in unserem Leben und auf dieser Welt hängt mit Biodiversität zusammen», sagt Frauke Fischer. «Es fehlt jedoch flächendeckend an Wissen darum und Sensibilität für dieses Thema.» So rückt es zwar seit einigen Jahren immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit und ist ein neues Schlagwort in Unternehmen, aber die echten Zusammenhänge zwischen biologischen Prozessen und unserem Alltag sind für viele Menschen nur bedingt erkennbar.
Machtvolle Natur
«Die Lebensmittelindustrie hat volatile Preise und Kundinnen wie Kunden sehen, dass plötzlich Honig, Kaffee oder Schokolade teurer werden», beschreibt die Biologin Frauke Fischer. «Ursache dafür ist die Natur, gesprochen wird darüber aber nicht.» Denn im Fall der Schokolade ist eben unter anderem die Mücke beteiligt. Die Gall- und die Stechmücke gehören zu den grössten Bestäubern von Kakaobäumen. Gerade einmal zwischen einem und drei Millimetern gross passen sie noch perfekt durch den Blütenkopf der Pflanzen. Ohne Mücken also keine Schokolade.
«Ich nutze gerne Narrative, um Aufmerksamkeit für das Thema Biodiversität zu schaffen», sagt Frauke Fischer. «Seit Millionen Jahren zeigt uns die Natur, wie Überleben funktioniert und wie machtvoll sie wirklich ist. Und dennoch schauen wir viel zu wenig hin oder erst, wenn es zur Katastrophe kommt.» Das beste Beispiel ist die Corona-Pandemie. Ein Virus und demnach eine organische Struktur, die innerhalb weniger Tage und Wochen die gesamte Weltwirtschaft zum Stillstand brachte und Gesetze in Bezug auf Freiheit einschränkte. Etwas, das bis zu diesem Zeitpunkt fern von jeglicher Vorstellungskraft der Menschen lag.
Zerstörender Mensch
In den letzten Jahren haben wir Menschen fast 70 Prozent der Säugetier-, Vogel-, Fisch- und Reptilienbestände vernichtet, bezogen auf die einzelnen Individuen. Bei den Insekten liegt die Zahl bei 80 Prozent. Und jedes für sich verschwindet für immer und hinterlässt im ökologischen System ein Loch und führt zu Einschränkungen unseres Lebens. Weniger Lebensmittel, weniger Sauerstoff, dafür aber mehr Schädlinge. «Die Natur ist kein guter Verhandlungspartner», sagt Frauke Fischer. «Es gibt nicht den Mittelweg – um zu überleben, müssen wir ihren Gesetzen folgen.»
Geht es um Klimaschutz, braucht es neue Lösungen und Biodiversität ist eines der wichtigsten Elemente. Intakte Regenwälder können zum Beispiel das Auftreten neuer Infektionskrankheiten zwischen Tieren und Menschen verhindern. Pro Jahr treten zudem rund fünf neue Krankheiten auf, die die Menschen betreffen. Nicht jede so flächendeckend wie Corona, aber dennoch mit Folgen. 30 Prozent davon stehen im Zusammenhang mit der Zerstörung der Natur. Intakte Ökosysteme gilt es daher bewusst zu schützen und zerstörte zu regenerieren. «Und das heisst nicht noch mehr Technik, sondern mehr Bewusstsein für die Natur und ihre Prozesse wie auch Zusammenhänge», so die Biologin. «Bislang brauchen Unternehmen die Natur nicht in ihre Bilanzen einzutragen. Aber Biodiversität wird wichtiger, Gleiches gilt für Kreislaufwirtschaft.» Und das ist ein erster Schritt. «Wir müssen der Natur wieder mehr Raum geben, es ist unsere einzige Chance, die Welt bewohnbar zu halten.» Was bedeutet, weniger tierische Produkte, ein bewusster Umgang mit natürlichen Rohstoffen und dem Verständnis, dass Digitalisierung nicht das Überleben sicherstellt.