Schweizer Unternehmen müssen in einer Ära, die von sich häufenden Krisen und allgegenwärtiger Unsicherheit geprägt ist, die Kräfte verstehen, welche die globalen Einstellungen verändern. Die Studie «Global Trends 2024» des Marktforschungsunternehmens Ipsos umfasst fünfzig Märkte und bezieht über 50 000 Befragte mit ein. Sie bietet einen Einblick in die tektonischen Verschiebungen, die sich in den Werten und Überzeugungen der Menschen vollziehen. Für Unternehmen in der Schweiz und auf der ganzen Welt sind die Auswirkungen tiefgreifend.

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Der Autor

Martin Fenböck, Senior Client Director & Regional Division Leader, Ipsos Schweiz

Die Daten zeigen eine Welt voller Spannungen und Gegensätze. Wir sind begeistert von Technologie, glauben aber, dass sich die Welt zu schnell verändert. Wir sind uns der Umwelt stärker bewusst, gleichzeitig aber fatalistischer. Die Nostalgie nimmt zu, selbst wenn wir aufgeschlossener werden. Globalismus koexistiert mit wachsender Introspektion. Und während wir optimistisch in unsere individuelle Zukunft blicken, sind wir zunehmend pessimistisch, was den Weg der Welt angeht. Diese widersprüchlichen Einstellungen unterstreichen die Komplexität der Landschaft, in der sich Unternehmen jetzt zurechtfinden müssen.

Inmitten der Turbulenzen zeichnen sich mehrere wichtige Trends ab, die sich zweifellos auf die strategische Entscheidungsfindung in vielen Branchen auswirken werden. Nachfolgend vier dieser einschneidenden Veränderungen im Überblick.

 

Authentizität regiert

In einer Welt, die mit Informationen und Desinformationen überschwemmt wird, sehnen sich die Konsumentinnen und Konsumenten nach Marken, an die sie glauben können. Authentische, werteorientierte Botschaften sind nicht länger ein «nice to have», sondern ein Muss, insbesondere für jüngere Generationen. Ganze 61 Prozent der Schweizer Konsumenten geben an, dass sie versuchen, bei Marken zu kaufen, die verantwortungsvoll handeln, auch wenn dies bedeutet, mehr auszugeben.

Entscheidend ist jedoch, dass die Versprechen eingehalten werden – Unstimmigkeiten zwischen Worten und Taten können das hart erkämpfte Vertrauen schnell untergraben, während der Tonfall und ein Thema, das mit dem bestehenden Markenwert übereinstimmt, für die Wirksamkeit und Authentizität entscheidend sind. Da der rasante Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI) eine neue Ebene der Komplexität mit sich bringt, wird die Entwicklung robuster Rahmenbedingungen für einen transparenten und ethischen Einsatz entscheidend sein, um das Vertrauen der Konsumentinnen zu erhalten.

 

Gesundheitsthemen ganzheitlich denken

Die Definition von Gesundheit entwickelt sich weiter und geht über das reine körperliche Wohlbefinden hinaus, um auch das psychische Wohlbefinden und den Wunsch zu umfassen, nicht nur länger, sondern auch besser zu leben. Die Menschen nehmen ihre Gesundheit zunehmend selbst in die Hand und werden durch technologische Fortschritte dazu ermächtigt. Dazu gehören beispielsweise Smartwatches und die starke Verbreitung von Gesundheitsinformationen über das Internet. Bemerkenswerte 60 Prozent der Schweizer Konsumenten geben an, dass sie eigenständig nach Gesundheitsinformationen suchen und sich nicht nur auf ihren Arzt oder ihre Ärztin verlassen.

Dieser Wandel hat Auswirkungen auf alle Branchen, von der wachsenden Nachfrage nach gesünderen, transparenteren Lebensmitteln bis hin zur Neugestaltung von Versicherungsmodellen. Psychische Gesundheit, einst stigmatisiert, wird nun offen diskutiert und priorisiert, insbesondere von der Generation Z. Für Unternehmen in unterschiedlichen Branchen wird es entscheidend sein, die Menschen auf ihrem proaktiven Weg zur Gesundheit zu unterstützen, um dauerhafte Bindungen aufzubauen.

 

Persönliche Autonomie

Da traditionelle Meilensteine mit harten finanziellen Realitäten kollidieren, greift eine Yolo-(you-only-live-once-)-Mentalität um sich. 66 Prozent der Schweizer sagen, dass sie für das Heute leben, weil das Morgen ungewiss sei. Die Menschen wenden sich nach innen und konzentrieren sich auf den einen Bereich, den sie kontrollieren können – auf sich selbst. Persönliche Autonomie hat sich als der stärkste Wert in der Ipsos-Analyse herausgestellt.

Doch der Individualismus äussert sich auf paradoxe Weise. Für einige bedeutet er, die Einfachheit zu umarmen und langsamer zu treten; für andere geht es um Leistung und Statusstreben. Diese nuancierten Motivationen zu verstehen und darauf einzugehen, wird für Marken, die eine tiefere Verbindung zu den Konsumenten aufbauen wollen, von entscheidender Bedeutung sein.

Überraschenderweise gehören die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz im Vergleich zu Bewohnern der Nachbarländer zu den hedonistischsten Konsumenten weltweit und liegen in Sachen Genuss in der Gegenwart nur knapp hinter Französinnen und Franzosen. Kampagnen, die den Zeitgeist einfangen, treffen in diesem Umfeld den richtigen Ton. Doch ein Ansatz, der für alle Formen des Individualismus geeignet ist, wird zwangsläufig scheitern; Empathie und Personalisierung sind unerlässlich.

 

Einen Kurs in die Zukunft festlegen

Für Unternehmensführer in der Schweiz und weltweit ist der Weg in die Zukunft sowohl mit Herausforderungen als auch mit Chancen verbunden. Um in diesem Umfeld zu gedeihen, ist ein tiefes Verständnis des Wandels erforderlich, die die Prioritäten der Konsumenten und Konsumentinnen neu definieren, sowie die Bereitschaft, Strategien entsprechend anzupassen.

Insbesondere CMOs und CEOs werden sich mit schwierigen Fragen auseinandersetzen müssen: Welche Rolle sollte unsere Marke in diesem sich entwickelnden Ökosystem spielen? Wie können wir durch authentisches Handeln und Kommunikation Vertrauen aufbauen? Auf welche Segmente sollten wir uns konzentrieren und wie können wir sinnvoll auf individuelle Wünsche eingehen?

Letztlich werden diejenigen, die diese Veränderungen am besten verstehen, in diesen Zeiten der Ungewissheit erfolgreich sein und gleichzeitig ihre Unternehmen für die Erwartungen und Einstellungen der Konsumentinnen und Konsumenten von morgen zukunftssicher machen.