Schon beim Start im vergange nen Jahr gab es an der Fach hochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit dreissig Interessierten fast doppelt so viele Bewerber, wie schliesslich in den neuen Studiengang aufgenommen werden konnten, nämlich 17 Studierende. Dieser Ansturm bewog die Verantwortlichen dazu, die Kapazitäten für das zweite Jahr zu verdoppeln. Für die 34 Studienplätze, die nun in diesem Herbst zur Verfügung standen, meldeten sich im Frühling 58 Kandidatinnen und Kandidaten an.
Nicht auszuschliessen ist, dass Covid-19 das Interesse am neuen Angebot weiter befeuert hat. «Doch Corona war keinesfalls ausschlaggebend, denn schon vor Ausbruch der Pandemie hatten wir viele Anmeldungen», sagt Professor Knut Hinkelmann. Er leitet den neuen Master-Studiengang zusammen mit Professorin Enkelejda Miho vom Institut für Medizi-nal- und Analysetechnologien.
Der Life-Sciences-Sektor dürfte nach den Spezialisten lechzen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Studiums, das sich in Vollzeit über drei und berufsbegleitend über fünf Semester absolvieren lässt, rekrutieren sich aus sehr verschiedenen Bereichen. «Wir haben zwar primär Personen aus Pharmaunternehmen und aus der Medizin; aber wir nehmen auch Leute aus anderen Branchen, wenn sie uns glaubhaft machen können, dass sie über die notwendigen Kenntnisse verfügen», so Hinkelmann.
Entscheidendes Kriterium der Zulassung ist letztlich ein FH-Bachelor in Life Sciences, Wirtschaft und/oder Informatik mit einer guten Abschlussqualifikation oder eine gleichwertige Vorbildung und Berufserfahrung mit FH- oder Uni-Abschluss. Ein Teil der Studierenden kommt auch direkt aus dem Bachelor-Studium an der FHNW, etwa aus den Life Science Technologies oder der Biotechnologie. Ein weiteres Kriterium sind sehr gute Englischkenntnisse, denn die Unterrichtssprache ist Englisch. Studierenden, denen einiges für die Zulassung notwendiges Wissen noch fehlt, bietet die FHNW in E-Learning-Form kostenlose Pre-Master-Kurse an. So können sie Verpasstes nachholen, ihre Wissenslücken schliessen und sich bewerbungsfähig machen.
Das Studium selbst basiert im Wesentlichen auf vier Kernmodulen, die für alle Studierenden verpflichtend sind. Hinzu kommen rund ein Dutzend Wahlmodule. Die Kernmodule vermitteln Grundlagen aus den Bereichen Informatik, Gesundheitswesen und Wirtschaft, die für eine erfolgreiche spätere Tätigkeit im Bereich Medizininformatik unverzichtbar sind.
Das Modul Digital Transformation in Health Care zum Beispiel legt den Grundstein für die komplexen Zusammenhänge des Gesundheitswesens. Es verschafft den Studierenden den Überblick und befasst sich mit allen involvierten Akteuren, Institutionen, Organisationen und den etablierten Prozessen in Kliniken, Versicherungen, bei Geräteherstellern und der Medikamentenentwicklung. Und es behandelt die technischen Möglichkeiten, die wirtschaftlichen Chancen und gesellschaftlichen Risiken der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. In den weiteren Kernmodulen Biomedical Data Science, Medical Software Development sowie Digitalization of Business Processes geht es um die fachspezifische Umsetzung der Digitalisierung.
In den Wahlmodulen können die Studierenden einzelne Themen vertiefen, so etwa maschinelles Lernen für eine personalisierte Medizin, künstliche Intelligenz zwecks Medikamentenentwicklung oder die Bedeutung von Algorithmen im Gesundheitswesen. «Die grösste Herausforderung ist die Heterogenität der Studierenden. Darauf müssen wir die Inhalte und die Lehrmethodik abstimmen, sodass alle profitieren können und niemand abgehängt wird», so Hinkelmann. Diese Heterogenität sei aber auch sehr spannend und in Projekt- und Gruppenarbeiten sogar ein Gewinn, weil dann umso mehr verschiedene Perspektiven und Denkweisen zusammenfliessen würden.
Klar scheint, dass die FHNW mit dem neuen Master-Studiengang offene Türen einrennt, auch in der Wirtschaft. Die Absolventinnen und Absolventen, von denen die Vollzeitstudierenden des Jahrgangs 2019 bald einmal ihr Studium abschliessen werden, dürften wohl bei der Stellensuche die Qual der Wahl haben. «Wo unsere Master-Studierenden schliesslich beruflich landen werden, ist im Moment noch schwierig vorauszusagen; wir gehen aber davon aus, dass ein grosser Teil in der Pharmaindustrie Beschäftigung finden wird», sagt Hinkelmann weiter. Darüber hinaus dürfte der gesamte Life-Sciences-Sektor, also auch Medizinaltechnik und Spitäler, nach den neuen Spezialisten an der Schnittstelle von Medizin und Informatik geradezu lechzen.