In den letzten fünf Jahren hat die Aufmerksamkeit für das Thema Kreislaufwirtschaft deutlich zugenommen. Parallel jedoch ist der Anteil an Sekundärmaterialien von 9,1 Prozent im Jahr 2018 auf 7,2 Prozent im Jahr 2023 gesunken. Und der Verbrauch von Rohmaterialien steigt stetig an. Die Fakten, die im globalen «Circularity Gap Report 2024» zusammengefasst wurden, werfen kein gutes Licht auf uns Menschen und unser Bestreben, nachhaltiger mit Ressourcen umzugehen. So wurden in den letzten sechs Jahren mehr als eine halbe Billion Tonnen Materialien verbraucht – fast so viel wie im gesamten zwanzigsten Jahrhundert. Und die Schweiz hebt sich hier nicht positiv hervor. Unser CO2-Fussabdruck ist weiterhin gross, zugleich werden die Ressourcen ineffizient genutzt.
Die Schweiz hinkt hinterher
Bereits im Jahr 2023 hielt der eigens für die Schweiz erstellte «Circularity Gap Report Switzerland» fest, dass wir nur 6,9 Prozent der verwendeten Rohstoffe recyceln. Also weniger noch als der weltweite Durchschnitt. Das Volumen des Materialverbrauchs lag bei rund 175,3 Millionen Tonnen. Und geht es um die grössten Materialsünder, beansprucht das verarbeitende Gewerbe (Kleidung, Möbel und Elektronik) fast 40 Prozent der Rohstoffe für sich und verursacht mehr als einen Drittel der Treibhausgasemissionen. Zusammen mit dem Baugewerbe und der Agrar- und Ernährungswirtschaft sind diese Sektoren für etwa drei Viertel des Materialfussabdrucks der Schweiz verantwortlich. Die Frage ist nun, wo man am besten ansetzt, um hier endlich eine nachhaltig positive Veränderung zu erwirken?
Fakt ist, dass es grundsätzlich technisch unmöglich ist, den Anteil der Kreislaufwirtschaft auf 100 Prozent zu steigern, da die Qualität der Rohstoffe und verarbeiteten Materialien bei jedem Recyclingprozess abnimmt. Zudem erschwert die internationale Verflechtung der rohstoffarmen Schweiz die vollständige Kontrolle über die Produktions- und Handelsbedingungen in unserem Land. Dennoch gibt es Ansätze, die stärker verfolgt werden könnten – und sollten. Das im Report dargestellte «Was wäre, wenn»-Szenario betrachtet dabei vor allem die Auswirkungen eines Lebensstils der materiellen Genügsamkeit – das heisst: genug haben, aber nicht zu viel. Und damit setzt es beim Einzelverbraucher an, der sich bislang nicht selten in der Situation des Unschuldigen sieht und das Motto vertritt: Was kann ich allein schon bewirken … Im Grunde unser aller Ausrede.
Der Einzelne muss etwas tun
Als Einzelverbraucherinnen haben wir im Gegensatz zu anderen Sektoren wie dem Baugewerbe einen grossen und direkten Einfluss auf die Verringerung der Umweltbelastungen durch Konsumgüter. Studien belegen, dass eine Begrenzung der Haushaltsausgaben für Konsumgüter auf das Niveau des klimafreundlichsten, minimalistischsten Fünftels der Schweizer Bevölkerung den Anteil der CO2-Emissionen, der direkt unter dem Einfluss der Verbraucher steht, um etwa 31 Prozent senken würde. Denn durch die Minimierung des Verbrauchs von Kleidung, Möbeln, elektrischen und elektronischen Geräten und durch die Inanspruchnahme gemeindebasierter Dienstleistungen würden die Materialströme verengt. Die Förderung von Produktreparaturen verlängert zusätzlich die Lebensdauer der Produkte und verlangsamt somit die Materialflüsse.
Aktuell ergab eine Analyse der Kleiderflüsse einen jährlichen Konsum von 16 Kilogramm pro Kopf in der Schweiz. Dem steht eine Entsorgung von 11 Kilogramm pro Person gegenüber. Zum Vergleich: In Europa lag der durchschnittliche Kleiderverbrauch im Jahr 2020 bei 6 Kilogramm pro Kopf. Sechs von zehn Kleidungsstücken wandern dabei in den gemischten kommunalen Abfall – nur eines von zehn wird zwecks Wiedergebrauch gesammelt. Der Rest wird als Secondhandkleidung ins Ausland weiterverkauft beziehungsweise zu Lappen oder Isoliermaterial herabgestuft oder verbrannt. Ähnlich sieht es bei den Möbeln aus: Nur 17 Prozent werden über Secondhandläden oder online zum Wiedergebrauch gesammelt. Beim Elektronik- und Elektroschrott schliesslich fallen in der Schweiz etwa 16 Kilogramm pro Kopf pro Jahr an.
Es braucht mehr Anreize
Um den Stein hier ins Rollen zu bringen, braucht es aber Druck von aussen. So muss die Regierung eine stärkere Rolle bei der Gestaltung der Umwelt spielen, in der die Öffentlichkeit agiert. Dazu gehören Regulierungen, Besteuerung und Infrastrukturentwicklung, die einen genügsamen Konsum fördern. Denn die Transformation der Schweiz hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist nicht nur möglich, sondern auch dringend notwendig. Die bisherigen Zahlen und Fakten zeigen deutlich, dass der Verbrauch und der Umgang mit Ressourcen grundlegend überdacht werden muss. Ein Lebensstil der materiellen Genügsamkeit kann dabei nicht nur den ökologischen Fussabdruck verringern, sondern auch das Bewusstsein für nachhaltigere Lebensweisen schärfen. Es liegt in der Verantwortung der Einzelverbraucherin und des Einzelverbrauchers, die Weichen für eine zirkuläre Zukunft zu stellen.