Der Branchenverband Swissmem konstatierte im November: «Die Industrierezession hat die Tech-Industrie erreicht. Die weltweiten zum Teil sehr tiefen Werte der Einkaufsmanagerindizes deuten darauf hin, dass sich der Abschwung in den nächsten Monaten fortsetzen wird.» Nach zwei Jahren mit teilweise deutlichem Wachstum auf Quartalsebene schrumpften die Umsätze gemäss Swissmem-Statistik im zweiten und dritten Quartal des laufenden Jahres. Auch beim grossen Stahlhersteller Swiss Steel gab es bei den Halbjahresergebnispräsentationen Kommentare zu den «schwierigen globalen Marktbedingungen» und einem «deutlich unter dem Vorjahr liegenden Erfolg».

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Laut einer Swissmem-Umfrage rechnen 37 Prozent der Befragten mit weniger Aufträgen aus dem Ausland für die kommenden zwölf Monate. «Der Bestellungseingang ist schwach, und die Auftragspolster schmelzen weg», zeigt sich Stefan Brupbacher, Direktor von Swissmem, besorgt. «Die meisten Unternehmen der Tech-Industrie müssen sich auf eine schwierige Zeit einstellen. Unsere Branche erlebt einen typischen, zyklischen Abschwung, der wohl länger anhalten wird als zunächst erhofft.»

 

Schwächere Aluminiumnachfrage

Nicht nur in der Stahlbranche, auch beim Aluminium zeichnet sich eine durchwachsene Entwicklung ab. «Zu Beginn des Jahres 2023 waren die meisten Schweizer Aluminiumfirmen noch gut ausgelastet», sagt Marcel Menet, Geschäftsführer des Aluminium-Verbandes Schweiz. Der erhöhte Bedarf an Mobilität im Nah- und Regionalverkehr hatte für stabil wachsende Aufträge aus der Schienen- und Nutzfahrzeugindustrie gesorgt. Auch die Auftragslage im Automobilbereich hatte sich wieder erholt. «Seit dem Sommer kamen jedoch alle für uns wichtigen Märkte unter Druck, und wir spürten eine merkliche konjunkturelle Abkühlung in allen Anwendermärkten. Einzig das Bauwesen entwickelte sich in der Schweiz weiterhin positiv.»

Im kommenden Jahr rechnet man hier auch bei der bis anhin stabilen Schweizer Baubranche mit einer beträchtlichen Abkühlung. «Zudem hat unsere Industrie einen grossen Exportanteil, und wichtige Zielmärkte wie Deutschland und Frankreich bekunden weiterhin enorme Mühe», so Menet. «Aktuell gehen wir davon aus, dass sich diese Situation frühestens im zweiten Halbjahr 2024 verbessern wird.»

Die meisten Innovationen finden laut Menet im Bereich der Nachhaltigkeit statt, vor allem im Rahmen der Dekarbonisierung. Einige Firmen haben Projekte initiiert, bei denen Erdgas und Öl durch CO₂-neutrale Energieträger wie Wasserstoff, Elektrizität oder Hochtemperaturwärmepumpen ersetzt werden. «Und die ganze Industrie setzt grosse Hoffnungen in die sogenannte inerte Anode bei der Elektrolyse», so Menet. «Bei dieser Technologie wird in der elektrolytischen Herstellung von Primäraluminium anstelle von CO₂ nur noch O₂ freigesetzt, was zu einer erheblichen Verbesserung der CO₂-Gesamtbilanz führen würde.» Bei vielen kleineren und mittleren Branchenvertretern zeigen sich Innovationen als Kombination von Verbesserungen bei Prozessen und bei Nachhaltigkeitsthemen.

Stahl Gerlafingen hat eine neue, CO₂-kompensierte Produktlinie lanciert.

 

Swiss Steel konnte Ende Oktober den Gewinn des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in der Kategorie Metallindustrie melden. Und Ende 2022 haben Stahl Gerlafingen und die Beltrame-Gruppe eine neue Produktlinie mit eigenem Brand lanciert: Chalibria. «Dies ist unser neuer CO₂-kompensierter Stahl», erklärt Marketingchefin Hélène Smagghe. Das Produkt ist zertifiziert und wird von einer unabhängigen Stelle überwacht. Chalibria ermöglicht die Beschleunigung der Dekarbonisierung auf freiwilliger Basis. «Schon jetzt liegen unsere CO₂-Emissionen im Vergleich deutlich unter dem europäischen Emissionsdurchschnitt für Elektroofenstahl», so Hélène Smagghe. «Was noch an CO₂ übrig bleibt, kompensieren wir für den Kunden mit Zertifikaten. Es ist ein Stahl, der in der herkömmlichen Produktpalette geliefert wird, aber jedes einzelne Produkt verfügt über ein Kompensationszertifikat, welches unsere Kunden beim Weiterverkauf oder Einbau ihren eigenen Kunden weitergeben oder verrechnen können.» Somit könne jeder Kunde entscheiden, ob er herkömmlichen Stahl oder aber Chalibria-Stahl kaufen will.

 

Streitpunkt CBAM – was dafür spricht

Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) soll EU-weit die lokale Metall- und Stahlproduktion vor Nicht-EU-Importen, bei denen keine CO₂-Emmissionsausgleichszahlungen geleistet wurden, schützen. «Unsere Produkte fallen unter den europäischen CBAM», sagt Andreas Steffes, Sprecher bei Metal Suisse, dem Dachverband des Werkstoffkreislaufs Metalle, der die Interessen des Stahlbaus, des Metallbaus und der Fassadenbauer vertritt. «Handelt es sich um Schweizer Ware, so sind wir aufgenommen, solange unser Emissionshandelssystem (EHS) äquivalent zum EU-System ist. Für Waren ausserhalb der EU und der Schweiz müssen sich Exporteure registrieren und Nachweise zum CO₂-Fussabdruck und zu den Kosten des CO₂ erbringen.» Ein Exporteur in die EU muss dann praktisch «nachversteuern», wenn er weniger für den CO₂-Fussabdruck gezahlt hat als EU-Unternehmen im EHS.

«Die Schweiz muss ihr EHS analog zum europäischen EHS weiterentwickeln, soll die Äquivalenz erhalten bleiben», sagt Steffes weiter. «Die Äquivalenz ist wiederum wichtig, damit Schweizer Unternehmen an einem gemeinsamen Markt teilnehmen können.» Der Schweizer Markt allein wäre zu illiquide. «Ohne einen Grenzausgleich in irgendeiner Gestaltung sind die Unternehmen, die dem EHS besonders ausgesetzt sind, billigen Importen ausgeliefert, die diese Kosten nicht übernehmen», so Steffes. «Ohne einen Grenzausgleich verschlechtert das die Rolle der Produktion in der Schweiz weiter. Wir sind der Meinung, dass die Schweiz in der Transformation zu netto null eine Lead-Funktion übernehmen muss – für die tendenziell teure Produktion in der Schweiz würde so ein Wettbewerbsvorteil entstehen.» Dies könne aber nur funktionieren, wenn eine rigorose Klimapolitik mit einem CO₂-Grenzausgleich und einer intelligenten Industriestrategie verbunden sei.

 

Und was dagegen spricht

Anderer Meinung ist man bei Swissmem. «Die Einführung eines Grenzausgleichs durch die EU ist weltweit absolut einzigartig, in keiner Weise administrativ erprobt und international nicht abgestimmt», sagt ihr Kommunikationsleiter Ivo Zimmermann. Die Schweiz solle deshalb zunächst die Auswirkungen des EU-Grenzausgleichs beobachten und evaluieren. Für viele Länder in der WTO sei umstritten, ob ein Grenzausgleich überhaupt mit internationalen Handelsregeln vereinbar sei, so Zimmermann. «Als Folge der klimapolitischen Verschärfungen im europäischen Emissionshandelssystem – was die Schweiz wegen der Verknüpfung im gleichen Ausmass trifft – drohen unseren emissionsintensiven Betrieben massive Wettbewerbsnachteile gegenüber aussereuropäischen Konkurrenten, insbesondere wenn sie einen grossen Anteil ihres Umsatzes im Inland erzielen», sagt Zimmermann. «Ein Schweizer Grenzausgleich soll demnach verhindern, dass heimische emissionsintensive Unternehmen gegenüber Unternehmen aus Staaten mit viel tieferen CO₂-Kosten wie beispielsweise der Türkei, Indien oder China benachteiligt werden oder dass diese Betriebe ins Ausland verlagert werden.»

Ein Schweizer Grenzausgleich erhöhe jedoch die Beschaffungskosten aller in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Unternehmen, die Produkte wie Stahl oder Aluminium zukaufen und verarbeiten müssten. «Dies beeinträchtigt in der Folge deren Wettbewerbsfähigkeit auf den aussereuropäischen Absatzmärkten», so Zimmermann. «Der Exportanteil der Tech-Industrie ausserhalb der EU beträgt weit über 40 Prozent. Folglich ist ein Schweizer Grenzausgleich das falsche Instrument für ein an sich richtig erkanntes Problem.»

«Der Grenzschutz für Stahl trifft uns immer härter», bestätigt auch Hélène Smagghe von Stahl Gerlafingen. «Aktuell können wir einen substanziellen Teil unserer Exporte nicht mehr wie gewohnt durchführen. Demgegenüber wird der Schweizer Markt mit billigem Stahl aus unseren Nachbarländern und Drittstaaten buchstäblich geflutet – beides sind keine guten Entwicklungen.»