Auch erloschene Vulkane sind vielversprechende Fundstellen für Seltene Erden, wie Wissenschafter und Wissenschafterinnen kürzlich in der Fachzeitschrift «Geochemical Perspectives Letters» berichteten. Trotz ihrer Bezeichnung sind die Metalle aus Seltenen Erden, die man für die Herstellung von modernen Halbleitern, Elektronik und Anlagen für nachhaltige Umwelttechnologien benötigt, nicht überaus selten. Viele Minen mit diesen Metallen stehen allerdings in China – und damit regt sich seit einigen Jahren eine Debatte um mögliche Abhängigkeiten bei Schlüsselindustrien und -technologien.
Analyse kommt noch
Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) befasst sich seit einigen Jahren mit den Abhängigkeiten der Schweizer Wirtschaft, sowohl allgemein als auch in Bezug auf kritische mineralische Rohstoffe. Derzeit arbeitet man laut einem Sprecher an einem Bericht in Erfüllung des Postulats «20.3950/Versorgungssicherheit, Metalle der seltenen Erde/Ressourcenstrategie». Die Ergebnisse sollen Ende dieses Jahres veröffentlicht werden.
Gemäss Seco ergibt sich aus den bisher veröffentlichten Berichten, dass die Schweiz diese Produkte hauptsächlich indirekt in Form von verarbeiteten Vorprodukten – beispielsweise Magnete, Batterien – importiert. Zudem bezieht die Schweizer Industrie die meisten mineralischen Rohstoffe nicht (direkt) aus den Produktionsländern, sondern aus der EU, und dies oft von Mutterfirmen. «Diese Konzentration auf europäische Importe unterscheidet sich von der Situation der EU, wo viele Unternehmen ihre mineralischen Rohstoffe direkt von Produktionsländern beziehen», berichtet das Seco. Und bei den meisten mineralischen Rohstoffen wie Beryllium, Cadmium, Graphit, Kobalt, Kupfer, Mangan, Nickel und Seltene Erden besteht eine Konzentration auf wenige Einfuhrländer (aus der EU oder China), entweder direkt – als Zulieferer des Schweizer Unternehmens – oder indirekt – als Zulieferer des europäischen Zulieferers des Schweizer Unternehmens. «Da der Kostenanteil Seltener Erden in Produkten der Schweizer Industrie relativ gering ist, ging der Bericht 2018 davon aus, dass auch ein starker Preisanstieg kaum Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz Industrie hätte», so ein Seco-Sprecher.
«Eine umfassende Analyse der in der Schweiz benötigten Metalle steht bislang aus, und auch die Schweiz ist von diesem Abhängigkeitsrisiko – sowie von Preis- und regulatorischen Risiken – betroffen», sagt Alessandra Hool, Geschäftsführerin des Entwicklungsfonds Seltene Metalle (ESM) in Bern, «insbesondere, da wir kaum eigene Bergbauaktivitäten haben.» Zwar sei der Anteil der Unternehmen, die in grösserem Umfang Metalle verarbeiten, in der Schweiz relativ gering. «Dennoch importieren wir viele dieser Rohstoffe als vorverarbeitete Zwischenprodukte», so Hool weiter. «Dies führt oft zu einer doppelten Abhängigkeit: Wenn die Schweiz beispielsweise Zwischenprodukte aus der EU bezieht, bestehen diese wiederum häufig aus Rohstoffen, die von der EU aus China importiert werden.»
Recycling könnte die Situation entspannen
China dominiert laut Hool sowohl die Rohstoffproduktion als auch die Verarbeitung und oft die gesamte Lieferkette vieler kritischer Rohstoffe. «Zudem kontrolliert China viele Unternehmen, die in anderen Ländern solche Rohstoffe abbauen, wie zum Beispiel Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo oder Nickel in Indonesien», so Hool. Die starke Abhängigkeit vieler Industrienationen von Importen kritischer Rohstoffe sei nicht nur eine Frage der geologischen Verfügbarkeit: Manche Rohstoffe könnten auch lokal abgebaut werden – und wurden es bis vor einigen Jahrzehnten zum Teil sogar. «In den letzten drei bis vier Jahren haben sich in vielen Ländern, gerade durch die Lähmung der WTO und eskalierende Handelskonflikte, Initiativen zur nationalen Exploration und zur Diversifizierung und Intensivierung der lokalen Rohstoffproduktion verstärkt», beobachtet Hool. «Weitere Alternativen zum Bezug kritischer Rohstoffe aus China sind die Substitutionen, wie etwa die Bemühungen zur Produktion kobaltfreier Batterien und eine Verstärkung der Kreislaufwirtschaft.»
Auch das Recycling könne laut Hool einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, indem es den Bedarf an Primärrohstoffimporten verringert. «Eine Herausforderung besteht jedoch darin, dass die verfügbaren Mengen an recycelbaren Rohstoffen gerade in der Schweiz oft verhältnismässig gering sind und die langfristige Preisentwicklung zu unsicher ist, als dass Unternehmen bereit wären, das Risiko eines längerfristigen Aufbaus von Recyclingoperationen einzugehen», sagt Hool. «Auch hier könnte eine Zusammenarbeit beispielsweise mit den europäischen Nachbarn helfen, um Produktströme zu bündeln und zu koordinieren und nationale Möglichkeiten optimal zu nutzen.»
«In den kommenden Jahren ist international mit einer verstärkten Fokussierung auf die Diversifizierung von Lieferketten, den Aufbau internationaler Kooperationen in politisch-strategischen Konglomeraten und die Einführung klar definierter Strategien zur Risikominderung zu rechnen», sagt Hool zu den kommenden Entwicklungen. «Zudem wird aller Voraussicht nach der Protektionismus in Bezug auf kritische Rohstoffe und die damit verbundenen Technologien zunehmen.» Initiativen wie der European Critical Raw Materials Act, aber auch der Net-Zero Industry Act oder der US-amerikanische Chips and Science Act und ähnliche Massnahmen, die die heimische Produktion strategisch relevanter Technologien stärken und schützen wollen, würden die Rahmenbedingungen für diese Entwicklungen entscheidend beeinflussen. «Seitens des ESM hoffen wir, dass eine systematische Untersuchung der Rohstoffrisiken für die Schweiz erfolgt, damit mögliche Versorgungsengpässe rechtzeitig lokalisiert werden und damit verbundenen Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft adäquat vorgebeugt werden kann», so Hool.