Die Tage des Dieselmotors in mittelschweren und schweren Nutzfahrzeugen sind gezählt. Doch was folgt danach? Im Vordergrund stehen derzeit zwei Varianten: der rein elektrische Antrieb und der Antrieb via Brennstoffzelle mit Wasserstoff. Zwei Antriebssysteme, die jeweils Vor- und Nachteile haben. Welcher Antrieb sich stärker durchsetzen wird, hängt einerseits von den Ansichten der Fahrzeugbetreiber und anderseits von der zu realisierenden Infrastruktur ab.
Die Meinungen der Hersteller gehen auseinander: Die beiden führenden Nutzfahrzeughersteller Volvo Trucks und Daimler Truck stehen der Energiewende technologieoffen gegenüber und verfolgen eine Doppelstrategie. Sie streben im Rahmen des Joint Venture Cellcentric das Ziel an, ein führender weltweiter Hersteller von Brennstoffzellen zu werden. Traton, mit den Marken MAN und Scania, setzt hingegen schwergewichtig auf E-Trucks, denn man geht hier von einer schnelleren technischen Entwicklung batterieelektrischer Antriebe aus.
Entscheidend ist die grüne Energie
Ein Punkt ist zentral bei der Beurteilung, welche Antriebsart besser ist: Die Dekarbonisierung des Verkehrs hängt auf längere Zeit gesehen entscheidend von der Verfügbarkeit von grüner Energie ab. Nur dann, wenn der Strom für E-Trucks beziehungsweise für die Brennstoffzelle aus grüner Energie stammt, ist eine umfassende Dekarbonisierung möglich. Zweiter entscheidender Punkt ist die Realisierung eines leistungsfähigen Versorgungsnetzes mit Strom beziehungsweise mit Wasserstoff. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Wasserstofftruck den Nachteil hat, dass nur etwa ein Viertel der Ausgangsenergie in den Antrieb fliesst – drei Viertel gehen bei der Umwandlung verloren. Beim E-Truck ist das Verhältnis gerade umgekehrt.
Ein Thema bei der Beurteilung der Einsatzmöglichkeiten von E-Trucks beziehungsweise H₂-Trucks ist deren Reichweite. Anfänglich waren die Reichweiten von E-Trucks, besonders der schweren Einheiten, relativ kurz. Transeuropäische Transporte von Schweden nach Italien mit E-Trucks waren anfänglich nicht vorstellbar.
Doch die Zeiten – konkret die Batterieentwicklung – haben sich geändert. Volvo Trucks führte verschiedene Fahrten quer durch Europa durch und erzielte Reichweiten von bis zu 700 Kilometern. Die Entwicklung leichterer Batterien trägt dazu bei, dass bald Reichweiten von rund 1000 Kilometern für E-Trucks erreicht werden können. Festkörperbatterien, an denen derzeit ebenfalls intensiv gearbeitet wird, lassen sich zudem in sehr kurzer Zeit aufladen. Ein weiterer Pluspunkt: Moderne Batterien können heute schon zu über 90 Prozent recycelt werden. Aber die sich verlängernden Reichweiten setzen eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur voraus. Ist diese nicht in ausreichendem Masse vorhanden, können Lastwagen mit der Brennstoffzelle punkten, denn sie sind in der Lage, Treibstoff für 1000 Kilometer Reichweite mitzuführen, ohne Unterbruch zum Tanken.
E-Nutzfahrzeuge weisen eine Reihe von gewichtigen Vorteilen im Vergleich etwa zu den Dieselmodellen oder den Fahrzeugen mit einem Gasmotor auf. Sie verbrauchen im Betrieb keine fossilen Brennstoffe und stossen kein CO₂ aus. Wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, sind sie komplett sauber (bis auf die Herstellung des Fahrzeugs). Ein Elektroantrieb besteht aus weniger beweglichen Teilen. Das führt zu eher seltenen Ausfällen und weniger Wartungsaufwand – der Betrieb wird günstiger. Weil E-Fahrzeuge weniger komplex aufgebaut sind, ist zudem eine kompaktere Bauweise möglich.
E-Trucks erzeugen weniger Lärm, gleichzeitig fahren sie effizienter und beschleunigen stärker. Beim elektrischen Bremsen kann Energie zu grossen Teilen zurückgewonnen werden. Nicht nur der Antrieb des Fahrzeugs kann elektrifiziert werden, dasselbe gilt für Nebenaggregate wie Krane, Hydraulikpumpen, rotierende Bürsten, Ballenpressen, Mähmaschinen oder Klimakompressoren. Die meist schwereren Fahrzeuge der Kommunaldienste, die im Stop-and-Go-Rhythmus unterwegs sind, lassen sich in den Innenstädten weitgehend emissionsfrei einsetzen.
Pluspunkte für den H₂-Truck
Brennstoffzellenfahrzeuge können im Gegensatz zum E-Truck mehrere Wasserstofftanks im Unterboden mitführen, deren Gewicht geringer ist als dasjenige von Batterien. Dadurch sind sie in der Lage, lange Strecken ohne Unterbruch zurückzulegen. Dies ist besonders wichtig in Regionen, in denen Elektroladestationen nur in geringem Masse vorhanden sind. Diese weitgehende Unabhängigkeit von einem engmaschigen Versorgungsnetz von Ladestationen sind ein Pluspunkt für den H₂-Truck.
Welcher ist im Unterhalt günstiger, der E-Truck oder der H₂-Truck? Darüber gehen die Meinungen bei den Herstellern auseinander. Je nach Berücksichtigung der anfallenden Kosten ergeben sich Vorteile für den E-Truck beziehungsweise für den H₂-Truck. Unbestritten ist, dass beide derzeit noch deutlich mehr kosten als ein Lastwagen mit Dieselmotor. Aber sie sind in unterschiedlichem Masse von Steuern und Abgaben befreit. Wie lange diese Befreiung noch andauert, ist jedoch offen.
Anderseits ist mit der zunehmenden Verbreitung dieser Fahrzeuge mit einer sinkenden Preistendenz zu rechnen. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass der derzeitige Mehrpreis von E-Trucks und H₂-Trucks durch die Steuererleichterungen in etwa fünf Jahren amortisiert werden kann. Diese Zeitspanne hängt allerdings in hohem Masse von den in Zukunft zu erwartenden Energiekosten ab. Welcher Truck also schlussendlich das Rennen macht, kann nicht exakt vorausgesagt werden. Es kann durchaus sein, dass langfristig betrachtet beide Antriebsvarianten zum Einsatz gelangen werden.