«Die Aktivitäten des Menschen setzen unseren Planeten in Brand. 2023 ist nur ein Vorgeschmack auf die Katastrophen, die uns erwarten, wenn wir jetzt nicht handeln.» Die Worte des UN-Generalsekretärs António Guterres sind klar und deutlich. Das Klima und die Biodiversität sind essenzielle Grundlagen für unser Leben als Privatpersonen – ebenso wie für Unternehmen und Finanzmärkte.

Obwohl die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Biodiversität mehr und mehr ins Zentrum der Debatte rücken, werden sie immer noch nicht voll berücksichtigt. So fand Ende 2023 die 28. UN-Klimakonferenz statt, im Herbst 2024 ist nun die 16. UN-Biodiversitätskonferenz in Bogota geplant. Zu einem dieser zwei Themen gab es also zwölf UN-Konferenzen mehr als zum anderen. Dabei wurden beide gleichzeitig im Jahr 1992 angestossen. 

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Der Autor

Luc Olivier, CFA, Fondsmanager des Echiquier Climate & Biodiversity Impact Europe, La Financière de l’Échiquier (LFDE)

Komplexe Daten

Die Differenz wird unter anderem auf den Umstand zurückgeführt, dass die Messung von Lebewesen äusserst komplex ist. Biodiversität ist ein transversales Thema, und das Sammeln von Daten ist somit eine komplexe und heterogene Aufgabe. Doch innovative Unternehmen sowie Impact-Investoren haben sich dieser Aufgabe nun angenommen. Anlegerinnen und Anleger können sich auf bestimmte quantitative Modelle stützen, um zu ermitteln, inwieweit ein Unternehmen unter verschiedenen Gesichtspunkten die Biodiversität beeinträchtigt.

Zu nennen ist hier insbesondere das Modell «Mean Species Abundance» auf Basis des Global Biodiversity Score (GBS) von CDC Biodiversité. Solche Modelle liefern nützliche Daten, sind aber immer noch unzureichend. La Financière de l'Echiquier (LFDE) konzentriert sich daher auf qualitative Bewertungsmethoden. Schon 2021 wurde eine eigene Methodik ausgearbeitet, mit der die Klima- und Biodiversitätsreife von Unternehmen bewertet werden kann. 

Um den Reife-Score zu ermitteln, werden vier Hauptsäulen genutzt: Klima- und Biodiversitäts-Governance, Klimaschutz, Biodiversität und «gerechter Übergang». Dieser Score wird von den Fondsmanagern unter Aufsicht des Teams für verantwortliche Investments bestimmt und ermöglicht es, die Unternehmen besser einzuordnen sowie Auswirkungen und Abhängigkeiten präziser zu erfassen. Auf diese Weise lassen sich Ansätze für ein aktives Aktionärstum ermitteln, mit denen Unternehmen zum Umstieg auf bessere Praktiken bewegt werden sollen.

Eine strategische Herausforderung

Es gibt jedoch Unternehmen, die bereits Lösungen für die strategische Herausforderung der Biodiversität  entwickelt haben. Die schweizerische SIG Group, eine Anbieterin von nachhaltigen Lösungen für Lebensmittelverpackungen, hat beispielsweise ihr Engagement für die nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt ihrer Strategie gestellt. Dank ihrer Technologie und Innovationsfähigkeit kann die Gruppe in hundert Ländern passende Lösungen für alle Verkaufskanäle anbieten. SIG ist bislang das einzige Unternehmen, das sich bewusst dafür entschieden hat, bei der Herstellung seiner Verpackungen auf Alufolie zu verzichten. Dies macht diese besser recycelbar und reduziert so die potenzielle Belastung der Biodiversität im Meer und an Land.

Die Zukunft eines ganz anderen Sektors, nämlich die der Luxusgüterbranche, hängt derweil von der Landwirtschaft ab, die ihrerseits massgeblich zum Verlust an Biodiversität beiträgt. Hermès arbeitet beispielsweise an einer ehrgeizigen Biodiversitätsstrategie. Diese verfolgt unter anderem das Ziel, in Zusammenarbeit mit dem WWF France und der CDC Biodiversité den ökologischen Fussabdruck seiner verbundenen Zulieferunternehmen zu messen. Ein weiteres Beispiel ist Kemira, ein finnischer Spezialist für Lösungen in den Bereichen Trinkwasseraufbereitung und Effizienz wasserintensiver industrieller Verfahren. Das Unternehmen misst die Temperatur der Abwasser in seinen Werken, um die Auswirkungen auf die Biodiversität zu begrenzen. 

Die Herausforderungen sind gross: Mehr als 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) hängen von der Biodiversität ab. Impact-Investitionen an der Börse, deren weltweites Marktvolumen sich auf über 1 Billion US-Dollar beläuft, sind von entscheidender Bedeutung. Durch die Lenkung von Kapital in verantwortungsvolle Unternehmen trägt Impact Investment zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft bei, während es gleichzeitig darauf ausgerichtet ist, eine finanzielle Rendite zu erzielen. LFDE führt als langfristig orientierter Anleger einen engen Aktionärsdialog mit den Unternehmen und setzt sich für das Eingehen von Verpflichtungen ein, um darauf hinzuwirken, dass diese ihre Praktiken und Geschäftsmodelle auf den Erhalt der Biodiversität ausrichten.