Der Inflation Reduction Act of 2022 (IRA) wurde am 16. August 2022 von US-Präsident Joe Biden unterzeichnet. Ziel des Bundesgesetzes ist die Förderung von Investitionen in saubere Energie durch Steueranreize, Zuschüsse und Kredite. Damit sollen die Treibhausgasemissionen der USA bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent gesenkt werden. Zeitgleich möchte man die heimische Produktion ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen, Energiesicherheit gewährleisten und die Abhängigkeit des Landes von Importen aus China verringern.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie es nach den US-Wahlen im November 2024 mit dem IRA weitergehen wird. Viele Anlegerinnen und Anleger wollen wissen, was ein Sieg Donald Trumps für das wichtigste US-Gesetz zur Bekämpfung des Klimawandels bedeuten würde. Zumindest eines scheint klar: Eine vollständige Aufhebung ist unwahrscheinlich, doch die Ergebnisse der Wahlen zum amerikanischen Kongress – Senat und Repräsentantenhaus – werden ebenso wichtig sein wie der Ausgang der Präsidentschaftswahlen. Aktuell gibt es unterschiedliche Szenarien.
Gastbeitrag der BNP Paribas Bank
Wenn die Republikaner gewinnen
Schaffen die Republikaner es, sich sowohl die Präsidentschaft als auch die Mehrheit im Kongress zu sichern, würde der republikanische Gesetzgeber wahrscheinlich einen Teil der IRA-Subventionen streichen, um seine Agenda zu finanzieren. Eine vollständige Aufhebung des IRA ist jedoch unwahrscheinlich. Das wäre nicht im Interesse der Republikanischen Partei, denn der Grossteil der Investitionen im Rahmen des IRA ist in «rote», das heisst republikanisch dominierte, Staaten geflossen.
Dennoch ist zu erwarten, dass eine strengere Umsetzung der Regeln für bestimmte ausländische Unternehmen (Foreign Entities of Concern, Feoc) und eine Verschärfung der Anforderungen an inländische Firmen zur Förderung der lokalen Produktion die Folgen sind. Strengere Feoc-Vorschriften könnten den Zugang zu Krediten für Elektrofahrzeuge einschränken, auch wenn sich dies rechtlich schwierig gestalten könnte.
Es ist denkbar, dass die Republikanische Partei die Fristen für einige Kredite verkürzt und verschiedene grüne Darlehen sowie Subventionen stoppt. Kredite für die heimische Industrie, Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, sauberen Wasserstoff, Kernkraft und saubere Brennstoffe werden sicher von beiden Parteien unterstützt werden. Gleiches gilt für Investitionen in das Stromnetz. Kurzum: Es gäbe erhebliche Veränderungen. Sie wären aber wahrscheinlich weniger gravierend als von manchen befürchtet. Mit ziemlicher Sicherheit wird es keine vollständige Aufhebung geben.
Ein gespaltener Kongress
Gewinnen die Republikaner die Präsidentschaft, ist der Kongress aber gespalten, ist es unwahrscheinlich, dass der IRA vollständig aufgehoben wird. Dafür wäre eine Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat erforderlich. Regeln des Finanzministeriums zur Umsetzung des Gesetzes könnten jedoch überarbeitet werden. Was wiederum dazu führen könnte, dass Massnahmen von Stellen wie dem US-Energieministerium und der Environmental Protection Agency blockiert werden könnten.
Ein demokratischer Präsident
Sichern sich die Demokraten das Präsidentschaftsamt, entweder mit einem gespaltenen Kongress oder mit vollständiger Kontrolle, wird der IRA mit aller Wahrscheinlichkeit umgesetzt. Bei einer Mehrheit in beiden Kammern könnte es zudem weitere Bestrebungen zur Verschärfung von Umweltschutzvorschriften und Treibhausgasemissionsstandards geben.
Ein republikanischer Präsident
Ein republikanischer Präsident könnte Exekutivmassnahmen ergreifen. Dazu gehört die Zurückhaltung neuer Kredite im Rahmen des Darlehensprogramms des Energieministeriums und des Programms zur Modernisierung der Energieinfrastruktur. Ebenso könnte die Öl- und Gasproduktion angekurbelt werden, etwa durch die Freigabe von Bundesflächen, auf denen Bohrungen derzeit eingeschränkt sind. Eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wäre denkbar.
Nicht zu unterschätzen wären der erneute Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen und die Abschaffung der bundesstaatlichen Vorschriften zur Beschaffung von Elektrofahrzeugen und sauberer Energie. Oder auch die Rücknahme von Vorschriften über Methanemissionen sowie die Senkung der Standards für Treibhausgasemissionen von Kraftwerken und im Verkehrssektor.
Was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger?
Das Finanzministerium befindet sich derzeit in der dritten Phase der Umsetzung des IRA und konzentriert sich auf die Finalisierung der Bestimmungen. Diese werden voraussichtlich im November vorliegen. Die Behörde will offenbar so viele Vorschriften wie möglich vor den Wahlen fertigstellen, um sie vor einem potenziellen republikanischen Präsidenten zu schützen. Denn die Förderung von Elektrofahrzeugen, Energieeffizienz, Wärmepumpen und Solarenergie für Privathaushalte wäre gefährdet. Wahrscheinlich ist eine parteiübergreifende Unterstützung für die Förderung von Solar-, Speicher- und Windenergieanlagen im industriellen Massstab, da diese überwiegend in republikanisch geprägten Bundesstaaten oder Swing States liegen.
Autoren: Edward Lees, Co-head of the Environmental Strategies Group, und Ulrik Fugmann, Co-head of the Environmental Strategies Group, beide BNP Paribas AM