Um den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Ressourcenverbrauch anschaulich aufzuzeigen, markiert der sogenannte Overshoot Day das jährliche Datum, an dem die Nutzung natürlicher Ressourcen in die Übernutzung umschlägt. Der Weiterentwicklung der Ernährungssysteme kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Konkrete Praxislösungen mit messbarer Wirkung sind gefragt. Über den wichtigen Handlungsrahmen Schweiz hinaus rücken mit der Zielsetzung verkürzter Lieferketten verstärkt gesamteuropäische Kooperationen in den Fokus.
Donau Soja: Lieferkette funktioniert
Erfolgsgeschichten sind keine Zukunftsmusik, wie die europaweit aktive Organisation Donau Soja, zu dem das Soja Netzwerk Schweiz gehört, beweist. Noch vor zehn Jahren stammte ein Grossteil der Schweizer Futtersojaimporte fast vollständig aus Brasilien. Handlungsbedarf für die ganze Branche entstand neben der Schädigung der Regenwaldgebiete mit der immer stärkeren Verbreitung des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Wie der Name der Soja-Organisation andeutet, liegen die Anbaugebiete zum Grossteil in den Ländern Südosteuropas – zu einem wesentlichen Anteil in der traditionellen Kornkammer Ukraine. Über 90 Prozent der Schweizer Futtersojaimporte stammen heute aus Donau-Soja-Quellen. Über den rückverfolgbar zertifizierten GVO-freien Anbau ist ein wachsender Anteil auch biozertifiziert. Im Bioanbau bildet der GVO-Ausschluss eine der Grundanforderungen.
Die Agroindustrial Group Arnika Organic steht für einen Verbund von biologisch bewirtschafteten Agrarbetrieben in der Poltawa-Region – auf halber Distanz zwischen Kiew und den umkämpften Regionen im Süden und Osten. Mit insgesamt rund 18 000 Hektaren mit biozertifizierter Bewirtschaftung zählt Arnika Organic zu den grössten Biobetrieben Europas. Anastasiia Bilych kennt als Marketing- und Nachhaltigkeitsverantwortliche bei Arnika Organic die Herausforderungen der Kriegswirtschaft aus erster Hand. Wichtig sei jetzt die Aufrechterhaltung und der Ausbau der solidarischen Kooperationen: «Das Jahr 2022 hat gezeigt, wie Nachhaltigkeit in der Praxis wirklich funktioniert und die Entschlossenheit im ganzen Team verstärkt», betont Bilych.
Arnika Organic bleibt seinen Prinzipien treu, die Umwelt und ihre Ressourcen zu schonen. Man setze auf konkrete Massnahmen in den Bereichen «Carbon Sequestration» (Kohlenstofffixierung) mit der Entwicklung neuer Agrartechnologien und -anwendungen, mit «Ecosystem Services» mit gleichzeitig innovativen wie naturnahen Massnahmen im Pflanzen- und Insektenschutz (Phytopathologie und Entomologie) sowie mit der gezielten Biodiversitätsoptimiererungen wie zum Beispiel grosszügigen ökologischen Ausgleichsflächen der Wildbienenförderung.
Die Stichworte «Landwirtschaft und Ukraine» wecken unmittelbar Bilder von weitflächigen Sonnenblumenfeldern. Das Angebot der ukrainischen Agrarwirtschaft ist selbstverständlich wesentlich vielfältiger gestaltet. Auch wenn dem Anbau und der Aufbereitung von Sonnenblumen nach wie vor eine wichtige Bedeutung zukommt. Gerade die grossen Akteure wie das in diesem Sektor führende Unternehmen Kernel haben sich längst auf den Weg Richtung klimagerechte Methoden gemacht, wie Kostiantyn Taranets, Senior Manager von Climate Change and Sustainability Services bei EY, auf Anfrage und mit Blick auf die aktuellen Studien bestätigt: «Ukrainische Agrarprodukte auf der Grundlage der Richtlinien der FAO und der EU-Taxonomie sind eine wichtige Triebkraft für die Stärkung der Position auf den Rohstoffmärkten.»
Marta Trofimova, Sustainability Manager bei Kernel, zeigt mit Blick auf die ukrainische Agrarwirtschaft auf: «Der ukrainische Agrarsektor spielt nicht nur eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der weltweiten Ernährungssicherheit, sondern verfügt auch über ein hohes Potenzial, um zur Dekarbonisierung der globalen Lieferketten von Agrarrohstoffen beizutragen und damit die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.» Dies würde mit den inhärenten agroklimatischen Bedingungen der Ukraine, der Qualität der Böden und der historischen Erfahrung der Unternehmen sowohl in der traditionellen als auch in der regenerativen oder sogenannten Kohlenstofflandwirtschaft zusammenhängen. Dieser Bereich, in dem sich die wichtigsten Marktteilnehmenden und politischen Entscheidungsträger engagieren, könnte sich zu einem bedeutenden Kanal für nachhaltigkeitsbezogene Investitionen in der Nachkriegszeit in der Ukraine entwickeln.
Um ihr kohlenstoffarmes Entwicklungspotenzial zu erschliessen und die Erwartungen der Investoren und Investorinnen zu erfüllen, sollten Unternehmen klimabezogene Perspektiven in ihre Geschäftsplanung integrieren. Dazu gehört in erster Linie die Erstellung einer Bilanzierung der Treibhausgasemissionen für den landwirtschaftlichen Betrieb und die übrige Wertschöpfungskette, um die Rückverfolgbarkeit des Kohlenstofffussabdrucks der Kulturen zu gewährleisten.