Elektromobilität ist in aller Munde. Gerade im Fahrradbereich hat in den letzten Jahren eine regelrechte Elektrisierung stattgefunden. Wie erklären Sie sich den Hype?
Karl Ludwig Kley (KLK): Die Corona-Pandemie hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass sich das Mobilitätsverhalten verändert hat, insbesondere zugunsten von Velos, Pedelecs und E-Bikes. Viele sind nach der Pandemie beim Zweirad als Mobilitätslösung geblieben und greifen für ihre tägliche Mobilität nicht mehr auf das Auto oder den ÖV zurück.
Tomi Viiala (TV): Wir stellen grundsätzlich Ansätze eines Bewusstseinswandels fest, einen Trend zu nachhaltiger Mobilität: Viele Menschen machen sich vermehrt Gedanken zur Nachhaltigkeit. Hinzu kommt, dass die Städte heute vor grossen Herausforderungen im Berufsverkehr stehen: Stau, schlechte Luft, kaum Parkplätze – es braucht neue und nachhaltige Lösungen.
Sind Zweiräder der Schlüssel?
TV: Velos, E-Bikes und Speed-Pedelecs können ein Teil dieser Lösung sein. Wir glauben vor allem an eine Koexistenz von bestehenden und neuen Mobilitätslösungen. Die Infrastruktur in für Zweiräder wird in den Städten kontinuierlich ausgebaut und bietet mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden. Damit wird das Velo als Pendlerfahrzeug noch attraktiver.
Stromer Bike setzt sich für eine nachhaltige Produktion von E-Velos ein. Ist es das, was Sie von der Konkurrenz abhebt?
KLK: Nicht nur. Wir haben uns zum Beispiel ganz gezielt auf die Nische Speed-Pedelecs spezialisiert und bieten mit der Marke Stromer nur E-Bikes mit Tretunterstützung bis 45 km/h an.
TV: Innovationsführerschaft ist ein weiterer Punkt, den wir anderen Anbietern voraushaben. Stromer war 2009 die erste Marke, die ein E-Bike mit integriertem Akku auf den Markt brachte. Zudem waren wir die Ersten, die ein vernetztes Bike entwickelten und zur Marktreife brachten. Durch die Vernetzung wurde erstmals ein elektronischer Diebstahlschutz möglich, und Software-Updates können over the air eingespielt werden.
Wie reduziert Stromer Bike die Umweltauswirkungen der eigenen E-Bike-Produktion ganz konkret?
KLK: Wir setzen seit vielen Jahren bewusst auf den Standort Schweiz: Sämtliche Stromer Bikes werden hier in Oberwangen bei Bern entwickelt und produziert, womit wir unsere Transportwege erheblich reduzieren. Zudem achten wir bei der Auswahl unserer Komponenten, die wir per Schiff liefern lassen, auf Langlebigkeit, um eine möglichst lange Nutzungsdauer unserer Produkte zu gewährleisten.
TV: Wir wollen noch mehr Komponenten aus Europa beschaffen, um auch die Lieferwege nachhaltiger zu gestalten. Der Einsatz recycelter Werkstoffe wird uns künftig ebenfalls beschäftigen.
Ein Kritikpunkt bei den E-Bikes ist die Gewinnung und Verarbeitung der für den Akku benötigten Materialien, die ökologische und soziale Herausforderungen mit sich bringen können. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Zulieferer nach den gleichen Nachhaltigkeitsstandards arbeiten wie Sie?
KLK: Wir haben mit unseren Lieferanten einen Code of Conduct verbindlich vereinbart und auditieren sie regelmässig auf die Einhaltung unserer Standards.
Ein weiterer Diskussionspunkt bei den E-Bikes ist die Reichweite. Wie effizient sind Stromer-Bike-Akkus?
TV: Wir bieten vier verschiedene Akkugrössen an, drei davon lassen sich in jedes beliebige Modell integrieren. Unser grösster Akku ermöglicht mit einer Leistung von 1440 Wattstunden eine Reichweite von bis zu 260 Kilometern. Allerdings ist die tatsächliche Reichweite immer von vielen Faktoren abhängig, etwa der gewählten Unterstützungsstufe, der Nutzung des Rekuperationsmodus, dem Schaltverhalten, Topografie oder Wind.
Die Nachhaltigkeit von E-Velos hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem auch vom Strommix für das Aufladen der Batterien. Hat Stromer Bike einen Weg gefunden, diesen Aspekt zu steuern?
KLK: Den Strommix, den ein Nutzer zum Aufladen seiner Batterie verwendet, können wir als Hersteller leider nicht beeinflussen. Denkbar sind aber Kooperationen mit Herstellern von Ladeeinrichtungen, die auf nachhaltige Stromproduktion setzen, etwa über Solarenergie. Aber unsere Bikes können über den Rekuperationsmodus auch Energie rückgewinnen, womit ein kleiner Beitrag für noch mehr Nachhaltigkeit erzielt wird.
Der Stromer-Campus bei Bern ist nicht nur ein Montage-, sondern auch ein Entwicklungsstandort. Wie sieht die Zukunft von E-Bikes aus?
TV: Die Bedeutung von S-Pedelecs als Mobilitätslösung nimmt aus unserer Sicht stetig zu. In vielen Ländern wird erheblich in die Entwicklung von Infrastruktur zugunsten des Fahrradverkehrs investiert. Das erleichtert den Umstieg vom Auto auf ein Fahrrad.
KLK: Die Sicherheit und das Fahrerlebnis stehen bei Stromer Bike im Fokus, weshalb wir unsere Produkte in dieser Hinsicht stetig weiterentwickeln. Ein spannender Bereich wird V2X sein, eine Technologie, die helfen wird, die Gefahr einer Kollision zwischen Auto und Fahrrad frühzeitig zu erkennen und einen Unfall zu vermeiden. Erwähnenswert ist sicher auch die positive Entwicklung im Akkubereich: Wir haben letztes Jahr als erster E-Bike Hersteller einen fahrbaren Prototyp mit einer Solid-State-Ceramic-Batterie vorgestellt. So viel vorneweg: Die nächsten Jahre werden spannend.