Lebensmittelverpackungen stehen in der Kritik. Sie seien teils unnötig, umweltverschmutzend und schädlich fürs Klima. Entsprechend kümmert sich die Politik gerne um wohlmeinende Regulierungs- und Verbesserungsvorschläge. Wie derzeit mit der geplanten EU-Verpackungsverordnung PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation), welche bisherige EU-Verpackungsrichtlinien der Mitgliedstaaten ablösen wird und darauf zielt, dass bis 2030 alle Verpackungen, welche innerhalb der EU in Verkehr gebracht werden, wiederverwendbar oder auf wirtschaftlich vertretbare Weise recyclingfähig sein sollen. Diese Regulierung wird wohl auch die Schweiz übernehmen.
Für die Herstellung von Lebensmittelverpackungen sind unzählige Anforderungen zu beachten: rechtliche Rahmenbedingungen, sicherheitsrelevante Erfordernisse, Kriterien der Lebensmittelqualität, Erfordernisse des Marketings, technologische Anforderungen, ökologische Kriterien, ökonomische Aspekte, logistische Ansprüche – um einmal die wichtigsten zu nennen. Vor allem Kunststoffverpackungen tragen dazu bei, Lebensmittel hygienisch einwandfrei und sicher zu halten, die Lager- und Transportfähigkeit zu verbessern und so die Qualität zu sichern. Negativ sind dagegen die Mengen. So werden 40 Prozent der in der EU verwendeten Kunststoffe für Verpackungen genutzt. Und diese gelten als eine Hauptquelle für die wachsende Verschmutzung unserer Umwelt, vor allem der Böden und Gewässer.
Das wohl wichtigste Anliegen ist daher die Substitution von Kunststoffen in der Verpackung. Als Hoffnungsträger gelten dabei biobasierte Materialien. Biokunststoffe – im Fachjargon auch «biologisch abbaubare Werkstoffe» (BAW) genannt – sind in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. BAW werden auf Basis nachwachsender Rohstoffe erzeugt. Bei der Herstellung werden vor allem Zucker, Stärke und Cellulose als Ausgangsstoff verwendet, die aus Nutzpflanzen wie Mais, Zuckerrohr, Zuckerrüben oder auch Hölzern gewonnen werden.
Verwirrung und Unsicherheit
Doch was nachvollziehbar und überzeugend klingt, hat auch Haken. Etwa, indem biobasierte Lebensmittelverpackungen zu Verwirrung und Unsicherheit bei den Konsumentinnen und Konsumenten sowie in der Entsorgungsbranche führen. Denn es ist nicht immer sinnvoll, kompostierbare Kunststoffe mit dem Grüngut zu entsorgen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen entsprechen die Bedingungen in der Kompostieranlage nicht immer den Idealbedingungen bei Temperatur und Abbauzeit. In der Fachwelt spricht man von der «Verweilzeit im biologisch aktiven Milieu».
Nicht abgebaute BAW-Produkte sind mehrfach problematisch. Betrieblich können sie nämlich zur Beeinträchtigung von Maschinen und damit auch von Abläufen führen. Wichtig ist zudem die Beeinträchtigung des visuellen Aspekts der Endprodukte Gärgut und Kompost. Zudem besteht in Bezug auf die nicht abgebauten BAW und damit auf eine mögliche Akkumulation im Boden noch keine wissenschaftlich abgesicherte Klarheit.
40 Prozent der in der EU verwendeten Kunststoffe werden für Verpackungen genutzt.
Das ist nachvollziehbar, denn ein Stoff, der gemäss Norm während der Kompostierung im Labor abgebaut wird, wird in der Realität nicht unbedingt vollständig zersetzt, was zu einem unerwünschten Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt führt. Zum anderen ist für die Mitarbeitenden der Kompostieranlage meist nicht ersichtlich, welche Produkte kompostierbar sind und welche nicht. Deshalb werden die meisten kompostierbaren Produkte vor der Kompostierung aus dem Grüngut entfernt und schliesslich thermisch verwertet.
Langer Weg bis zum Ziel
Der Marktanteil von biobasierten Kunststoffen ist derzeit noch sehr gering. So werden beispielsweise Milch- und Fleischprodukte äusserst selten damit verpackt, weil die biobasierten Kunststoffverpackungen zurzeit noch nicht allen technischen Anforderungen gerecht werden. Und bei Frischfleisch sollte das Verpackungsmaterial eine gute Sauerstoff- und Wasserdampfbarriere aufweisen, denn die mikrobiologische Aktivität hält auch nach der Kühlung und Verpackung an, wenn auch in geringerem Masse. Das ist bei BAW noch nicht garantiert.
Werden BAW verwendet, stehen oft verkaufstechnische Überlegungen dahinter und weniger die spezifischen Materialeigenschaften. Denn dank gezielter Kommunikation können die Unternehmen von einem stärkeren ökologischen Image profitieren und somit für eine affine Kundschaft attraktiver werden, ohne sich dem Vorwurf des Greenwashing auszusetzen. Damit lassen sich die derzeit gegenüber konventionellen Verpackungsmaterialien höheren Produktionskosten der Biolebensmittelverpackungen auch relativ einfacher kompensieren. Die Industrie scheint sich jedenfalls bereits auf «Bio auch aussenrum» einzustellen.