In den Medien wird vielfach verkündet, Frauen seien bessere Anleger. Was sind Ihre Erfahrungen?
Martina Müller-Kamp: Meines Erachtens ist es so.

Weshalb?
Das liegt zum einen daran, dass Frauen risikoaverser sind, sie traden weniger als Männer und unterliegen seltener dem Problem der Selbstüberschätzung. Es gibt empirische Forschungen, die belegen, dass Frauen bessere Renditen erzielen als Männer.

Inwiefern überschätzen sich Frauen weniger?
Frauen begehen gerade im Gegensatz zu jungen Männern häufig nicht die klassischen Anlegerfehler, vor denen wir warnen. Junge Männer haben oft das Gefühl, nur weil sie regelmässig Zeitung lesen, besässen sie ausgezeichnete Prognosefähigkeiten. Ihr Vermögen ist zu wenig diversifiziert, durch den ständigen Kauf und Verkauf von Aktien verursachen sie hohe Kosten, sie halten schlechte Titel zu lange und verkaufen gute zu schnell.

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Gibt es so etwas wie weibliche Intuition beim Anlegen?
Gefühle sind meiner Meinung nach beim Anlegen nicht förderlich.

Es heisst, Frauen würden häufiger nach ökologischen oder sozialen Kriterien investieren. Stimmt das?
Ich kann das nicht bestätigen. Generell fragen bei uns wenige Privatkunden Nachhaltigkeit nach. Nur für institutionelle Kunden ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Dabei ist heute klar, dass Nachhaltigkeit ein Renditebringer im Portfolio ist.

Gutes tun und Rendite machen, das funktioniert?
Ja, definitiv.

Man sieht eher selten Frauen, die Börsenberichte lesen oder Börsennachrichten sehen. Woran liegt das?
Eine gute Frage. Im Laufe der Jahre habe ich beobachtet, dass es nicht viele Frauen gibt, die gerne auf die Märkte wetten. Dieser Wettstreit, der Wunsch, richtig investiert zu sein, Geld verdient zu haben, ist vielleicht eher eine Männerdomäne.

Von wie vielen Frauen sprechen wir, die Sie als Kundinnen haben?
Zu uns kommen Frauen häufig gemeinsam mit ihrem Mann. Frauen, die als Kundinnen allein kommen, machen maximal 10 Prozent aus.

Büro bei der Kantonalbank Graubünden

120 Mitarbeitende: Sie verwalten 12,7 Milliarden Franken an Kundenvermögen.

Quelle: Jannis Chavakis/13Photo

«Für Frauen ist es wichtig, dass zwischen ihnen und dem Berater die Chemie stimmt.»

Martina Müller-Kamp

So wenig? Wie erklären Sie sich das?
Ich erlebe es immer wieder bei Frauen im fortgeschrittenen Alter, dass sie sich nicht um ihre Finanzen kümmern möchten. Dabei sind Scheidungen heute viel häufiger als früher, eine Frau wird tendenziell älter als ihr Gatte. Irgendwann sind diese Frauen gezwungen, sich um ihre Finanzen zu kümmern.

Möchten Frauen von einer Frau beraten werden?
Nein. Für Frauen sind andere Dinge wichtig.

Die da wären?
Für Frauen ist es wichtig, dass zwischen ihnen und dem Berater die Chemie stimmt, dass es ein Vertrauensverhältnis gibt. Diese Verbindung kann sowohl zu einem Mann als auch zu einer Frau aufgebaut werden.

Frauen müssen also nicht anders beraten werden?
In fachlicher Hinsicht nicht. Auf der persönlichen Ebene muss man einen anderen, persönlicheren Ansatz wählen.

Name: Martina Müller-Kamp
Funktion: Chief Investment Officer (CIO), Graubündner Kantonalbank
Alter: 48
Karriere: seit zehn Jahren bei der GKB, seit drei Jahren Leitung Asset Management
Familie: geschieden, zwei Kinder
Ausbildung: Ökonomin