Der Strombedarf wird auch künftig zunehmen. Und auch der nötige Ausbau der erneuerbaren Energien Sonne und Wind führt zu ganz neuen Anforderungen im Stromversorgungssystem. Strom sollte nicht nur dann gesichert sein, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst. Die Belastung des Verteilnetzes und die Entfernungen für den Stromtransport werden grösser. Auch die zunehmende Alterung der europäischen Kernenergiekraftwerke führt zu unplanbaren Ausfällen. Zusätzlich bringt das fehlende Stromabkommen mit der EU Herausforderungen in der Planung von Stromflüssen im Schweizer Netz. Das alles verändert die gesamte Stromversorgung grundlegend.

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Heute muss ein Schweizer Endverbraucher gemäss dem Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen nur während rund 20 Minuten pro Jahr ohne Strom auskommen – 10 Minuten wegen geplanter Unterhaltsarbeiten und 10 Minuten nach einem Sturm oder nach schweren Schneefällen. Ähnlich gute Zahlen weist nur Deutschland auf. Franzosen und Italienerinnen sitzen im Schnitt jährlich bis zu anderthalb Stunden im Dunkeln. Um zukünftig die Versorgungssicherheit und Bereitstellung von Leistung im gewünschten Moment sicherzustellen, werden Stromspeicher zur Stabilisierung der Verteilnetze immer wichtiger.

Enormer Bedarf für Stromspeicherung

Für die Internationale Energieagentur IEA ist klar: «Ohne leistungsfähige Stromspeicher keine Energiewende.» Die Prognosen der Stromexperten machen deutlich, dass die Energiespeicherung in den kommenden Jahrzehnten exponentiell wachsen muss, damit die Welt die internationalen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele einhalten kann. «Beschleunigte Innovation wird für dieses Wachstum von entscheidender Bedeutung sein», sagt IEA-Chef Fatih Birol.

Ein interessantes Unternehmen in diesem wachsenden Zukunftsmarkt ist MW Storage aus Zug. Ein Team rund um die geistigen Väter Wilfried Karl und Marco Rüegg entwickelte, finanzierte und betreibt jetzt im schwyzerischen Ingenbohl die grösste Batterie der Schweiz. Die Werte der Lithium-Ionen-Batterie sind beeindruckend: 20 Megawatt Leistung und ein Volumen von sechs Schiffscontainern. Das heisst konkret: Mit der gespeicherten Energie von 20 Megawattstunden könnten rund 11 000 Computer gleichzeitig während 12 Stunden eingesetzt werden – oder 1400 Elektroautos je rund 100 Kilometer weit fahren.

Zum Vergleich: Vor nicht einmal zehn Jahren ging im deutschen Schwerin der damals grösste Energiespeicher Europas ans Netz – mit 5 Megawattstunden. Das zeigt die rasante Entwicklung. «In den nächsten Jahren wird noch einiges laufen», ist Rüegg überzeugt. Das Spezielle an MW Storage: «Herkömmliche Projektentwickler kümmern sich um die Technik und die Vertragswerke und verkaufen ihr Projekt schlüsselfertig – wir entwickeln das Projekt, finanzieren es und stellen auch nachher den langjährigen Betrieb sicher», sagt Rüegg.

Ihre Nähe als Entwickler und Betreiber sei für die Investoren ein grosser Vorteil. «Sie wissen, dass wir uns optimal um die Anlage kümmern und auch neue Marktmöglichkeiten umsetzen.» Oft komme das Management solcher Anlagen eher von der technischen Seite und sei wenig marktorientiert. Der Ansatz von MW Storage: «Wir wollen solche Anlagen über ihre Lebenszeit wirtschaftlich optimieren», so Rüegg.

100-Megawattstunden-Anlage geplant

MW Storage agiert wie ein Generalunternehmer. In Ingenbohl beispielsweise lief die Finanzierung ohne Hilfe der öffentlichen Hand und frei von Subventionen. «Ermöglicht wurde die erste Megabatterie von MW Storage durch die Schweizer Anlagestiftung Valyou sowie zwei Schweizer Kantonalbanken», so Rüegg. Die Anlagestiftung Valyou bietet nachhaltige Anlagelösungen für Vorsorgeeinrichtungen. Sie investiert in Infrastrukturprojekte mit Fokus auf Nachhaltigkeit insbesondere im Energiesektor.

Die Batterie selbst kommt von Fluence Energy mit Sitz im deutschen Erlangen, einem Joint-Venture von Siemens und der amerikanischen AES. Im Auftrag von MW Storage bewirtschaftet Alpiq die leistungsstärkste Batterie der Schweiz. Der Stromproduzent setzt die Anlage hauptsächlich zur Stabilisierung des Stromnetzes und zum Verhindern von Blackouts ein.

Die seit zwei Jahren laufende Anlage in Ingenbohl wird zurzeit auf den neusten Stand der Technik erweitert. Gibt es Learnings? «Zum Glück lief alles reibungslos. Die Abstimmung der vielen verschiedenen Projektpartner war anspruchsvoll», hält Rüegg fest. Die grösste Herausforderung war eine andere: «Wir starteten in Ingenbohl im Frühjahr 2020, gerade bei Ausbruch der Corona-Pandemie.» Da sei es eine Challenge gewesen, den richtigen Ingenieur vor Ort zu haben oder dringend benötigte Produkte überhaupt zu erhalten. Und auf der Baustelle ständig abzuklären, was erlaubt sei.

Inzwischen läuft die Anlage gewinnbringend. Mehr noch: Die klugen Köpfe vom Zugersee sind in ganz Westeuropa aktiv. In der Nähe von Helsinki haben sie mit Siemens Finnland ebenfalls eine 20-Megawatt-Batterie realisiert: So soll das Bier der dortigen Carlsberg-Tochter klimaneutral werden. MW Storage verfügt über eine Projekt-Pipeline mit Projekten in ganz Europa. «In Deutschland sind wir momentan an unserem bisher grössten Projekt dran: einer 100-Megawatt-Anlage mit 100 Megawattstunden Kapazität», sagt Rüegg. Im Fokus hat das Unternehmen Projekte mit einem Investitionsvolumen in der Grössenordnung von 10 bis 50 Millionen Franken. «In Ausnahmefällen sind es auch mal 100 Millionen.» Finanziert werden die Projekte von Schweizer Pensionskassen durch die Anlagestiftung Valyou oder neuerdings auch durch den MW Storage Fund.