Die Probleme rund um die weltweiten Lieferketten scheinen sich langsam zu entspannen. Die letzten Monate waren aber enorm herausfordernd und haben eines gezeigt: Je intelligenter Unternehmen ihre Lieferketten und ihre Logistik gestalten, desto mehr können sie sich bei künftigen Krisen von der Konkurrenz abheben.

Ein hilfreiches Instrument dafür ist der Global Supply Chain Pressure Index, kurz GSCPI. Er stützt sich auf Faktoren wie Transportkosten, Frachtkapazitäten, die Qualität der Infrastruktur, die politische Stabilität und Handelsabkommen und lässt Rückschlüsse auf die Effizienz, Zuverlässigkeit und Flexibilität sowie potenzielle Risiken von globalen Lieferketten zu. Mithilfe des GSCPI können Unternehmen frühzeitig Warnsignale erkennen und so proaktiv beispielsweise nach alternativen Bezugsquellen suchen, die Lagerbestände erhöhen oder die Produktionsprozesse anpassen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Steigende Material- und Lieferkettenkosten sind seit langem ein Thema, insbesondere in der Halbleiter- und Elektronikindustrie. Für die derzeitige angespannte Situation sind in erster Linie jedoch andere Faktoren verantwortlich. Einerseits sind das Nachwirkungen der Pandemie. Auf lange Sicht werden aber geopolitische Spannungen und die Aufspaltung von Lieferketten die bestimmenden Faktoren sein. Letzteres führt zu einer Umkehrung der Globalisierung sowie zu einer Diversifizierung der Lieferketten hin zu Regionen mit vielfältigen Ressourcen wie Südostasien und Lateinamerika.

Japanische Firmen sind gut positioniert

Automatisierung kann insbesondere mit Blick auf die erhöhten Kosten, die durch die Verlagerung und Duplizierung der Lieferketten entstehen, Abhilfe schaffen. Von diesem Trend dürften japanische Unternehmen im Bereich der Fabrikautomation wie Keyence profitieren. Aber auch andere japanische Unternehmen kommen mit Unterbrechungen der Lieferketten relativ gut zurecht. Nicht zuletzt ist Japan gut positioniert, um von der Verlagerung von Halbleiter-Lieferketten an Standorte ausserhalb Taiwans zu profitieren – ein Prozess, der durch die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China ausgelöst wurde.

Unternehmen, die in diesem herausfordernden Umfeld ihre gesamte Wertschöpfungskette hinweg effektiv managen und diversifizierte Einnahmequellen aufweisen können, haben gegenüber ihrer Konkurrenz einen Vorteil. Für Anlegende liegt der Schlüssel daher darin, Unternehmen zu identifizieren, deren Wachstum und Ressourcen nicht von einem einzigen Markt abhängen – Daikin Industries, ein Hersteller von Klimatechnik, ist ein gutes Beispiel. Trotz Lieferkettenengpässen und einer schwachen Verbraucherstimmung konnte Daikin in diesem Jahr in wichtigen Regionen wie Europa, den USA und Indien ein Umsatzwachstum erzielen.

Nearshoring rückt in den Fokus

Auch mit Nearshoring, dem Gegenteil von Offshoring, versuchen Unternehmen, ihre Lieferketten robuster zu machen. Sie verlagern die Produktion zurück in Länder, die nahe an den Verkaufsmärkten und entsprechend in ähnlichen Zeitzonen liegen. Friend- und Re-Shoring sind ähnliche Konzepte: Bei ersterem wird die Arbeit in «befreundete» Länder und bei zweitem zurück in den Heimmarkt verlagert.

Vor diesem Hintergrund ist «China Plus One», also das Suchen nach Alternativen zu China, ein wichtiges Thema. Zudem rücken gewisse Länder als Nearshoring-Partner in den Vordergrund. Es ist zu erwarten, dass Indien einer der Hauptnutzniesser sein wird. Doch es dürfte noch viele Jahre dauern, bis das Land China als weltweites Produktionszentrum herausfordern kann.

Auch Mexiko könnte zu den Gewinnern zählen. Das Land verfügt über eine bestehende Handelspartnerschaft mit den USA und exportiert mehr in den nördlichen Nachbarn als es von dort importiert. Auch Tesla hat bereits mit Plänen für eine Gigafabrik im Norden Mexikos von sich reden gemacht.

Doch es gibt bereits Warnsignale: Der IPC-Index, der wichtigste Indikator für die Performance der an der mexikanischen Börse kotierten Unternehmen, liegt nur knapp unter dem Allzeithoch. Das weckt Erinnerungen an die wirtschaftliche Entwicklung Mexikos in den Jahren 2012 und 2013. Damals prognostizierten Experten, das Land würde bis 2020 zu den zehn grössten Volkswirtschaften der Welt gehören. Doch das ist bis heute nicht der Fall.

Der Autor Christophe Braun ist Investment Director bei der Capital Group