Die AG für Fruchthandel wurde im Jahr 1932 gegründet und beschäftigt heute rund 100 Mitarbeitende. Damit ist das Unternehmen eines von vielen KMU, die als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft gelten. Traditionelle Wurzeln, regional verbunden und eingespielte Produktions- wie auch Vertriebsprozesse sind gesetzt. Und auf der anderen Seite ist man sich bewusst, dass die Zukunft digital ist. Und das wird bei der AG Fruchthandel bereits seit vielen Jahren aktiv gestaltet, nicht zuletzt, weil Alex Bosshart – Verwaltungsratspräsident und in der Geschäftsleitung für Finanz, Personal und Informatik zuständig – Wirtschaftsinformatik studiert hat.
Kurz zusammengefasst: Was macht die AG für Fruchthandel?
Wir beliefern Grossverteiler und Grosshändler in der ganzen Schweiz mit Früchten und Gemüse, frisch und küchenfertig und die regionale Gastronomie in der Nordwestschweiz zusätzlich noch mit Milchprodukten und Tiefkühlwaren. Wir reifen Bananen und produzieren und verpacken nach Kundenwunsch. Hauptsitz ist Münchenstein und Produktion in Allschwil.
Zur Person: Alex Bosshart ist Leiter Finanz/Personal/IT sowie VR-Präsident bei der AG für Fruchthandel. Er hat an der UZH Wirtschaftsinformatik studiert.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Entwicklung des Unternehmens?
Wir nutzen verschiedene digitale Technologien, darunter ein ERP-System. Besonders hervorzuheben ist die digitale Archivierung, die nahezu alle physischen Archive ersetzt, selbst für die gesetzliche zehnjährige Aufbewahrungspflicht. Vor zehn Jahren wurde ein neues ERP-System eingeführt, da die Unterstützung für das alte System ans Ende kam. Der Wechsel war ein umfangreiches Projekt, bei dem viele Optionen geprüft wurden. Zunächst haben wir zwölf Systeme in die engere Auswahl genommen und analysiert. Schliesslich entschieden wir uns für ein Schweizer Produkt, das teurer war, aber eine Update-Garantie bietet. Diese stellt sicher, dass implementierte Kundenanforderungen auch nach Updates weiterhin funktionieren. Zudem sind wir bei diesem Anbieter nahe an der Entwicklung, und es wird auf unsere Bedürfnisse eingegangen. Diese Eigenschaften waren für uns besonders wichtig.
12 Systeme zu testen, ist zeitaufwendig. Und das kostet …
Für uns ist das ERP-System ein zentrales Element, da es die Lagerhaltung, den Einkauf, den Verkauf sowie die Produktionsprozesse abdeckt. Aufgrund der wichtigen Rolle des Systems wurde viel Zeit in die Auswahl und Implementierung investiert. Ein Team mit Key-Usern unserer Firma hat zusammen mit einem der Anbieter ein detailliertes Pflichtenheft ausgearbeitet, um sicherzustellen, dass das System alle Anforderungen erfüllt. Diese sorgfältige Auswahl und Planung haben sich gelohnt. Das ERP-System ist seit über neun Jahren im Einsatz und soll noch viele Jahre weiter genutzt werden, da es sich bewährt hat und regelmässig aktualisiert werden kann. Gerade in einem KMU brauchen Sie auf der einen Seite Konstanz und auf der anderen Seite Individualisierbarkeit.
Wenn wir über Konstanz reden: Sie selbst sind seit mehr als zwei Jahrzehnten im Unternehmen. Ich gehe davon aus, andere Mitarbeiter sind ebenfalls schon lange dabei. Wie gewinnt man diese für so einen innovativen Wandel?
Bei der Einführung des neuen ERP-Systems haben wir eine Projektgruppe gebildet, die sich mit Aufbau und Tests beschäftigte. Mitarbeitende wurden frühzeitig eingebunden, um Feedback zu geben und das System zu testen. Schulungen begannen etwa einen Monat vor der Einführung, um Akzeptanz und Vertrautheit zu schaffen. Das alte, textbasierte System wurde rein über die Tastatur bedient, das neue auch mit Maussteuerung. Geschwindigkeit ist essenziell, da täglich etwa 300 Aufträge eingegeben werden. Vor fünf Jahren wurden die Server durch schnellere Hosts ersetzt. Anfangsschwierigkeiten sind überwunden, und die Effizienz ist gewährleistet.
Was würden Sie sagen, waren die grössten Herausforderungen?
Wir waren immer transparent. Die Mitarbeitenden wurden frühzeitig informiert und in die Entscheidungsprozesse eingebunden, um sicherzustellen, dass jeder über das neue System und seine Implementierung Bescheid wusste. Ein Monat vor der Einführung gab es eine Testphase, in der die Mitarbeitenden das neue System ausprobieren und sich damit vertraut machen konnten. Dies half, potenzielle Probleme frühzeitig zu identifizieren. Einzelne Mitarbeitende zeigten anfangs eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber dem neuen System, was durch intensive Schulungen und regelmässiges Feedback gut überwunden wurde.
Wie sieht es nun mit der Skepsis aus?
Die transparente Kommunikation und das Einbinden der Mitarbeitenden in den Prozess ermöglichten eine hohe Akzeptanz und bewältigten die anfänglichen Herausforderungen erfolgreich. Auch Monate nach der Einführung gab es aber noch vereinzelt Skepsis, die jedoch allmählich in Anerkennung der Vorteile des neuen Systems umschlug. Trotz der Vorbereitung musste das Unternehmen akzeptieren, dass es immer Mitarbeitende gibt, die Schwierigkeiten haben, sich auf neue Systeme einzustellen.
Kommen wir zum Thema Datenschutz. Je mehr Digitalisierung im Unternehmen, umso grösser ist die Angriffsfläche.
2023 wurde ein Cyber Awareness Training für alle PC-Nutzer durchgeführt. Es sensibilisiert Mitarbeitende für Risiken von Cyberangriffen und lehrt den sicheren Umgang mit E-Mails, insbesondere beim Anklicken von Links und beim Umgang mit verdächtigen Anhängen. Schulungen und regelmässige Kommunikation schaffen Bewusstsein für Cybersicherheit und helfen, präventive Massnahmen zu treffen. Bis jetzt gab es keine schwerwiegenden Vorfälle. Das Training wird nächstes Jahr erneut durchgeführt, um Wissen aufzufrischen und über neue Risiken zu informieren.
Ist Ihre IT-Abteilung mit zunehmender Digitalisierung gewachsen oder machen Sie es wie viele andere KMU und setzen auf externe Anbieter?
Wir sind ein kleines Unternehmen, das seine IT-Infrastruktur grösstenteils selbst verwaltet, aber externe Berater hinzuzieht, um Risiken gut zu managen. IT-Sicherheit ist besonders wichtig, da wir von tagesaktuellen Bestellungen abhängig sind und bei IT-Ausfällen stark beeinträchtigt würden. Neben einer Firewall und Redundanz bei allen wichtigen IT-Komponenten speichern wir unsere Daten intern, um nicht vollständig auf Internetleitungen angewiesen zu sein. Gegen Cyberangriffe und technische Ausfälle haben wir ein aktives Monitoring und eine umfassende Backup-Strategie, die interne und externe Backups umfasst, um eine schnelle Wiederherstellung zu ermöglichen.
Sie sprachen eingehend Ihre Kunden an, wie digitalisiert sind diese?
Intern arbeiten wir an einem KI-Projekt zur Verarbeitung von Bestellungen. Viele Bestellungen, speziell von Köchen von Altersheimen und Restaurants, kommen telefonisch rein und wurden bisher manuell ins System eingegeben. Mit dem neuen Projekt sollen Audio-Dateien von einer KI wie ChatGPT verarbeitet und ins System eingetragen werden. Mitarbeitende überprüfen die Eingaben auf Richtigkeit. Diese Automatisierung wird Zeit sparen und Mitarbeitende für andere Aufgaben frei machen.
Intern hilft die KI, der Kunde aber will aber weiterhin telefonieren?
Wir bieten unseren Kunden verschiedene Bestellmöglichkeiten, um deren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Kunden können telefonisch, per Fax, E-Mail oder über den Webshop bestellen. Ausserdem gibt es die Option, Bestellungen über einen branchenübergreifenden Einkaufsshop abzuwickeln, der es ermöglicht, Waren von verschiedenen Lieferanten zu beziehen. Trotz der fortschreitenden Digitalisierung wollen wir die traditionellen Bestellmethoden beibehalten, um sicherzustellen, dass sich Kunden nicht bedrängt fühlen und weiterhin die gewohnten Kanäle nutzen können.
Wird es das noch lange brauchen?
Es ist in unserem Bereich wichtig, den traditionellen Bestellmethoden treu zu bleiben, bis die Kunden bereit sind, vollständig auf digitale Optionen umzusteigen. Viele KMU in der Schweiz haben ähnliche Herausforderungen bei der Digitalisierung erfahren, da regionale Kunden oft noch nicht für digitale Prozesse bereit sind. Wir treiben unsere internen Bemühungen zur Digitalisierung weiter voran, auch basierend auf den individuellen Erfahrungen und Hintergründen der Mitarbeitenden.
Final darf die Frage erlaubt sein: Worauf muss man achten, wenn man ausländische Anbieter für Cloud-Dienste oder KI-Technologie in Betracht zieht, insbesondere hinsichtlich Datensicherheit und Funktionalität?
Bei der Auswahl eines ausländischen Anbieters ist es wichtig, auf Datensicherheit und die Handhabung von Cloud-Diensten zu achten. Beispielsweise speichert der deutsche Anbieter, mit dem wir das KI-Projekt bearbeiten, Daten in der Microsoft-Cloud. Obwohl ich generell skeptisch gegenüber Cloud Computing bin und Daten im Ausland vermeiden möchte, vertraue ich renommierten Unternehmen wie Microsoft. Es wäre jedoch unvorsichtig, einen Anbieter aus weniger vertrauenswürdigen Ländern zu wählen. Wichtig ist, dass die Dienstleistung abgeschlossen und genau spezifiziert ist, um sicherzustellen, dass unsere Daten sicher und vertraulich behandelt werden.
Und final. Es ging Ihnen immer zuerst um den Service, das Angebot und nie darum, möglichst wenig Geld auszugeben. Würden Sie das anderen Unternehmen auch empfehlen?
Es hat mich überrascht, dass die laufenden Kosten für das neue ERP-System und die damit verbundenen Digitalisierungsschritte derart deutlich höher sind als früher. Diese höheren Kosten beruhen nicht nur auf Lizenz- und Wartungsgebühren, sondern auch auf regelmässigen Anpassungen und neuen Anforderungen, die wir alle zwei bis drei Wochen von unserem Partner umsetzen lassen. Dies führt dazu, dass wir im Jahr ein Vielfaches mehr ausgeben als zuvor. Aber ich kann sagen, für uns zahlt sich das aus.