Auf dem Arbeitsmarkt werden digitale Kompetenzen immer stärker nachgefragt. Dies betrifft mittlerweile fast alle Berufsgruppen und Branchen. Während die meisten Grossunternehmen längst Massnahmen ergriffen haben, um künstliche Intelligenz (KI) in ihre Prozesse zu integrieren, wissen viele klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) nicht, wie sie von den neuen Technologien profitieren sollen.
So erklärt die Chatbot-Forscherin Sophie Hundertmark gegenüber dem KMU-Portal des Seco, die mittelständischen Unternehmen in der Schweiz seien noch zu wenig darauf vorbereitet, das Potenzial von KI zu nutzen: «Den meisten KMU sind nicht nur die Chancen der generativen KI weitgehend unbekannt, sondern auch die mit ihr verbundenen Risiken. Ihnen fehlt ein umfassendes Verständnis davon, wie sie diese Art von KI angemessen nutzen können.» Die Expertin hält es daher für unerlässlich, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende von KMU weiterbilden – nur so könne der Wissenstransfer auf diesem Gebiet gefördert werden.
Reskilling und Upskilling
Diese Einschätzung teilt auch der Schweizerischer Verband für Weiterbildung (Sveb): «Verschiedene Studien und Umfragen für Deutschland, die Schweiz sowie Europa insgesamt zeigen, dass der Bedarf nach Reskilling und Upskilling, das heisst Umschulung und Weiterbildung, aufgrund von KI gross werden könnte. Bei vielen Schweizer Unternehmen besteht denn auch die Bereitschaft, in die digitale Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren.»
Laut der aktuellen KMU-Arbeitsmarktstudie der AXA Schweiz liegt der Anteil der mittelständischen Unternehmen, die noch keine KI-Instrumente für betriebliche Prozesse anwenden, allerdings bei hohen 45 Prozent. Diejenigen KMU, die KI nutzen, verwenden diese vorwiegend für Kommunikations- und Schreibaufgaben: 48 Prozent brauchen die neuen Technologien für Übersetzungen, 40 Prozent setzen KI für Korrespondenzaufgaben ein, um beispielsweise das Verfassen von E-Mails und Briefen zu beschleunigen oder zu erleichtern.
«In diesem Bereich können KI-Anwendungen einen klaren Mehrwert bringen und relativ problemlos in existierende Arbeitsprozesse integriert werden. Gerade in einem mehrsprachigen Land wie der Schweiz mit einer international stark vernetzten Wirtschaft müssen Texte, E-Mails oder Präsentationen ständig in verschiedene Sprachen übersetzt werden, und dabei leistet künstliche Intelligenz effiziente Hilfe», sagt Kathrin Braunwarth, Leiterin Data, Technology & Innovation der AXA Schweiz. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) nutzt KI für das Erstellen von Werbetexten. Noch etwas zurückhaltender eingesetzt wird KI von den KMU bei der Bildgenerierung (21 Prozent). Von rund einem Viertel der KI-nutzenden KMU wird KI für die Optimierung von Arbeitsschritten und Datenanalysen verwendet.
Notwendigkeit aufzeigen
Daten aus Deutschland weisen darauf hin, dass es für KMU schwieriger ist als für grosse Unternehmen, KI-Kompetenzen zu erwerben. Wie also können Firmen das Potenzial der KI besser ausschöpfen, und welche Weiterbildungen eignen sich dafür am besten? Die KMU-Studie des Sveb zeigt, dass mittelständische Unternehmen vor allem das informelle Lernen als relevant erachten. Dazu gehören beispielsweise der Erfahrungs- und Wissensaustausch innerhalb der Firma oder interne Coachings (siehe Box). Wie der Verband schreibt, gebe es zudem die Möglichkeit, mit KI selbst – etwa mit Custom GPTs – das selbstständige Lernen zu stärken. Auch der Besuch von Weiterbildungskursen werde von rund der Hälfte der befragten KMU als wichtige Massnahme erachtet, um den Kompetenzenbedarf im Betrieb zu decken. Der Sveb stellt ausserdem fest, dass es «genug und die richtigen Weiterbildungsangebote braucht, weil immer noch viele Personen über keine digitalen Kompetenzen verfügen, aber der Bedarf am Arbeitsmarkt steigt.»
Gemäss dem «Mobiliar Digital Barometer 2024» fehlt es jeder dritten Person in der Schweiz an grundlegenden digitalen Fähigkeiten. Um ältere Mitarbeitende für digitale Weiterbildungen zu motivieren, ist es laut dem Sveb zielführend, die Notwendigkeit und Benefits aufzuzeigen. Beispielsweise, indem man den Praxisbezug herstellt, Inputs alters- und wissensgerecht gestaltet oder dank Gamification die Freude und Neugierde an neuen Technologien weckt.
Lebenslanges Lernen findet insbesondere im Arbeitsalltag statt. Die regelmässige Teilnahme an (externen) Weiterbildungsmöglichkeiten können sich die KMU nicht immer leisten – ob aus zeitlichen, finanziellen oder personellen Gründen. Punktuell mangelt es auch an externen Weiterbildungsangeboten, welche die spezifischen Bedürfnisse der KMU abdecken. Als Alternative bietet sich informelles Lernen am Arbeitsplatz an. Durch den hohen Grad an Selbststeuerung ist informelles Lernen kostengünstig, zeitlich flexibel und kann den Bedürfnissen angepasst werden.
Informelles Lernen ist dann erfolgreich, wenn es als eine Kombination von Motivations- und Verhaltensbestandteilen angesehen wird. Dazu gehören:
Feedbackkultur: Austausch von Erfahrungswissen innerhalb des KMU
Modelllernen: Best Practice Transfer innerhalb des Teams, insbesondere auch bei Neueinstellungen oder Job Rotation
Eigenes Ausprobieren: Best Practice jederzeit hinterfragen, gegebenenfalls gibt es noch etwas Effizienteres
Lernintention: Raum (und Zeit) schaffen, das Gelernte zu verinnerlichen