Neue Technologien gelten als Schlüssel zur Lösung des Klimawandelproblems. Gemäss den optimistischen Szenarien der Internationalen Energieagentur (IEA), einem Branchenverband, wird fast die Hälfte aller angestrebten Treibhausgasemissionsreduktionspläne bis 2050 auf der Basis von Technologien erzielt werden, die kommerziell heute noch nicht zur Verfügung stehen.
Dabei spielen nicht nur staatliche Förderungen, sondern zunehmend auch das Risikokapital eine immer wichtigere Rolle. Private Gelder fliessen in den ersten Entwicklungsphasen in Startups, weil es hier weniger Einschränkungen bei der Mittelverwendung gibt. Grössere institutionelle Investoren, die oft mit mehr Auflagen arbeiten, stossen dann meistens in späteren Entwicklungsphasen hinzu.
Satelliten überwachen die Emissionen
Neben der Weiterentwicklung von Solar- und Windenergietechnologien zeichnen sich ganz neue, vielversprechende Entwicklungsthemen ab. Die Expertinnen und Experten der Credit Suisse haben einige solche Themen zusammengetragen, an die man gewöhnlich nicht denkt. Innovationen erfolgen derzeit in so rascher Folge, dass selbst Fachleute Mühe bekunden, alle vielversprechenden Themen zu überblicken. Laut James Gifford, Head of Sustainable & Impact Investing Advisory bei der Credit Suisse, haben Satelliten, welche die von der Industrie verursachten Emissionen aus dem All verfolgen, gezeigt, dass die Emissionen der Öl- und Gasindustrie dreimal höher sind, als man das zuvor angenommen hat.
Ein besonderes Augenmerk richtet man zunehmend auf die Methanemissionen. Dieses Gas hat ein 84-mal grösseres Treibhausgaspotenzial als Kohlendioxid. Gemäss Gifford bringen hier kleine, flexible, sogenannte interferometrische Satelliten, die von Regierungen und Non-Profit-Organisationen betrieben werden, eine grosse Wirkung bei der Überwachung solcher Emissionen.
Das UNO-Methanemissionsobservatorium und die Organisation Climate Trace analysieren heute bereits den bisher nicht entdeckten Methanausstoss in Echtzeit. Die Kosten für die Beförderung von Satelliten in die Umlaufbahn sinken dank wiederverwendbaren Raketen und dem Würfelsatellitenformat weiterhin rapide. Dadurch kann eine grosse Anzahl dieser Methanüberwachungssatelliten in Betrieb genommen werden.
Virtuelle Kraftwerke
Wasser-, Atom- und Gaskraftwerke produzieren Strom in riesigen Anlagen zentral und verteilen ihn über fein verästelte Stromnetze. Solar- und Windanlagen stellen den Strom dezentral her – und hier gibt es grosse Schwankungen bei der Produktion. Diese verteilten kleinen Erzeuger lassen sich laut Gifford mit geeigneten Steuerungssoftwarelösungen und Sensoren, welche die lokale Produktion präzise ermitteln, zu virtuellen Kraftwerken zusammenschliessen. Solche virtuellen Kraftwerke sind bereits in der Praxis aktiv und verdienen Geld für die Kunden. Diese Lösung kann sehr schnell skaliert werden – der Hauptaspekt, der die volle Geschwindigkeit der Einführung von virtuellen Kraftwerken verhindert, ist die Überwindung historischer Hindernisse der Netzgesellschaften wie Netzanbindung, Zugang und Abrechnung.
Weil bei Solar- und Windanlagen Strom mit grossen Schwankungen produziert wird, muss die überschüssige erzeugte Energie effizient gespeichert werden können, damit man nächtliche Flauten handhaben kann. Eisen-Luft-Batterien gibt es zwar bereits seit den 1970er Jahren, doch sie werden jetzt wiederentdeckt, weil es die hierfür erforderlichen Grundstoffe in Hülle und Fülle gibt und diese Stoffe ungiftig sind. Ein Durchbruch für alle Arten der Energiespeicherung war laut Gifford der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA, der die Produktion rasch ankurbelt. Selbst traditionell kohleabhängige Bundesstaaten springen jetzt auf den Zug mit neuen Technologien auf.
Umweltfreundliches Methanol
Es wird laut Gifford viel über Wasserstoff diskutiert, aber der vielversprechendste wasserstoffbasierte Kraftstoff ist umweltfreundliches Methanol. Methanol ist heute ein wichtiger Grundstoff in der Industrie und wird unter anderem für die Herstellung von Textilien und Plastik verwendet. Methanol lässt sich aber auch als Treibstoff verwenden, weil bei der Verbrennung weniger Treibhausgase entstehen als bei Benzin oder Diesel. Transport und Handhabung sind einfacher als beispielsweise bei Wasserstoff. «Wir sind der Meinung, dass die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass einige der Hindernisse im Zusammenhang mit grünem Methanol als Kraftstoff überwunden werden können», sagt Gifford.
Gemäss der IEA wurden im Jahr 2020 10 Prozent des Stroms weltweit mit Nuklearkraft in 439 grossen Anlagen produziert. Kleine, neue und inhärent sicher betreibbare Reaktortypen werden seit etlichen Jahren diskutiert. Eine standardisierte Bauweise und eine selbstständige Kühlung, die unter allen Umständen funktioniert, könnten den Durchbruch bringen. «Auch wenn wir nicht mit einer breiten Einführung vor 2030 rechnen, so sehen wir doch gute Fortschritte bei mehreren modularen Reaktorprojekten, die um 2030 herum fertiggestellt sein werden, auch wenn es sich derzeit noch um kleinere Projekte handelt», sagt Experte Gifford.