Die Klimabewegung im Kanton Glarus hat in den letzten zwei Jahren für Furore gesorgt und setzt Ihre Regierung mit Initiativen und Eingaben unter Druck. Sind Sie ein Getriebener?

Überhaupt nicht, ich schätze die Zusammenarbeit mit dem Verein Klimaglarus.ch sehr, das ist ein respektvoller und fruchtbarer Austausch. Wir haben ja alle das gleiche Ziel, nämlich das Beste für den Kanton Glarus zu erreichen.

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Und das war von Anfang an so?

Am Anfang war das Feuer, sage ich immer. Es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick bei unseren anfänglichen Treffen. Da sassen mir sieben bis acht Personen gegenüber – und die Ausgangslage war klar: Ich bin für sie der alte weisse Mann, der sich nicht fürs Klima interessiert, und sie sind als junge Generation die Leidtragenden.

Wie hat sich das Verhältnis entwickelt?

Ich habe versucht, ihnen aufzuzeigen, was es bei uns im Kanton für Möglichkeiten gibt, etwas konkret zu erreichen. Und dabei steht die Landsgemeinde im Mittelpunkt, die einmalig ist im Vergleich zu anderen Kantonen.

Das wurde dann mit Erfolg genutzt.

Ja, die Personen, die heute im Verein Klimaglarus.ch organisiert sind, haben sehr schnell verstanden, wie man bei der Landsgemeinde vorgehen muss, um erfolgreich zu sein. Beispielsweise mit einem durchdachten Antrag und mehreren guten Rednerinnen und Rednern.

Mit dem erfolgreichen Antrag im September letzten Jahres wurde ein Verbot von Gas- und Ölheizung bei Neubauten und Ersatz durchgesetzt. Was folgt daraus für Ihre Politik?

Wir sind gerade dabei, die Verordnung genau auszuformulieren und Ausnahmen möglichst zu beschränken. Auch prüfen wir, inwieweit wir die bestehende Gasinfrastruktur nutzen können, beispielsweise durch die Einspeisung von Biogas.

Wie ging es in der Klimapolitik weiter?

Wer A sagt, muss auch B sagen. Das Verbot von fossilen Heizungen allein reicht ja nicht. Sie können eine CO2-neutrale Heizung haben, aber wenn Dach, Fenster und Wände schlecht gedämmt sind, ist das nicht sehr effizient. Darum sind wir noch einen Schritt weitergegangen.

Inwiefern?

Wir haben in der Landsgemeinde im Mai auf Antrag des Landrats die Mittel des Energiefonds auf 24 Millionen Franken für die nächsten zwölf Jahre aufgestockt. 2 Prozent der Steuereinnahmen des Kantons gehen in diesen Fonds, um beispielsweise die Dämmung von Häusern und viele andere Umweltprojekte zu fördern. In der gleichen Versammlung wurde ja auch der Klimaschutz in die Verfassung aufgenommen und eine Biodiversitätsstrategie bewilligt.

Nicht alle Parteien haben die Erhöhung des Klimafonds mitgetragen.

Sehen wir es doch mal so: Wir geben jedes Jahr 80 Millionen Franken im Kanton Glarus aus für fossile Brennstoffe wie Öl und Gas. Dieses Geld fliesst überwiegend in weit entfernte Länder. Es bringt viel mehr, wenn diese Mittel in effiziente Gebäudehüllen, neue Heizsysteme oder in ein Pelletwerk investiert werden und so auch unserem Gewerbe zugutekommen. Ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis auch bei anderen Parteien durchsetzt.

Trotz den vielen Initiativen: Was können Sie noch besser machen?

Das Thema Solarenergie steht ganz oben auf der Prioritätenliste. Zwar produzieren wir dreimal so viel Strom, wie wir selbst benötigen: 91 Prozent stammen aus Wasserkraft, 8 Prozent aus der Kehrichtverbrennungsanlage und gerade mal 1 Prozent aus der Photovoltaik. Hier haben wir noch viel Potenzial und auch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.

Wie sehen die konkreten Pläne aus?

Wir sollten erst einmal die Infrastruktur nutzen, die wir schon haben. Auf Dächern, an Staumauern, eventuell auch auf Stauseen. Privat läuft sowieso sehr viel. Es gibt auch Ideen, mit Solarstrom ein neues Pelletwerk zu betreiben, zumal wir hier viel Holz haben, das dann für den Winter die Pellets liefert. Wir haben in Niederurnen ein tolles Unternehmen, Eternit, das perfekt integrierte Photovoltaik-Dachsysteme anbietet. Mit dem Neubau ihrer Industriehalle in Niederurnen – mit Photovoltaik auf Dach und an der Fassade – entsteht die zweitgrösste Solaranlage im Kanton Glarus.

Welche Konzepte gibt es bei der Mobilität?

Es gibt ja täglich Staus in Glarus. Als Baudirektor kümmere ich mich auch um das Strassennetz. Gerade heute Morgen (15. August, Anm. d. Red.) war Spatenstich für eine neue Kantonsstrasse. 2010 an der Landsgemeinde beschlossen, 650 Meter für 18 Millionen Franken. Das sind enorme Kosten und zeigt, dass wir neu die Mobilität als Ganzes diskutieren und ausbauen müssen, nicht einfach nur zusätzliche Infrastruktur. Eine Umfahrungsstrasse für die Stadt Glarus würde Stand heute rund 360 Millionen Franken kosten.

Was wäre die Alternative?

Der Kanton Glarus wäre eigentlich die perfekte Region für ein Pilotprojekt des Bundes: Testen wir doch mal zwei Jahre Gratis-ÖV. Dann sehen wir, wie viele Menschen wir vom Auto in den Bus oder die Bahn bekommen. Im Vergleich zu den Investitionen ins Strassennetz wäre das nur ein Bruchteil der Kosten.

Der Regierungsrat des Kantons Glarus, aufgenommen am Dienstag, 5. Juni 2018 im Rathaus von Glarus. Kaspar Becker Regierungsrat Departement Bau und Umwelt Glarnertuch rot

Name: Kaspar Becker
Funktion: Landesstatthalter, Vorsteher Departement Bau und Umwelt, Kanton Glarus
Alter: 53
Familie: verheiratet, zwei Kinder Karriere: seit 2005 Leiter Private Banking bei der Glarner Kantonal- bank, Mitglied der Direktion. Seit 2013 Landrat, seit 2018 Regierungs- rat für die Partei Die Mitte

Quelle: Samuel Truempy Kanton Glarus