Das Düngemittel-, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsgeschäft ist ein wenig bekanntes Multimilliarden-Geschäft: Was auf Feldern, Äckern und weiteren Anbauflächen ausgebracht wird, ist chemisches Hightech mit zahlreichen aufeinander abgestimmten Komponenten.

Das geht auch mit natürlichen Mitteln, wie das Unternehmen Andermatt Biocontrol Suisse mit Sitz im luzernischen Grossdietwil zeigt: Hier entwickelt und vermarket man seit 35 Jahren biologische Düngemittel-, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel für die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln. In der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung werden von den rund hundert Mitarbeitenden biologische Lösungen entwickelt, geprüft, optimiert, produziert und vermarktet. Mit über 170 Produkten verfügt man laut eigenen Angaben über das weltweit grösste Sortiment im Bereich biologischer Pflanzenschutz.

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Für Andermatt Biocontrol ist das Marktpotenzial beträchtlich. «Der Anteil an chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ist über alles gesehen immer noch dominierend», sagt Martin Günter, CEO des Unternehmens. Die ganze Gruppe der Herbizide ist praktisch ausschliesslich chemisch. Fungizide sind mehrheitlich chemisch. «Bei der Schädlingsbekämpfung ist der Marktanteil biologischer Verfahren sehr hoch», so Günter. «Vor allem in Spezialkulturen wie Gewächshaus, Obst oder Weinbau wird Pflanzenschutz zu sehr hohem Anteil mit natürlichen Verfahren gemacht.»

Wachstumsraten bis 15 Prozent

Grundsätzlich stagniert in der Schweiz der Gesamtmarkt. «Der biologische Pflanzenschutz wächst jedoch jährlich in der weltweiten Tendenz mit Raten zwischen 10 und 15 Prozent», so Günter. Für etliche Kulturen könne man heute komplett und gegen alle Hauptkrankheiten und -schädlinge auf biologische Verfahren zurückgreifen. «Die Bioproduzenten und auch etliche konventionelle Produzenten beweisen das jährlich. Es wäre mit den vorhandenen Möglichkeiten noch viel mehr möglich, aber es dringt noch nicht bis zu allen Produzenten durch», so Günter. Vor allem in Spezialkulturen mit höherer Wertschöpfung und höherer Sensibilität auf Rückstände sei der Biopflanzenschutz gut etabliert. «Es braucht jeweils einen Treiber», erklärt Günter. «Der Treiber können Rückstände, Resistenzen oder wegfallende chemische Wirkstoffe sein.»

Im Ackerbau setzen sich die biologischen Verfahren weniger rasch durch. «Typischer Kunde ist entsprechend der Landwirt, welcher diesen oben genannten Treibern ausgesetzt ist», beschreibt Günter das kommerzielle Umfeld. «Also nicht nur der Biobauer, welcher aus Überzeugung biologisch produziert, sondern auch der konventionelle Bauer, welcher selber zunehmend sensibilisiert auf das Thema ist. Wir machen beispielsweise bereits rund 75 Prozent des Umsatzes im konventionellen Markt.» Das zeige, wie stark alternative Methoden sich durchgesetzt haben.

Andermatt Biocontrol Suisse entwickelt die natürlichen Produkte seit 35 Jahren.

 

Funktionierende Ökosysteme haben typischerweise ein Gleichgewicht, bei dem beispielsweise Schädlinge auf natürliche Art und Weise leben, aber nicht Überhand bekommen. «Wir sehen das teilweise, wenn man nützlingsschonende Massnahmen einführt», sagt Günter. «Da können sich die natürlichen Antagonisten entwickeln und verschiedene Nebenschädlinge oder -krankheiten treten weniger häufig auf. Wenn man dann aus irgendeinem Grund wieder auf eine weniger schonende Massnahme zurückgreifen muss, hat man zwar vordergründig das Hauptproblem kurzfristig gelöst, aber durch die Zerstörung der Nützlingsfauna hat man Probleme mit den Nebenschädlingen.» So entstehe ein Teufelskreis, wie man das in den vergangenen Jahren in Italien gesehen hat, wo die Marmorierte Baumwanze, eine invasive Art, mit unselektiven Insektiziden bekämpft worden war.

Für Günter ist die weitere Entwicklung klar: «Es geht in Richtung biologische Lösungen oder neue Technologien, die für die Umwelt, die Anwender sowie die Gesundheit der Konsumierenden möglichst risikoarm sind.» Es würden mittlerweile mindestens gleich viele biologische Wirkstoffe zugelassen wie chemische. «Es gibt Lücken, die noch nicht gelöst sind», sagt Günter weiter. «Aber hierfür muss man neue Wege finden in der Forschung und Beratung.» Es gebe darüber hinaus verschiedene Kräfte im Markt und im Umfeld, die sich gegen die Entwicklung – oft erfolgreich – wehren, um den Status quo zu erhalten. «Die aktuelle Weltlage gibt diesen Komponenten gerade wieder etwas Auftrieb», so Günter. Das Gleiche gelte für den Klimawandel – auch der werde Auswirkungen haben und sich in Form von neuen Pflanzenkrankheiten und neuen Schädlingen bemerkbar machen. Auch hier bestehe die Gefahr, dass man mit chemischen «Notbremsen», die nicht verträglich sind, die natürlichen biologischen Nützlinge aus dem Lot bringt. «Aber die Tendenz zeigt klar Richtung biologischer Pflanzenschutz. Es ist nur eine Frage der Geschwindigkeit und der Zeit.»