Sie haben kürzlich die renommierte Auszeichnung «Living Legends of Aviation», den Oscar der Flugzeugbranche, erhalten. Wie fühlt man sich als lebende Legende?

Dieser Award ist in der Luftfahrtbranche, insbesondere in den USA, von grosser Bedeutung. In Europa ist er zwar weniger bekannt, aber er spiegelt die Innovationskraft von Unternehmen im Flugzeugbau wider. Für mich persönlich ist entscheidend, dass der Award das Team von Pilatus repräsentiert und nicht mich als Einzelperson. Meine erste Handlung war daher, das gesamte Team und die Geschäftsleitung auf die Bühne zu bitten, um den Preis gemeinsam zu feiern.

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Spiegelt sich diese Anerkennung auch in Ihren Geschäftszahlen?

Generell lässt sich sagen, dass die Nachfrage in unserer Branche das Angebot bei weitem übertrifft. Das ist kein spezifisches Phänomen bei Pilatus. Wir sehen jedoch nach wie vor grosse Herausforderungen in der Lieferkette, die auch fünf Jahre nach dem Beginn der Covid-Pandemie anhalten. In dieser Hinsicht macht die aktuelle Lage es schwierig, verlässliche Prognosen für das Jahr 2024 zu erstellen.

 

Wie voll sind die Auftragsbücher?

Unser Book-to-bill-Wert liegt weiterhin über eins. Das heisst, das Auftragsvolumen ist grösser als der aktuelle Umsatz, was auf starke Bestellzahlen hinweist. Umsatz- und Gewinnerwartungen sind allerdings schwer abschätzbar, da die Lieferkettenschwierigkeiten noch viele Unsicherheiten mit sich bringen.

 

Wird das Ergebnis in 2024 eher besser oder schlechter als in 2023?

Etwa auf Vorjahresniveau. Wenn wir das liefern könnten, was der Markt von uns möchte, wären wir deutlich darüber.

Markus Bucher, CEO Pilatus

Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Ballwil LU kam der gelernte Landmaschinenmechaniker bereits im Jahr 1986 zu Pilatus. Er verfügt zudem über einen Bachelor in Industrial Engineering sowie in Business-Administration. Die meiste Zeit seiner Tätigkeit bei Pilatus verbrachte Markus Bucher in der Business-Unit Government Aviation, wo er verschiedene Aufgaben im Projekt- und Produktmanagement sowie im Vertrieb übernahm. Während zehn Jahren war er Leiter des Customer-Supports der Business-Unit, bevor er zum Vice President Aircraft Assembly & MRO und im Jahr 2013 schliesslich zum CEO der Pilatus-Gruppe ernannt wurde.

 

Woran hakt es genau bei den Lieferkettenproblemen?

Es betrifft in erster Linie US-basierte Zulieferer. Die Luftfahrtindustrie ist stark auf die USA konzentriert, und unsere Lieferanten sind grösstenteils amerikanische Unternehmen. Viele dieser Unternehmen hatten während der Covid-Pandemie Personal abgebaut und standen danach vor der Herausforderung, qualifizierte Fachkräfte zurückzuholen. Da die Produktion sehr wissensintensiv ist, war dies kein leichtes Unterfangen. Dazu kommt, dass der Ukraine-Krieg die Lage noch verschärft hat, weil wichtige Materialien wie Titan, das überwiegend aus Russland kam, knapp sind. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette, die bis heute spürbar sind. Doch wir hoffen, dass wir ab 2025 eine gewisse Stabilität erreichen können.

 

Was bedeuten die Lieferkettenprobleme in der Praxis?

Die Probleme führen zu Verwerfungen in unserer Produktion und Montage. Die Leute können nicht nach den üblichen Prozessen arbeiten. Das führt zu einer sehr, sehr hohen Belastung für die Belegschaft. Das ist für uns ein absolutes Topthema, denn bei Pilatus gab es das vorher nicht, dass wir Liefertermine, die wir versprochen haben, teilweise nicht einhalten können.

 

Welche Massnahmen unternehmen Sie, um diese Lieferkettenprobleme in den Griff zu bekommen?

Wir versuchen so weit wie möglich, unsere Fertigungstiefe zu erhöhen. Beispielsweise haben wir beschlossen, einige Komponenten und Teilprozesse stärker zu internalisieren. In Spanien haben wir kürzlich einen neuen Standort in der Nähe von Sevilla eröffnet, an dem wir zukünftig Strukturbaukomponenten fertigen werden. Dies reduziert die Abhängigkeit von externen Lieferanten und sichert langfristig die Qualität und Innovationskraft unserer Produkte. Auch in den USA bauen wir unsere Aktivitäten weiter aus. Wir haben eine USA-Strategie verabschiedet und wollen eine grössere lokale Wertschöpfung erzielen, um unsere Kunden vor Ort noch besser bedienen zu können.

 

Welches Risiko ergibt sich für Sie durch einen Präsidenten Trump?

Ich nehme an, dass die Risiken überschaubar sind, aber ein gewisses Restrisiko schwingt natürlich mit, weil die Politik von Präsident Trump heute noch nicht abschätzbar ist.

 

Pilatus Flugzeugwerke AG

Die 1939 gegründete Schweizer Pilatus Flugzeugwerke AG entwickelt und baut weltweit Flugzeuge: von der PC-12, dem meistverkauften einmotorigen Turbopropflugzeug seiner Klasse, bis hin zum PC-7 MKX und PC-21 sowie zu den dazugehörigen Simulatoren, den marktführenden Trainingssystemen für die Pilotenausbildung. Der neue PC-24 ist der weltweit erste Businessjet, der auf kurzen Naturpisten operieren kann. Das Pilatus-Team besteht aus über 3000 Mitarbeitenden, die das Unternehmen mit Hauptsitz in Stans zu einem der grössten Arbeitgeber der Zentralschweiz machen. Selbstständige Tochtergesellschaften in den USA und in Australien gehören ebenfalls zur Pilatus-Gruppe.

Weltweit steigen die Rüstungsausgaben; hat das auch Auswirkungen auf Ihr militärisches Geschäft?

Durch die steigenden globalen Rüstungsausgaben verzeichnen wir tatsächlich eine stärkere Nachfrage, besonders im Bereich der militärischen Pilotenausbildung. Auf unseren Flugzeugen werden weltweit jedes Jahr rund tausend Piloten ausgebildet, viele der Piloten steigen später auf Transport- oder Kampfflugzeuge wie etwa die F-18 oder die F-35 oder auf Militärhubschrauber um. Der Aufschwung in diesem Bereich ist besonders in Europa spürbar, aber die Beschaffungsprozesse sind sehr komplex und langwierig. Wir erwarten die vollen positiven Auswirkungen dieser Entwicklung erst in einigen Jahren.

 

Gibt es sonstige Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs?

Unser Geschäft in Russland war nicht sehr umfangreich, dort setzt man im Businessbereich auf grössere Jets. Aber wir spüren die geopolitischen Verwerfungen insofern, dass wir akribisch sicherstellen müssen, dass auch unsere Partnerfirmen die Exportrestriktionen einhalten. Hier ist unser Aufwand doch beträchtlich gestiegen.

 

Wie entwickeln sich die verschiedenen Geschäftsbereiche im Vergleich – die private Luftfahrt und der militärische Bereich?

Wir haben bei Pilatus eine solide Balance zwischen beiden Segmenten. Im Durchschnitt stammen etwa 70 Prozent unseres Umsatzes aus der Business-Aviation und 30 Prozent aus dem militärischen Bereich, insbesondere dem After-Sales-Service. Das militärische Geschäft, insbesondere die Pilotenausbildung und die Instandhaltung der Flugzeuge, wächst momentan überproportional. Doch langfristig rechnen wir damit, dass beide Bereiche stabil und parallel zueinander wachsen werden.

 

Wie wichtig ist der After-Sales-Bereich, also die Dienstleistungen nach dem Verkauf von Flugzeugen?

Gerade im After-Sales-Geschäft sehen wir eine wachsende Bedeutung, da die Lebensdauer unserer Flugzeuge lang ist und wir hier einen verlässlichen Markt haben.

 

Wo sehen Sie geografisch die grössten Wachstumschancen für Pilatus?

Unser wichtigster Markt bleibt jener der USA, der aktuell etwa 40 Prozent unseres Geschäfts ausmacht, vor allem im Bereich der Business-Aviation. In den letzten Jahren hat sich Europa, besonders im militärischen Segment, stark entwickelt. Die Pilotenausbildung für die europäischen Luftwaffen ist ein bedeutendes Wachstumsfeld. Auch Asien gewinnt für uns zunehmend an Bedeutung. Allerdings gibt es hier politische und infrastrukturelle Herausforderungen, die das Marktwachstum etwas verlangsamen.

 

Setzen Sie dabei ausschliesslich auf bestehende Geschäftsbereiche, oder planen Sie, sich in neuen Segmenten zu engagieren?

Unser Fokus liegt klar auf den Bereichen, in denen wir bereits stark vertreten sind, die Business-Aviation und die militärische Pilotenausbildung.

 

Neben den Lieferketten: Welche anderen Themen stehen bei Ihnen im Fokus?

Die Digitalisierung ist für uns ein zentrales Thema. Die kürzliche Einführung von SAP S/4HANA ist das Herzstück unserer Digitalisierungsstrategie. Mit diesem integrierten ERP-System wollen wir unsere gesamten Geschäftsprozesse effizienter und zukunftsfähig gestalten. Es betrifft das gesamte Unternehmen, vom Verkauf über die Planung und den Einkauf bis hin zur Produktion. Der Wechsel war ein grosser Schritt, der viel Aufwand und Ressourcen erforderte. Wir sind überzeugt, dass uns dies langfristig in die Lage versetzen wird, schneller auf Marktanforderungen zu reagieren und unseren Kundenservice zu verbessern. Und es ist sehr wichtig für uns, unsere Infrastruktur zu erneuern.

 

Was meinen Sie damit?

Wir sind in den letzten Jahren enorm gewachsen, im Schnitt um rund 10 Prozent pro Jahr. Unsere Infrastruktur kann nicht mehr mithalten mit dem Zuwachs an Mitarbeitenden, es gibt zu wenig Büroräumlichkeiten, zu wenig Parkplätze et cetera. Das führt in der Belegschaft teilweise zu Frustrationen.

 

Ist es schwierig, Fachkräfte nach Nidwalden zu bekommen?

Nein, im Prinzip nicht. Natürlich gibt es immer Engpässe in einigen hoch spezialisierten Berufen, aber das ist normal. Generell ist die Situation recht komfortabel für uns. Dieses Jahr werden wir insgesamt mehr als 25’000 Bewerbungen zählen können. Aber es gibt auch hier ein Infrastrukturproblem.

 

Welches?

Die Verkehrsanbindung unseres Hauptsitzes ist problematisch, die A2 von Luzern ist praktisch täglich verstopft. Und es gibt einfach zu wenig Wohnraum in Nidwalden.

 

Müssten Sie vielleicht selbst in Immobilienprojekte investieren?

Das machen wir in der Tat über unsere Pensionskasse. Dort sind zahlreiche Immobilienprojekte in der Umsetzung. Nicht ausschliesslich für Mitarbeitende, aber diese Projekte sollen helfen, den Immobilienmarkt zu entspannen.

 

Viele Industrieunternehmen klagen über die hohen Strompreise und erhoffen sich Unterstützung von der Politik. Sie auch?

Bei uns haben die Energiekosten sicherlich nicht die Bedeutung, die sie beispielsweise in der Metallindustrie haben. Aber natürlich waren auch wir nicht erfreut, als die Kilowattstunde letztes Jahr plötzlich 60 Rappen kostete und nicht 5 oder 6 wie vorher. Aber nach der Politik zu rufen, wenn es schlecht läuft, ist nicht unser Stil. Und wir wissen, dass diese Appelle an die Politik nicht immer helfen.

 

Also sind Sie wunschlos glücklich mit Bern?

Das wichtigste Thema für die Politik wäre aus unserer Sicht der Abschluss der Rahmenverträge mit der Europäischen Union. 30 Prozent unseres Umsatzes machen wir in Europa. Wir sind stark daran interessiert, mit der EU wieder auf stabilen Beinen zu stehen. Das Thema sollte eine sehr hohe Priorität in Bern haben.

 

Die Privat- und Businessfliegerei wird von Umweltschützerinnen und -schützern immer wieder kritisiert. Wie reagieren Sie darauf?

Nachhaltigkeit ist für uns seit mehr als zwanzig Jahren ein zentrales Anliegen. Wir sind seit 2001 nach den höchsten Umweltstandards zertifiziert und haben seitdem grosse Anstrengungen unternommen, um unsere Emissionen zu reduzieren. Unser langfristiges Ziel ist, bis 2050 CO₂-neutral zu fliegen.

 

Mit batteriebetrieben Flugzeugen?

Nein, die wären zu schwer. Wir setzen auf nachhaltige Treibstoffe, und dazu engagieren wir uns in verschiedenen Projekten, darunter die Entwicklung synthetischer Treibstoffe gemeinsam mit Synhelion. Unsere Flugzeuge werden ausserdem kontinuierlich verbessert, um den Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Marketingschlagwort für uns, sondern eine echte Verpflichtung, die wir gegenüber der Umwelt und unseren Mitarbeitenden leben wollen.

 

Sie sind seit mehr als zehn Jahren CEO von Pilatus. Gibt es im Rückblick Entscheidungen, die Sie heute anders treffen würden?

Natürlich ist man im Rückblick immer klüger. Doch ich bin im Grossen und Ganzen zufrieden mit unseren Entscheidungen und insbesondere mit unserer Reaktionsfähigkeit in Bezug auf die stetigen Veränderungen. Die Geschwindigkeit, mit der wir uns an neue Gegebenheiten anpassen können, war in den letzten Jahren einer der Erfolgsfaktoren von Pilatus. Unsere Devise lautet: «Es gibt die schnellen Unternehmen und die toten». Und wir haben uns erfolgreich in die Gruppe der schnellen Unternehmen eingeordnet.