Immer mehr Kleinanleger und Institutionelle legten in den letzten Jahren Titel in ihr Portfolio, die nachhaltigen ESG-Kriterien entsprechen. Geld verdienen und dabei erst noch ein gutes Gewissen haben. ESG steht für Environment, Social, Governance.

Nicht nur die Renditen müssen stimmen, die Unternehmen müssen auch soziale und ökologische Kriterien sowie die Standards für gute Firmenführung erfüllen.

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Nur wer in diesen Bereichen punktet, wird von Banken und Beratern zum Kauf empfohlen. Im vergangenen Jahr wurden weltweit fast 6000 neue nachhaltige Fonds aufgelegt. Rüstungskonzerne waren aussen vor, Anlagen in Panzer und Raketen verpönt. Das könnte nun mit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine ändern.

Die Schwedische SEB-Bank hat ihre gerade eingeführten Nachhaltigkeits-Regeln im März bereits angepasst, um in ihren Fonds auch Investitionen in Rüstungsfirmen zu erlauben.

«Schweizer Firmen haben allein im vergangenen Jahr Kriegsmaterial für 740 Millionen Franken in 67 Länder exportiert.»

Die Branche selber wittert Morgenluft. Der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie appelliert an die EU, die Rüstungsindustrie als positiven Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit im Rahmen ihres Regelwerks ESG-Taxonomie anzuerkennen.

Banken müssen sich bei der Kreditvergabe in der EU an ESG-Standards orientieren. Rüstungsfirmen werden deshalb nicht müde zu behaupten, dass es für sie schwierig oder sehr teuer sei, an Kredite zu kommen. Die optimistische Haltung der Rüstungsvertreter wird vor allem durch einen kürzlichen Entscheid der EU-Kommission genährt, die Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen.

Hoffnung für die Rüstungsindustrie

Auch in der Schweiz hofft die Branche. Schweizer Firmen haben allein im vergangenen Jahr Kriegsmaterial für 740 Millionen Franken in 67 Länder exportiert. Dort bei der Frage, wie sozial, umweltverträglich und nachhaltig ein Panzer ist, tun sich die EU-Kommissare schwerer als bei der Atomkraft.

Bei der Entwicklung der Klimataxonomie für nachhaltiges Wirtschaften habe die Kommission Sektoren wie Energie, Verkehr oder Bauwesen einen Vorrang eingeräumt, die das grösste Potenzial für eine erhebliche Verringerung der Kohlenstoffemissionen hätten.

«Die Investitionen in den Rüstungsbereich sind notwendig, aber eben nicht nachhaltig.»

Henrik Pontzen, Union Investment

Das teilte ein Kommissionssprecher auf Anfrage der Handelszeitung mit. «Aus diesem Grund wurden die verteidigungsbezogenen Aktivitäten nicht priorisiert.» Diese seien deshalb auch nicht in der Klimataxonomie-Verordnung enthalten. Und es gebe derzeit auch keine Pläne für eine besondere Behandlung dieser Tätigkeiten.

Das sieht auch Henrik Pontzen so. Er ist bei der in der DACH-Region seit 30 Jahren mit nachhaltigen Anlagen (125 Milliarden Euro Anlagevermögen von total 400 Milliarden) tätigen Union Investment für das ESG-Geschäft verantwortlich. Für ihn ist klar, dass Freiheit nicht einfach so da ist, sie müsse verteidigt werden.

Ohne Verteidigungsfähigkeit gäbe es keine Freiheit. Doch für ihn ist auch klar: «Die Investitionen in den Rüstungsbereich sind notwendig, aber eben nicht nachhaltig.» Nachhaltig sei regulatorisch definiert als etwas, das nicht mit wesentlichen negativen Beeinträchtigungen einhergehe. Das sei bei Waffen nicht der Fall. Pontzen spricht sich auch dagegen aus, zwischen Waffengattungen zu differenzieren.

Zweckgemeinschaften als Lösung

Bei der genaueren Analyse der verschiedenen Waffen sei schnell ersichtlich, dass jegwelche Waffen sowohl für defensive wie auch für offensive Aufgaben eingesetzt werden könnten. Wenige Ausnahmen würden dies bestätigen. «Und wenn eine Firma einen rein defensiv einsetzbaren Überwachungsradar für militärische Zwecke herstellt, produziert die gleiche Firma mit Sicherheit auch offensive Waffen.»

So gibt es Rüstungskonzerne, die zwar Radare für Militärjets produzieren –´und damit werben, dass sie auch Sensor- und Radartechnik zum Schutz von Vögeln bei Windkraftanlagen und zum Schutz vor Eisbären im hohen Norden herstellen. Ein möglicher Weg aus diesem Dilemma: Rüstungsfirmen könnten, gemäss Pontzen, am Kapitalmarkt Zweckgemeinschaften gründen, die ausschliesslich defensive Waffen produzieren.

«Man muss sich nur die Kursverläufe der Rüstungsunternehmen seit Beginn des Krieges anschauen – ganz offensichtlich fliesst ihnen genügend Kapital zu.»

Henrik Pontzen, Union Investment

Das wäre dann auch für nachhaltig ausgerichtete Anleger eine Investment-Chance. Doch auch, wenn nachhaltige Fonds nicht in die Rüstungsindustrie investieren, leisten sie gemäss Pontzen trotzdem einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit. Das Geld dafür nehme der Staat über Anleihen auf. «Und wer kauft nun die Staatsanleihen von demokratischen Staaten», fragt er? Und gibt gleich die Antwort: «Das machen wir als nachhaltiger Investor.»

Diesen mittelbaren Weg sieht Pontzen als durchaus angemessen. «Wir haben doch nicht das Problem, dass wir nicht hinreichend verteidigungsfähig sind, weil unsere Rüstungsfirmen nicht ausreichend kapitalisiert und deshalb auf nachhaltige Anlagen angewiesen sind», hält er fest. Der konventionelle Teil des Kapitalmarktes sei noch immer viel grösser. Und dieser könne in Rüstungskonzerne investieren.

«Man muss sich nur die Kursverläufe der Rüstungsunternehmen seit Beginn des Krieges anschauen – ganz offensichtlich fliesst ihnen genügend Kapital zu.»