Wann ist eine Wurst eine Wurst? Die Antwort ist vordergründig einfach: Wenn sie tierische Produkte enthält. Doch was ist, wenn Begriffe wie Wurst, Steak oder Filet für pflanzliche Produkte benutzt werden? Dann wird es kompliziert.

Das zeigt sich exemplarisch an einem Entscheid des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 4. Oktober. Dieser besagt, dass eine französische Verordnung zur Verwendung von Begriffen wie «Steak» oder «Filet» für pflanzliche Produkte gegen EU-Recht verstösst. Und zwar, weil eine rechtliche Grundlage fehlt. Mit der Verordnung sollten ein Kennzeichnungsverbot von «Veggie-Steaks» durchgesetzt und Lebensmittelunternehmen in Frankreich wegen der Verwendung von «fleischigen» Begriffen gerichtlich verfolgt werden. Das hat nun vorerst nicht geklappt. «Veggie-Steaks» können damit weiterhin in den Supermarktregalen verkauft werden.

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Die französische Verordnung wurde zunächst auf nationaler Ebene von vegetarischen und veganen Aktivistinnen und Aktivisten sowie von Beyond Meat, einem Hersteller von pflanzlichen Lebensmitteln, angefochten – und landete schliesslich beim EuGH.

 

Nomen est omen?

Ein Lied vom Umgang mit Regulator und Gerichten kann man auch bei der Planted Foods AG mit Sitz im Kemptthal singen. Das Schweizer Startup stellt pflanzenbasiertes Fleisch her. Im Dezember 2022 hatte das Zürcher Verwaltungsgericht entschieden, dass das Unternehmen Produkte mit Namen wie «Planted.Chicken» bezeichnen darf und Konsumentinnen und Konsumenten damit nicht getäuscht werden.

Doch die Freude hielt nicht lange an. Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) respektive das Eidgenössische Department des Inneren (EDI) fochten die Entscheidung des Verwaltungsgerichts an und beschlossen, den Fall dem Bundesgericht vorzulegen, um durch dessen Entscheid Rechtssicherheit zu schaffen. Für das BLV soll also ein Präzedenzfall geschaffen werden, der die Namen von pflanzlichen Lebensmitteln in der Schweiz ein für alle Mal regelt.

 

Keine Täuschung

Bei Planted ist man über dieses Vorgehen enttäuscht. «Das steht nicht im Einklang mit der strategischen Agenda der Schweiz zur Senkung der Treibhausgasemissionen und zur Förderung von Innovation und Unternehmertum», nervt sich Kommunikationschefin Vicky Kummer, «stattdessen wird von Fleischlobbyisten und anderen Interessengruppen Einfluss genommen, um den Status quo zu bewahren.» Der Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts folge einer klaren Begründung und stehe im Einklang mit früheren Urteilen in ähnlichen Angelegenheiten sowie mit dem aktuellen Entscheid des Europäischen Gerichtshofes. Kummer: «Wir begrüssen daher den Entscheid des EuGH und hoffen, dass dies vom Bundesgericht ebenfalls so gesehen wird.» Der Fall ist in Lausanne immer noch hängig.

Es leuchtet zwar ein, dass Verpackungen von pflanzlichen Alternativen zu tierischen Produkten die Konsumentinnen und Konsumenten nicht täuschen dürfen. Doch ab wann Täuschung vorliegt, ist nicht genau definiert. Bezeichnungen wie «veganes Rinderfilet» oder «vegetarischer Thunfisch» sind von Gesetzes wegen nicht erlaubt, Produktbezeichnungen wie «Schlagcreme auf Sojabasis» sind jedoch zulässig. Zudem sind Begriffe wie «Filet», «Geschnetzeltes» oder «Wurst» grundsätzlich erlaubt, da diese eine Sachbezeichnung darstellen, also die Form umschreiben und nicht den Inhalt benennen.

Es tut sich in dieser Beziehung aber auch in anderen Ländern etwas. Die deutsche Lebensmittelbuchkommission etwa hat kürzlich die Reform der «Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel» abgeschlossen. Das Regelwerk legt fest, unter welchen Voraussetzungen pflanzliche Alternativen Bezeichnungen wie «Steak» oder «Wurst» tragen dürfen. So viel zum Juristenfutter.

Auch bei zellbasierter Proteinherstellung gibt es zahlreiche Hürden zu überwinden. So verhängte Italien vor einem Jahr ein Verbot für die Produktion, den Verkauf und den Import von Laborfleisch, was für die Industrie um zellbasiertes Fleisch ein Rückschritt ist. Dabei wären Fleisch, das aus tierischen Zellen im Labor hergestellt wird, aber auch pflanzenbasiertes «Vleisch», Insekten, Pilze und Algen eigentlich innovative Proteinquellen, um der Sorge bezüglich negativer Umwelt- und Klimaauswirkungen und der Tierhaltung, aber auch den Bedenken, wie eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden kann, entgegenzutreten. Allen Risiken, die damit verbunden sind, zum Trotz.

 

Kosteneffiziente Massenproduktion

Neben der Notwendigkeit, «Gefahren» zu minimieren sowie den Geschmack und die Textur von im Labor gezüchtetem Fleisch zu verbessern, ist die Industrie auch daran, den Übergang von kleinen Prozessen zu einer kosteneffizienten Massenproduktion zu schaffen, damit derartige Produkte mehr Menschen zu einem vernünftigen Preis zur Verfügung stehen können.

Vorab gilt es aber noch, die Skepsis grosser Teile der Bevölkerung zu überwinden. So hat ein vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) vor Jahresfrist veröffentlichte repräsentative Umfrage zur Akzeptanz von kultiviertem Fleisch gezeigt, dass die Mehrheit der Befragten «Laborfleisch» nicht probieren würde. Nur Insekten und Kaffee aus Pilzen steht die Schweizer Bevölkerung noch misstrauischer gegenüber. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Schweizerinnen und Schweizer deutlich skeptischer gegenüber kultiviertem Fleisch (siehe Grafik).

Doch nicht nur eine mangelnde Akzeptanz bei den Konsumentinnen und Konsumenten könnte die Marktdurchdringung von «Vleisch» verzögern. So hat auch der eingangs erwähnte EuGH-Entscheid eine Hintertür offengelassen: Sollte eine rechtliche Grundlage vorhanden sein, dürften Produktverbote in der EU auf nationalen Ebenen eingeführt werden.

Proteinquellen der Zukunft

Alternative Proteine: Oberbegriff für Produkte, die den Geschmack, die Textur und die Kocheigenschaften von Produkten aus der Tierhaltung – wie Fleisch, Fisch, Eier und Milch – aufweisen, aber nicht durch das Halten und Schlachten von Tieren hergestellt werden.

Pflanzliche Proteine: Aus Pflanzen erzeugter Fleischersatz schmeckt, sieht aus und fühlt sich an wie Fleisch auf Tierbasis, aber er besteht ausschliesslich aus Zutaten, die von Pflanzen wie Gemüse, Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen und Samen bezogen werden. Dazu gehören Eiweiss, Fett, Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Vitamine, Mineralien und Wasser.

Zelluläres Fleisch: Fleisch oder Meerestiere werden hier direkt aus Zellen gezüchtet. Durch die Zellkultivierung können die Zucht und die Schlachtung von Tieren vermieden werden. Hierzu werden den Tieren durch eine weitestgehend schmerzlose Biopsie Stammzellen entnommen.

Insekten: Grillen, Grashüpfer und Heuschrecken können bezogen auf das Trockengewicht bis zu 61 Prozent Protein enthalten, was sie zu geeigneten Kandidaten für die Anreicherung von Nahrungs- und Futtermitteln macht. Einer der grössten Vorteile von Insekten ist, dass sie sich schnell vermehren und weniger Futter benötigen als andere Tiere. Sie können auch mit organischen Seitenströmen (etwa Lebensmittelabfällen) gefüttert werden, was die Umweltverschmutzung und die Produktionskosten senkt. Der Verzehr von Insekten ist jedoch nicht ganz risikofrei, da einige das Potenzial haben, allergische Reaktionen auszulösen, die denen durch Schalentiere ähneln.

Algen: Die Algenfamilie umfasst Makroalgen (Seetang) und Mikroalgen, die beide als wichtige Quellen alternativer Proteine für ein nachhaltiges Ernährungssystem und die globale Ernährungssicherheit aufgezeigt wurden. Insbesondere Mikroalgen gewinnen als wettbewerbsfähige proteinreiche Inhaltsstoffe für Nahrungs- und Futtermittel an Zugkraft.

Mykoprotein: Auch bekannt als Myzel-basiertes Protein oder Pilzprotein, ist es eine Form von Einzelzellprotein, das aus Pilzen für den menschlichen Verzehr gewonnen wird.

Quelle: Europäisches Informationszentrum für Lebensmittel (Eufic)