In der Schweiz werden jedes Jahr rund 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das sind 330 Kilogramm pro Person. Geht es um Food Waste, steht die Schweiz zwar nicht alleine da, aber im Vergleich mit anderen europäischen Ländern darf man sich nicht rühmen. Schaut man über die hiesigen Grenzen hinaus, finden in Europa rund 20 Prozent aller produzierten Lebensmittel niemals den Weg auf einen Teller. So fallen jährlich in der EU über 59 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle mit einem Marktwert von 132 Milliarden Euro an. Das macht rund 132 Kilo pro Einwohnerin und Einwohner, und damit liegt die Schweiz weit über dem Durchschnitt. 

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Parallel führt die Abhängigkeit von Grossverteilern zu einer zunehmenden industriellen Landwirtschaft in unserem Land, mit der Folge, dass das Ökosystem leidet und Überproduktion herrscht. Das muss sich ändern. Und genau hier setzt das Zürcher Projekt «Rampe 5» an. Das engagierte Team dahinter will das Ernährungssystem in der Schweiz verändern. «Die Lebensmittelkooperative Rampe 5 entstand aus einer für uns logischen Konsequenz», sagt Co-Gründerin Annika Lutzke. «Angefangen haben wir als junge engagierte Menschen, die sich über den Klimastreik und die Allianz ‹Landwirtschaft mit Zukunft› kannten. Wir organisierten Sammelbestellungen, um tonnenweise Lebensmittel vor der Biogasanlage zu retten. Oft wurde das Gemüse eigentlich für den Verkauf über den Grossverteiler angebaut, doch durch fehlende Abnahmeverträge und absurde und variable Schönheitsnormen blieben die Bauern auf ihrer Ernte sitzen. Für uns war klar: Mit diesen Rettungsaktionen können wir zwar Menschen sensibilisieren und einzelne Produzentinnen unterstützen, das System der Grossverteiler stellen wir damit jedoch nicht infrage.»

 

Das Bewusstsein wecken

Grundsätzlich ist die Rampe 5 jedoch nicht nur auf Lebensmittel fokussiert, sondern auch ein Treffpunkt für Menschen, die bewusster einkaufen wollen. Ziel ist, Produzenten einen Absatzkanal anzubieten, damit sie die eigenen Produkte nicht über Grossverteiler veräussern müssen. Oder wie es die Leute hinter dem Projekt mit ihren eigenen Worten ausdrücken: «Die Rampe 5 versucht sich darin, ausserhalb kapitalistischer Zwänge nach Profit und Wachstum zu funktionieren und stattdessen eine nachhaltige und solidarische Alternative für die Landwirtschaft und ihre Konsumentinnen und Konsumenten zu bilden.» Und das ist sicher nicht einfach und ein langjähriger wie auch schwieriger Prozess. Es aber nicht zu versuchen, ist in den Augen der Gründerinnen und Gründer keine Option. Annika Lutzke: «Es braucht eine sozial gerechte und ökologische Alternative zu den Grossverteilern. Mit einem von Mitgliedern getragenen Quartierladen möchten wir sinnvoll produzierte und gesunde Lebensmittel direkt von den Produzenten an die Menschen im Quartier bringen.»

Die Lebensmittelkooperative Rampe 5, organisiert als eigene Genossenschaft mit dem Namen Grassrooted, ist eine Herzensangelegenheit der Gründer. Ihr Ziel ist, die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln nachhaltiger zu gestalten. Oder um sie auch hier zu zitieren: «Wir halten die Zukunft der Menschheit in den Händen. Auch wenn Veränderung oft viel Schmerz mit sich bringt, überwiegen meist die Freude, die Hoffnung und die neue Kraft, welche sie uns schenkt. Veränderung ist nötig, nicht nur weil unsere Lebensweise bereits jetzt grossen Schaden anrichtet, sondern vielmehr weil es um nichts Geringeres als das Leben unserer Kinder und Enkelinnen und Enkel geht.» Und das braucht es dringend.

In der Schweiz gaben die Menschen vor fünfzig Jahren noch rund einen Drittel ihres Einkommens für Lebensmittel aus, heute sind es nur noch 5 bis 10 Prozent des Einkommens. Während die Lebensmittel billiger werden, arbeiten die Menschen auf den Schweizer Feldern für 13.50 Franken in der Stunde, was einem Lohn wie vor fünfzig Jahren entspricht. «Ernährung muss wieder in das Bewusstsein der Allgemeinheit gelangen und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt werden. Denn egal, ob Konsumentinnen oder Produzenten – wir sind alle Teil des Ernährungssystems und können dieses gestalten», findet Lutzke. 

 

Heimisch in Zürich

Der Zero-Waste-Quartierladen Rampe 5 befindet sich im Zürcher Westen, in der Gartenhofstrasse 27. Wer mitmachen und hier einkaufen möchte, der wird Genossenschaftsmitglied und kann damit günstiger einkaufen. Aber auf der anderen Seite ist auch jeder andere Interessierte willkommen. Die Beiträge der Genossen und Genossinnen werden nach Einkommen gestaffelt und liegen bei 20 bis 80 Franken. Dafür können vor Ort Lebensmittel mit einem Preisrabatt von 25 Prozent erworben werden. Eingekauft wird nach Bedarf, und jede Kundin bringt ihre eigene Verpackung mit. 

Wichtiger Bestandteil des Konzepts sind sogenannte Sammelbestellungen, durch die sich kurzfristig die Lücken von plötzlich weggebrochenen Absatzmärkten bei Produzenten füllen lassen. Das können Ernteüberschüsse sein oder aber – wie angesprochen – auch die Absage eines Grosskonzerns, wenn ihm die Produkte zu klein, zu gross, zu krumm sind oder aus welchen Gründen auch immer doch nicht ins Angebot passen. So eine Absage kann gerade für kleinere Lieferanten verheerende finanzielle Einbussen bedeuten.

«In der Lebensmittelkooperative Rampe 5 führen wir ein überschaubares Sortiment an Grundnahrungsmitteln und Haushaltsartikeln. Wir versuchen, alle Produkte möglichst direkt von den Produzenten zu beziehen und Wissen über die Anbauweisen zu vermitteln. Das Sortiment kann von den Mitgliedern der Kooperative mitgestaltet und erweitert werden», sagt Annika Lutzke. «Mit unserem Sortiment möchten wir den Menschen ermöglichen, alle Lebensmittel und Haushaltsartikel, die sie im Alltag benötigen, bei uns zu beziehen. Durch unsere Sortimentsgestaltung nehmen wir den Kunden die Last, sich bei jedem Produkt zu fragen, ob es wirklich sozial und nachhaltig produziert wurde.»

 

Zukunft ist wichtig

Geht es um die Zukunft, gibt es klare Ziele. Lutzke: «Die Rampe 5 ist Teil des POT-Netzwerks, welches den Aufbau von neuen und die Vernetzung von bestehenden Lebensmittelkooperativen in der Stadt Zürich fördert. Als Pilotprojekt einer Lebensmittelkooperative möchten wir unser Wissen weitergeben und andere darin bestärken, eigene Kooperativen im Quartier zu gründen. Gleichzeitig sind wir selbst noch im Aufbau und möchten gerne noch mehr Mitglieder gewinnen, um auch langfristig bestehen zu können.»