Die Schweiz ist für vieles bekannt: den Käse, die Neutralität, die Banken, die malerischen Dörfer, die Uhren, die kristallklaren Seen. Allem voran aber für die unnachahmliche Kunst der Schokoladenherstellung. Für viele ist Schweizer Schokolade das Nonplusultra der Süssigkeiten, ein Symbol für höchste Qualität und unvergleichlichen Geschmack. Kein Wunder, gehört die Schweiz weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Schokoladenkonsum: Beeindruckende elf Kilo Schokolade vernascht jede Schweizerin und jeder Schweizer laut Chocosuisse, dem Verband Schweizerischer Schokoladefabrikanten, im Schnitt jedes Jahr.
Hinter diesem süssen Vergnügen steckt eine beeindruckende Industrie, die auf einer wichtigen Ressource basiert: den Kakaobohnen. 2023 importierte die Schweiz rund 57’000 Tonnen, die in den Schokoladenfabriken des Landes zu über 200’000 Tonnen Schokolade weiterverarbeitet wurden. Die meisten Kakaobohnen, die in die Schweiz gelangen, stammen aus afrikanischen Ländern wie der Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und Kamerun, aber auch aus südamerikanischen Ländern wie Ecuador, Brasilien und Peru.
Auswirkungen steigender Kakaopreise
Die Schokoladenindustrie sieht sich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Ein wesentlicher Faktor sind die Rohstoffpreise. Besonders der Preis für Kakaobohnen unterliegt ständigen Schwankungen. Extreme Wetterbedingungen, Krankheiten und Schädlinge in den Hauptanbaugebieten in Westafrika beeinflussen die Ernteerträge und führen zu einer Verknappung des Angebots, was die Preise in die Höhe treibt. Nach der Dürre in Westafrika erreichte der Marktpreis für Kakao Anfang des Jahres einen Rekordwert.
In Ghana und der Elfenbeinküste, woher zwei Drittel des weltweit gehandelten Kakaos stammen, werden die Preise nicht vom Markt, sondern von den Regierungen festgelegt. Kürzlich haben beide Länder die Kakaopreise massiv erhöht – Ghana um 45 Prozent, die Elfenbeinküste um 20 Prozent. Diese Preise liegen nun sogar über dem von Fairtrade berechneten Living Income Reference Price. Eine gute Entwicklung für die Kakaobauern? «Grundsätzlich schon», erklärt Fabian Waldmeier, Geschäftsführer von Fairtrade Max Havelaar. «Die Bauern und Bäuerinnen profitieren insofern von den steigenden Kakaopreisen, als dass sie mehr Geld für ihren Kakao bekommen, was wir sehr begrüssen.» Allerdings sei zu bedenken, dass der Preisanstieg zu einem grossen Teil auf Ernteausfälle zurückzuführen sei. «Entscheidend für die Einkommenssituation der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ist die verkaufte Menge. Durch die erwähnten kleinen Ernten ist diese gesunken, was die Einkommen trotz hoher Preise niedrig halten kann.»
Stabile Preise sichern Existenzen
Die derzeit hohen Kakaopreise sind also erfreulich, lösen jedoch die zugrunde liegenden Probleme wie Preisschwankungen, geringe Produktivität und unsichere Einkommen nicht vollständig. Gerade die Volatilität des Marktes bleibt ein grosses Risiko. «Die Bäuerinnen brauchen mehr als nur höhere Preise, um langfristig ein faires, stabiles und nachhaltiges Einkommen erwirtschaften zu können», erklärt Waldmeier. Die finanziellen Massnahmen des fairen Handels – darunter der Fairtrade-Mindestpreis und die Fairtrade-Prämie – spielen hier eine entscheidende Rolle. «Der Mindestpreis dient als Sicherheitsnetz, wenn die Weltmarktpreise oder die staatlich festgelegten Preise sinken. Fairtrade-Bauern und -Bäuerinnen sind so vor der Volatilität der Märkte besser geschützt. Die Fairtrade-Prämie wird immer zusätzlich an die Kooperativen ausbezahlt, unabhängig vom Warenpreis.»
Neben angemessenen Preisen braucht es laut Fabian Waldmeier auch eine Steigerung der Produktivität, eine Diversifizierung der Einkommen und ganz allgemein eine Professionalisierung der Betriebe. «Deshalb unterstützt Fairtrade die zertifizierten Kleinbauernkooperativen mit einem umfassenden Programm, dem Westafrika-Kakaoprogramm. Es berät die Kooperativen bei der Einhaltung der Fairtrade-Standards und arbeitet eng mit ihnen zusammen.» Zudem biete es regelmässige Schulungen an, um die soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit der Kooperativen und ihrer Mitglieder schrittweise zu verbessern.
Bewusstsein steigt
Schweizer Schokoladenmarken wie Chocolat Halba (der Schokoladenhersteller von Coop) oder Maestrani (bekannt für ihre Marken Munz und Minor) sowie kleinere spezialisierte Hersteller setzen zunehmend auf Fairtrade-Kakao, um sicherzustellen, dass ihre Produkte ethisch vertretbar und nachhaltig sind. Der Marktanteil von Fairtrade-Kakao liegt heute in der Schweiz bei 17 Prozent. «Das ist zu wenig», hält Waldmeier fest. «Wir brauchen mehr Partner, um die Wirkung in den Produktionsländern zu vervielfachen.» Sein Rat: Unternehmen sollten wenn immer möglich direkte, stabile und langfristige Handelsketten aufbauen, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kakaobauern zu verbessern. Denn der zartschmelzende Geschmack von Schokolade wird nur noch süsser, wenn die Kundinnen und Kunden wissen, dass ihr Rohstoff unter fairen und nachhaltigen Bedingungen angebaut wurde.