Ob schwindelerregende Höhen oder tiefste Tiefen; Favre Leuba hat in 287 Jahren Geschichte beides erlebt. Das ist nicht nur im übertragenen Sinne in Bezug auf Erfolge und Krisen zu verstehen, sondern durchaus wörtlich zu nehmen. Denn mit Uhren, die entweder die Höhe oder die Tiefe messen konnten, erlebte die Uhrenmarke ihre besten Zeiten. Das war Mitte des 20. Jahrhunderts, als Favre Leuba schon auf eine bemerkenswerte Vergangenheit zurückblickte.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Alles begann mit Abraham Favre aus Le Locle, der 1737 erstmals als Uhrmacher erwähnt wurde, was Favre Leuba zur zweitältesten Schweizer Uhrenmarke macht. Der Familienname Leuba gesellte sich dem des Gründers hinzu, als einer seiner Nachfahren 1855 die Tochter des Uhrenhändlers Leuba heiratete und aus zwei Geschäften eines machte, das die Welt eroberte: Fritz Favre verkaufte seine Uhren im 19. Jahrhundert von Russland bis Amerika; ab 1865 auch in Indien, wo er als erster Schweizer Uhrenhersteller agierte. In Indien wurde Favre Leuba unter der sechsten Familiengeneration besonders erfolgreich. Auch als Favre Leuba nach dem Zweiten Weltkrieg mit innovativen Armbanduhren reüssierte, war Indien ein wichtiger Markt.

Doch auf die Erfolge der 1950er- und 1960er-Jahre folgte durch die Quarzkrise eine schwere Zeit, sodass die achte Generation der Inhaberfamilie das Unternehmen aufgab. Die Marke wechselte mehrfach den Besitzer. Ab 2011 war der grosse indische Konzern Tata Inhaber der Firma und versuchte vergeblich einen Relaunch.

Doch nun könnte das Comeback mit einem neuen Team gelingen: Heute gehört die Marke Favre Leuba der Gesellschaft Silvercity Brands mit Sitz in Grenchen, hinter der mehrere Investoren stehen. Sie startet völlig neu – mit einem Team unter der Leitung von Patrik Hoffmann, der als CEO fungiert und vormals Geschäftsführer von Ulysse Nardin war.

BILANZ Watches Newsletter abonnieren
Erhalten Sie jeden Freitagnachmittag unseren BILANZ Watches Newsletter und erfahren Sie alles über aussergewöhnliche Zeitmesser, die Macherinnen und Macher hinter den Marken, Branchengeflüster und Trends.
BILANZ Watches Newsletter abonnieren

Unter seiner Leitung entstand eine Kollektion, die auf die Erfolge der Vergangenheit zurückgreift und sich dennoch ganz von heute gibt. Bei der Premiere im Sommer in Genf kam diese Mischung an: «Die Resonanz war besser als erwartet», hiess es danach aus dem Unternehmen. Vor allem das Preis- Leistungs-Verhältnis sei positiv aufgefallen.

Es ist unübersehbar, dass unter dem Uhrenprofi Hoffmann nicht nur ein Design gelungen ist, das Vintage und Moderne vorteilhaft verbindet, sondern er auch bei Ausstattung und Innenleben weiss, was gut ist. Bei der Fertigung arbeitet Favre Leuba mit dem anerkannten Hersteller Roventa-Henex aus Biel zusammen, die Uhrwerke aller 22 neu vorgestellten Modelle stammen von La Joux-Perret, einem renommierten Kaliberhersteller aus La Chaux-de-Fonds. Lieferanten zu gewinnen, war laut Hoffmann unkompliziert: Durch das aktuelle Tief der Schweizer Uhrenindustrie gab es weder Absagen noch lange Lieferzeiten.

So zeigt sich nun eine stimmige Kollektion, in der grosse Namen aus der Vergangenheit zu finden sind – wenn auch nicht die bekanntesten. Kenner hatten vielleicht mit einem Comeback der Bivouac oder der Bathy gerechnet, jenen legendären Uhren, die hoch oben und tief unten in ihrem Element waren: Die Bivouac von 1962 war mit einer Unterdruckdose ausgestattet, was in Verbindung mit einem Zeigerwerk die Anzeige des Luftdrucks möglich machte und mit einem Höhenmesser kombiniert war. Die Bathy wiederum, erstmals 1968 präsentiert, zeigte nach einem ähnlichen System durch Messen des Wasserdrucks die Tauchtiefe an, was sie bei Wassersportlern überaus beliebt machte.

Auch mit der hauseigenen Mechanik reüssierte Favre Leuba im 20. Jahrhundert: 1925 mit einem Ein-Drücker-Chronografen, ab den 1940er- Jahren mit eigenen Handaufzugswerken, später mit extraflacher Automatik mit zwei Federhäusern für eine längere Gangautonomie und einem präzisen Schnellschwinger-Uhrwerk.

Diese Geschichte setzt Favre Leuba nun mit vier neuen Kollektionen fort: Die Taucheruhr Deep Blue kommt in zwei Versionen – als «Revival» mit schwarzem, ausdrucksvollem Zifferblatt nah am historischen Vorbild und als «Renaissance» in der Farbe Blau, neu interpretiert mit moderner Typografie und zeitgemässen Details.

Der Chronograf Sea Sky mit schwarzem Blatt und silberfarbenen Totalisatoren nimmt unübersehbare Anleihen aus den 1970er-Jahren und verbindet eine drehbare Taucherlünette mit einer Tachymeterskala rund um das Zifferblatt.

Ganz neu konzipiert wurde die Serie Chief mit dem Chronografen Chief und dem Modell Chief Date. Beide Linien haben ein kissenförmiges Gehäuse und sind in verschiedenen Zifferblattfarben – klassisch sind Schwarz und Blau, trendig sind Grün und Hellblau – erhältlich. Angeboten werden die Uhren für Preise zwischen 2200 und 4400 Schweizer Franken. «Angemessen kalkuliert», kommentierte die Uhrenpresse.

Überhaupt war das Feedback auf den Neustart überaus wohlwollend, wie Kim Siegel im Interview berichtet. Die ausgebildete Uhrmacherin mit Fachgebiet Rhabillage und studierte Industriedesignerin war für die Feinabstimmung der Neuheiten zuständig und verantwortet nun die Optik der Kollektion, die bald weiter wachsen soll.

Was hat Sie von Favre Leuba überzeugt, warum haben Sie sich für die Marke entschieden?

Kim Siegel: Das waren die lange uhrmacherische Geschichte und der uhrmacherische Hintergrund. Ich kannte die Uhren noch aus der Lehre und war auch technisch davon fasziniert. Es war überraschend, wieder von Favre Leuba zu hören, und ich fand es toll, dass die Marke die Chance erhält, neu aufzuleben. Ich bin erst hinzugekommen, als die Uhrendesigns von Antoine Tschumi und Laurent Auberson bereits vorlagen und erste Muster kamen. Meine Aufgabe war der Feinschliff. Mittlerweile arbeiten wir an Projekten, die in die Zukunft weisen – an den Uhren, die in ein bis zwei Jahren kommen werden.

Was ist die grösste Herausforderung, wenn man für eine Marke mit einer so grossartigen Geschichte arbeitet?

Natürlich besteht ein Druck, eine historische Uhr auszuwählen und sie in die Gegenwart zu holen, ohne die Designsprache von damals zu verlieren. Zugleich macht es auch am meisten Freude, die Balance zwischen alt und neu zu finden, damit bewährte Design-Codes zum Zeitgeist passen. Zum Beispiel werden Details grafisch schöner dargestellt, damit ein Design aufgeräumter wirkt.

Welche historischen Uhren eignen sich denn für ein Comeback?

Man versucht, jene auszuwählen, die schon in der Vergangenheit aufgefallen sind. Modelle, denen man anmerkt, dass sie Highlights waren. Eine bemerkenswerte Geschichte haben zum Beispiel die Modelle Bivouac und Bathy. Manchmal entdeckt man auch etwas Aussergewöhnliches im Archiv, und oft geht es einfach nur um ein Gefühl.

Sie sprechen von einem Archiv. Wie viel von der Vergangenheit von Favre Leuba ist heute noch vorhanden?

Wir konnten einiges an Unterlagen vom Vorbesitzer übernehmen. Zudem gibt es eine Sammlung historischer Uhren, die in letzter Zeit zusammengetragen wurde. Das war gar nicht so leicht, denn gerade unter Sammlern ist Favre Leuba keineswegs unbekannt. Wenn man sich mit der Historie der Schweizer Uhrenindustrie auseinandersetzt, taucht der Name immer wieder auf.

Die Uhrmacherin und Designerin Kim Siegel gibt bei Favre Leuba gestalterisch die Richtung vor.

Die Uhrmacherin und Designerin Kim Siegel gibt bei Favre Leuba gestalterisch die Richtung vor.

Quelle: Lucas Vuitel

Finden Sie in diesem Archiv und in Ihrer Sammlung die Inspirationen für die Kollektion?

Ja. Das sieht man an dem historischen Bezug einiger unserer Modelle – etwa bei der Sea Sky und der Deep Blue ist das deutlich. Die Linie Chief ist das Beispiel für eine neue Kollektion, bei der man von Grund auf neu gearbeitet hat. Sie verkörpert einen moderneren Stil, aber man erkennt den Einfluss der 1970er-Jahre. Mit der Deep Blue Revival haben wir sogar eine alte Uhr wieder aufleben lassen – mit neuen Materialien, die hochwertiger verarbeitet sind. Die Deep Blue Renaissance erhält neues Leben durch neue Techniken.

Uhren mit historischen Bezügen sind derzeit sehr beliebt. Kommt Favre Leuba dieser Vintage-Trend zugute?

Natürlich profitieren wir davon und zeigen mit unseren Uhren im Vintage-Stil einen Teil unserer Historie. Das ist unsere DNA. Zugleich ist es wichtig, eine neue DNA zu schaffen. Mit der Chief schlagen wir ein neues Kapitel auf, dennoch bleibt unsere Geschichte immens wichtig.

Die Uhrenindustrie erlebt eine schwierige Zeit. Vergrössert das die Herausforderung für den Neuauftritt von Favre Leuba?

Wir beobachten die Marktsituation mit grossem Respekt und sind uns bewusst, dass die Uhrenbranche gerade durch eine Herausforderung geht. Es gab immer wieder schwierige Zeiten für die Industrie. Wir glauben aber, dass es der richtige Moment war, denn wir treffen mit unserer Marke und den Modellen den Zeitgeist. Mit unserem Preis-Leistungs- Verhältnis sprechen wir jeden an.

Wie unterscheidet sich Favre Leuba von anderen Schweizer Uhrenmarken?

Es ist vor allem der historische Background: Die Geschichte der Marke, die früher die Uhrenindustrie mitgeprägt hat. Das unterscheidet uns enorm von anderen Marken. Auch unsere Kollektion ist anders: Wir treffen damit den Zeitgeist von heute – über Design, Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wie ist das Feedback auf die Premiere der neuen Kollektion, die ja erst im August vorgestellt wurde?

Wir sind mehr als positiv überrascht worden. Die Reaktionen waren begeistert, und das Feedback hat unsere Erwartungen übertroffen. Das motiviert uns, denn wir wissen, dass wir uns nicht ausruhen können. Uns gehen die Ideen nicht aus! In der Zukunft wird unser historisches Modell Bivouac ein wichtiger Meilenstein für uns werden. Das wird schon bald sein. Wir haben auch bemerkt, wie gross das Interesse am geschichtlichen Hintergrund ist. Das bleibt wichtig für uns.