Was trennt uns von früheren Generationen, von unseren Urururgrosseltern? Es ist die Zeit: Unsere Vorfahren, die meist noch ein bäuerliches Leben führten, folgten dem Takt der Natur, während das moderne Leben von der Uhr bestimmt wird. Damals war man in seiner Heimat und seiner Zeit zu Hause – heute reist man selbstverständlich in andere Länder und auf andere Kontinente. Dass man dort von anderen Zeiten empfangen wird, nimmt man lässig als gegeben hin.
Früher war alles anders. Damals – bei unseren Urururgrosseltern und noch weiter zurück – bestimmte der Lauf der Sonne das Leben: Die Mitte des Tages, also Mittag, war dann erreicht, wenn sie am Scheitelpunkt stand und ein in die Erde gesteckter Stock keinen Schatten warf.
Schon vor dem Mittelalter teilte man den Tag rund um diesen Sonnenhöchststand in 24 Stunden ein. Allerdings begann die Zählung meist mit dem Sonnenaufgang, was man die babylonischen oder griechischen Stunden nannte.
Im Italien des 18. Jahrhunderts startete die Stundenzählung hingegen mit dem Sonnenuntergang, was den damals reisenden Johann Wolfgang von Goethe zunächst irritierte. Er notierte: «Wenn man dies zum ersten Mal hört und überdenkt, so scheint es höchst verworren und schwer durchzuführen; man wird es aber gar bald gewohnt und findet diese Beschäftigung unterhaltend, wie sich auch das Volk an dem ewigen Hinund Widerrechnen ergötzt.» Ganz eigene Wege ging man in Frankreich: Dort führte man nach der Revolution die Dezimalzeit ein – mit zehn Stunden pro Tag, die jeweils in hundert Dezimalminuten und diese wiederum in Dezimalsekunden einzuteilen waren.
Man hätte zufrieden sein können mit seiner jeweils eigenen Zeit, doch als die Welt näher zusammenrückte, wurden die unterschiedlichen Zählweisen zum Problem. Zudem unterscheidet sich ja der Sonnenhöchststand von Ort zu Ort, was ebenfalls zu verschiedenen Zeiten führte.
Zu Lebzeiten Goethes fiel dies kaum auf, da das Tempo von Reisen und Kommunikation ein gemächliches war. Doch dies änderte sich, als Eisenbahnverkehr und Telegrafie im 19. Jahrhundert die Beschaulichkeit hinwegfegten. Plötzlich machten die unterschiedlichen Zeiten der Orte Probleme – gerade bei grossen Distanzen wie in den USA führte dies zum Chaos beim Zugfahren. Denn an welchen Zeiten sollten sich die Fahrpläne orientieren?
Im 19. Jahrhundert wollte man dafür die ganz grosse Lösung entwerfen und begann, eine einheitliche Weltzeitordnung zu schaffen. Dazu legte man einen senkrecht zum Äquator stehenden Nullmeridian fest – von Nordzu Südpol als Halbkreis verlaufend. Von diesem aus wurde die geografische Länge nach Osten und Westen bestimmt. Die verschiedenen Zeitzonen entstanden, indem man die 360 Grad der Erde durch die Anzahl der 24 Tagesstunden teilte. Das Ergebnis: Innerhalb einer Zone von 15 Längengraden – jeweils den Ländergrenzen angepasst – sollte die gleiche Zeit gelten. Die der nächsten Zone wurde jeweils um eine Stunde verschoben.
Zum Nullmeridian kürte die Internationale Meridiankonferenz von 1884 den kleinen Londoner Vorort Greenwich, der damit der Anhaltspunkt für die Definition der Zeitzonen und der «Zeitnormalen» wurde. Und die Greenwich Mean Time, also die mittlere Sonnenzeit am königlichen Observatorium von Greenwich, avancierte zur Universalzeit der Erde.
Das ist genau 140 Jahre her und bescherte der Welt nicht nur eine neue, einheitliche Zeitrechnung, sondern auch den Begriff GMT. Mittlerweile wurde er durch die Bezeichnungen «koordinierte Weltzeit» beziehungsweise UTC für «coordinated universal time» abgelöst.
Nur bei Uhren hat sich der Begriff GMT gehalten, mit dem man die beliebte Darstellung einer weiteren Zeitzone bezeichnet. Das kann durch einen zusätzlichen Zeiger oder auf einem Hilfszifferblatt erfolgen und erweist sich sowohl für Kosmopoliten als auch für Daheimgebliebene als überaus nützlich.
Begeben wir uns zunächst auf Reisen: Wer in einer anderen Zeitzone ankommt, für den ist es am komfortabelsten, die «normalen» Zeiger, also die Stundenund Minutenzeiger aus der Mitte, auf die Ortszeit zu stellen. Noch komfortabler ist das, wenn dies durch eine Schnellverstellung des Stundenzeigers erfolgen kann – über die Krone oder einen separaten Drücker. Der zusätzliche GMT-Zeiger bleibt an seinem Platz und bewahrt die mitgebrachte Zeit. So kann man während einer Reise zwei Zeiten unkompliziert im Blick behalten: jene, die am Aufenthaltsort gilt, durch die gewohnte Stundenund Minutenanzeige und die Heimatzeit durch einen zusätzlichen GMT-Zeiger oder auf einem Hilfszifferblatt. Wird die Heimatzeit auf einer 24-StundenSkala angezeigt, hat man zugleich sehr unkompliziert die Tagund Nachtstunden im Blick – auch aus der Ferne.
Diese Funktionsweise wird häufig als «echte» GMT-Uhr bezeichnet. Ein Klassiker in diesem Genre ist die GMT-Master II, die von Rolex in diesem Jahr mit einer neuen Farbkombination – einer schwarzgrauen Lünette – vorgestellt wurde. Das Modell ist nicht nur eine echte GMT-Uhr, sondern auch ein Pionier: Rolex entwickelte die Idee mit der zweiten Zeitanzeige 1955 und stellte die GMT-Master als allererste GMT-Uhr vor, die speziell Piloten gewidmet war.
Zu Beginn war das Modell durchaus anspruchsvoll in der Handhabung: Um sie einer neuen Zeitzone anzupassen, musste die gesamte Uhr neu eingestellt werden. In den 1980er-Jahren besserte Rolex nach und machte bei der 1982 präsentierten GMT-Master II den zentralen Stundenzeiger separat verstellbar. Diesem Prinzip blieb man bis zur aktuellen GMT-Master II treu. Zu den echten GMT-Uhren zählen weitere Modelle, darunter die aktuellen Uhren Black Bay 58 GMT von Tudor, die Automatikuhr SBGJ277 von Grand Seiko sowie die Spirit Zulu Time von Longines.
Sie haben eine weitere Gemeinsamkeit: Der GMT-Zeiger, der meist durch eine andere Farbe markiert ist, hat ein langsameres Tempo als der gewöhnliche Stundenzeiger: Er vollendet eine Umdrehung um das Zifferblatt nicht in 12, sondern in 24 Stunden. Das hat den Vorteil, dass man sich aus der Ferne keine Gedanken über Tagoder Nachtstunden an dem Ort machen muss, dessen Zeit hier angegeben wird. Vielmehr ist dank der entsprechenden 24-Stunden-Skala auf einen Blick erkennbar, ob andernorts geschlafen oder gearbeitet wird.
Das eignet sich perfekt für Kosmopoliten, die von Zeitzone zu Zeitzone jetten und ihrer Heimat dennoch stets verbunden bleiben. Doch auch die Daheimgebliebenen profitieren von der Anzeige einer weiteren Zeitzone: Praktisch ist das, wenn man zum Beispiel aus beruflichen Gründen regelmässig internationale Kontakte pflegt.
Für den Blick aus der Ferne auf andere Zeiten eignet sich ein Prinzip, für das sich die Bezeichnung Office-GMT-Uhr anbietet. Bei diesen Uhren wird nicht der «normale» Stundenzeiger aus der Mitte durch einen Drücker oder über die Krone schnellverstellt, sondern der einzelne GMT-Zeiger. Die Zeitanzeige aus der Mitte mit dem «normalen» Zeiger bleibt dabei unverändert. Nun hat man beispielsweise im Büro dank des zusätzlichen GMT-Zeigers jederzeit die Zeit eines anderen Ortes im Blick.
Ob echte GMT oder nicht – es bleibt abstrakt, solange man nicht auf Reisen ist oder ständig mit anderen Erdteilen in Kontakt steht. Dabei lässt sich die Weltzeit richtig erleben: Der berühmte Hügel von Greenwich bei London und das dortige Royal Observatory ziehen viele Touristen an. Hier ist die magische Linie zu sehen, die die Erde von Nord nach Süd durchzieht. Bei Dunkelheit markiert ein Laserstrahl aus dem Observatorium die Position des Nullmeridians am Nachthimmel. Und es gibt jeden Tag ein besonderes Schauspiel zu beobachten: Der leuchtend rote Zeitball auf dem Turm des Royal Observatory steigt täglich kurz vor ein Uhr mittags in die Höhe und geht pünktlich zur vollen Stunde nieder. Und so schenkt Greenwich aller Welt immer wieder aufs Neue eine gemeinsame Zeit.
1 Kommentar
Na ja, ist ja gut und recht. Aber wer braucht das schon.
Jede Smart Watch für 150.- CHF. bietet heute X mal mehr Funktionen als diese Modelle. Schade dass unsere Uhrenindustrie in diesem Sektor nichts zu bieten hat.