Der eben publizierte «Survey of Global Collecting» der UBS und der Art Basel zeigt auf, dass der Import von Kunst und Antiquitäten in den wichtigsten Kunstmärkten der Welt dieses Jahr um 41 Prozent zugelegt hat. Da- bei erhöhten die Sammlerinnen und Sammler ihre Ausgaben frappant. Anfang November meldete das Londoner Auktionshaus Christie’s ein hervorragendes Ergebnis bei zwei Auktionen.
Bei der Auktion Rare Matches mit 239 Losen wurde ein Ergebnis von 55,5 Millionen Franken erzielt. Für eine Uhr von Patek Philippe wurden 3,17 Millionen Dollar bezahlt. Der Schätzpreis hatte bei 52 000 Dollar gelegen. Bei einer weiteren Versteigerung, bei der Uhren aus einer Privatsammlung stammten, setzte Christie’s 32 Millionen Franken um. 13 Uhren erzielten einen Verkaufspreis von über 1 Million Franken. Das Spitzenlos der Auktion war die Richard Mille RM56-01 aus Titan mit Saphir, die für 3,654 Millionen Franken versteigert wurde.
Die beiden Auktionen zeigen exemplarisch auf, dass die grossen Auktionshäuser nach der Corona-Pandemie ihre Umsätze weiter nach oben schrauben. Christie’s hat 2021 einen Umsatz von 7,1 Milliarden Dollar verzeichnet. Das zeigen Zahlen der Consultingfirma The Mercury Project aus Le Landeron NE. Sie hat die Auktionsergebnisse der führenden Auktionshäuser im Bereich Uhren genauer unter die Lupe genommen. Zu den führenden Häusern bei Uhrenauktionen zählen Antiquorum, Bonhams, Christie’s, Sotheby’s und Phillips.
Diese fünf Auktionshäuser haben in den ersten sechs Monaten rund 380 Millionen Franken bei Uhrenauktionen umgesetzt. Das ist ein Anstieg von fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wenn das Geschäft mit den Uhren so weiterläuft, kratzen die Auktionshäuser bis Ende des Jahres an der Milliarden- Umsatzmarke. Zumal die Preise so hoch sind wie nie zuvor.
Das Auktionshaus Phillips in London ist Marktführer bei Luxusuhren, mit einem Anteil von rund einem Drittel beim Gesamtmarkt der Uhrenauktionen, gefolgt von Christie’s so- wie Sotheby’s und Antiquorom.
«Wiederverkaufsrausch» bricht nicht ab
Vor allem bei den Millennials und der Generation Z scheint das Interesse an Luxusuhren ungebrochen zu sein, wie Deloitte in einer aktuellen Studie zum Schweizer Uhrenmarkt ermittelt (siehe auch Seite 10). Sie wollen damit Geld verdienen und mischen in ihren Portfolios neben Kunstwerken auch Luxushandtaschen, Oldtimer-Autos, Sneaker oder eben gebrauchte Luxusuhren. Dieser «Wiederverkaufsrausch», wie ihn Deloitte nennt, hat die Preise im Sekundärmarkt im vergangenen Jahr nach oben getrieben. Die Akzeptanz von Uhren als Investitionsgut ist vor allem in China verbreitet. Die Knappheit der edlen Zeitmesser treibt die Käufer in Auktionen, um sich angesichts der Warte- listen auf diesem Weg eine gebrauchte Luxusuhr zu ergattern.
Genf bleibt das Mekka der Uhrenwelt
Genf ist und bleibt der bedeutendste Uhrenstandort der Welt, er wurde aber umsatzmässig 2021 von Hongkong überholt. Genf ist nicht nur wegen seiner Nähe zur Schweizer Uhrenindustrie als Auktionsplatz bekannt, sondern auch wegen der tiefen Mehrwertsteuer. Inzwischen hat sich zudem eine Art Luxustourismus in der Region etabliert. «Die bekannten Schweizer Uhrenhersteller locken mit eigenen Museen, eigenen Sammlungen und einer ausführlichen Dokumentation der Uhrenproduktion», so Boll. Er beobachtet zudem, dass die Provenienz bei gebrauchten Uhren immer wichtiger wird. Wenn es einen berühmten Vorbesitzer gibt, wie etwa den Schauspieler Marlon Brando, treibt das die Preise nach oben. Seine Rolex GMT-Master aus dem Film «Apocalypse Now» wurde in einer Auktion von Phillips für 2 Millionen Franken versteigert.
Erstes Halbjahr 2022: Die Erlöse aus den Uhrenauktionen im ersten Semester zeigen mehr denn je den Hunger der Bietenden nach seltenen und hochwertigen Zeitmessern. Dies gilt vor allem für Uhren aus Privatsammlungen. Die grossen Auktionshäuser deckten dieses Verlangen, indem sie ein grosses Angebot an Vintage- und zeitgenössischen Uhren aus privaten Sammlungen versteigerten. Das spie- gelt sich in den Rekordzahlen für besonders hohe Auktions- preise wider.
«Millionäre»: 29 Uhren spielten über 1 Million Franken Auktionserlös ein, im ersten Halbjahr 2021 waren es bloss 18 Modelle. Mit einer Steigerung von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielten diese versteigerten Luxuszeitmesser einen Auktionsumsatz von 55,8 Millionen Franken und machten 15 Prozent des Gesamterlöses aus. Mit 877 auktionierten Uhren kam in den ersten sechs Monaten eine beeindruckende Zahl zusammen, die alle für einen Preis zwischen 100 000 und 1 Million Franken versteigert wurden. Dieses Segment macht übrigens mit 57 Prozent den grössten Anteil am Gesamtumsatz aller Auktionen aus. (hz)
Sammler geben bei einer Auktion im Durchschnitt über 50 000 Franken für eine Uhr aus. Das ist beinahe doppelt so viel wie in den Vorjahren. Dabei locken die Auktionshäuser die Sammler mit speziellen Auktionen im Uhrenbereich an: Phillips veranstaltete die Versteigerung The Royal Oak 50th mit 88 Mo- dellen der ikonischen Audemars-Piguet-Familie Royal Oak. Da- bei suchen die Auktionshäuser auch neue Kooperationen: Der grösste Uhrenhändler der Welt, die Luzerner Bucherer Gruppe, und das Auktionshaus Sotheby’s bauen ihre Partnerschaft aus und verkaufen gebrauchte Uhren nun gemeinsam online.
Patek Philippe der Liebling auf Auktionen
Dirk Boll ist Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts bei Christie’s und verfolgt das Geschäft mit Uhrenauktionen seit Jahren. «Jeder interessiert sich für Uhren und Schmuck», sagt Boll. Vor allem, seit die Menschen Uhren nicht mehr als Zeitmesser benötigen und diese definitiv zum Zierstück geworden sind. Der Trend startete in den 1980er Jahren in Italien, wo die Leute damit begannen, mechanische Armbanduhren zu kaufen.
Mit Patek Philippe und Rolex dominieren zwei Brands den Luxusuhrenmarkt. Trotz Konkurrenten wie Omega oder Longines sind Rolex und Patek die Favoriten von Uhrenfans. Ausschlaggebend sind die Bekanntheit, das Design, die Technologie und das Branding – und selbstverständlich der Schweizer Ursprung. Wie dominant die beiden Marken sind, zeigen Auswertungen von Christie’s in den vier dominierenden Uhrenauktionsplätzen Genf, Hongkong, New York und Dubai.
So versteigerte Christie’s im September 2019 eine Patek Philippe Grandmaster Chime für 31 Millionen Dollar in Genf, im Mai 2021 eine Patek für 5 Millionen Dollar in Hongkong oder auch eine in New York für über 2 Millionen Dollar. Auch Rolex-Uhren verkauften sich an Auktionen in Genf für über 1,5 Millionen Dollar – pro Uhr. Zudem wechselte eine Royal Oak Jumbo von Audemars Piguet im Juni 2021 bei Christie’s für 3,4 Millionen Dollar den Besitzer. Neben den beiden Spitzenmarken sind Richard Mille, Cartier und Breguet gefragt.
Befeuert werden die Preise von einer steigenden Anzahl von Reichen weltweit. Die Zusammensetzung der Käuferschaft von Christie’s zeigt: 35 Prozent sind Millennials, fast 40 Prozent stammen aus Asien. «Die Marktführerschaft wechselt zwischen den führenden Häusern ab, je nachdem, ob das Haus eine Sammlung erhält und diese verkaufen kann», sagt Boll. In den vergangenen Jahren hat sich Christie’s stärker auf verschiedene Märkte ausgerichtet, um den Geschmack der Region besser zu treffen.
Neben Genf, Hongkong und New York als wichtigste Standorte für Uhrenauktionen hat sich Dubai als Emerging Market etabliert. «Eine Uhr gehört zu den ersten Anschaffungen für Menschen, die zu Geld gekommen sind», meint Boll. Dabei würde sich auch die Art der Uhren je nach Markt unterscheiden. In Hongkong seien grössere, auffällige Uhren mit Verzierungen gefragt, in Europa zähle vor allem der technische Aspekt.