Wenn jemand Bescheid weiss, dann ist es François-Henry Bennahmias. Für 2022 prophezeit er für Audemars Piguet (AP) einen Jahresumsatz von rund 2 Milliarden Franken. Dass die traditionsreiche Familienmanufaktur nach Rolex, Cartier und Omega nun vor dem ewigen Mitbewerber Patek Philippe rangiert, hat sie dem seit 2012 amtierenden CEO zu verdanken. Der jedoch verlässt Ende 2023 auf eigenen Wunsch seinen Platz auf dem AP-Kommandodeck, um sich dann anderen Dingen zuzuwenden.

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Innerhalb von gerade einmal zehn Jahren hat Bennahmias für seinen Arbeitgeber sehr viel, wenn nicht gar alles erreicht. Mit Elan, Kreativität und jeder Menge Sachverstand könnte er die jährlichen Erlöse wahrscheinlich um weitere Millionen nach oben schrauben. Aber mit seinen 58 Jahren muss sich der gebürtige Franzose und frühere Golfprofi definitiv nichts mehr beweisen.

Wenn sich zwei necken ...

Ohne Jasmine Audemars, die achtzigjährige Verwaltungsratspräsidentin, wären Bennahmias Erfolge allerdings nicht möglich gewesen. Obwohl die Grande Dame aus dem Vallée de Joux der menschliche Gegenentwurf zum mitunter schrill wirkenden Markenchef ist, verstehen sich die beiden offenbar gut. In Telefonaten nennt Bennahmias die ehemalige Journalistin und Chefredaktorin scherzhaft Veruschka, während sie ihn mit Igor anspricht. Bennahmias: «Jasmine Audemars schätzt meinen verrückten Geist. Es herrscht ein gutes Gleichgewicht zwischen uns. Sind wir uns immer in allem einig? Nein. Hatten wir Meinungsverschiedenheiten über zu treffende Entscheidungen? Auf jeden Fall. Aber sie ist sehr fair, das gilt auch für den Rest des Verwaltungsrats. Es lief nicht immer alles reibungslos ab. Aber insgesamt geht es uns von Jahr zu Jahr besser und besser. Es funktioniert also.»

Ob das mit dem neuen VR-Präsidenten so bleiben wird, muss sich zeigen. Alessandro Bogliolo übernimmt in diesen Tagen – so wurde es angekündigt – die AP-Präsidentschaft von Jasmine Audemars. Nach dreissig Jahren in dieser Funktion zieht sich die Urenkelin des Firmengründer Jules-Louis Audemars komplett aus dem Aufsichtsgremium zurück. Sie und Olivier Audemars Piguet, Urenkel des Co-Firmengründers Paul-Edward Piguet und Neffe von Paulette Piguet, sollen nicht begeistert sein von der Wahl des Italieners zum Chairman, heisst es im Uhrental. Der 57-Jährige agierte von 2017 bis Januar 2021 bei Tiffany & Co. als CEO und VR-Delegierter. In dieser Zeit managte er den Verkauf des amerikanischen Nobeljuweliers an den französischen Luxuskonzern LVMH. Davor hatte er das italienische Modelabel Diesel geleitet sowie in den Diensten von LVMH bei Sephora und Bulgari gearbeitet. Einen Umzug in die Schweiz plant der in New York lebende Manager offenbar nicht. Folglich wird Bennahmias noch ein Jahr lang enger mit Olivier Audemars, dem VR-Vizepräsidenten, kooperieren.

Ist ein Verkauf wirklich vom Tisch?

Eine nicht zu unterschätzende Rolle hinsichtlich der Zukunft des Familienunternehmens spielen Sébastien und vor allem Oliviero Bottinelli. Von ihrem Vater Pierangelo haben die Brüder dessen Beteiligung an AP jeweils zur Hälfte übereignet bekommen. Der wiederum hatte ein nicht unbeträchtliches Aktienpaket vom 1987 verstorbenen und kinderlos gebliebenen Audemars-Piguet-CEO Georges Golay geerbt. An Oliviero Bottinelli soll die kinderlose Jasmine Audemars angeblich einen Teil ihrer Aktien veräussert haben. Ob sie sich nach ihrem Rückzug mit den verbliebenen Stimmrechten noch in die Entscheidungen für den Nachfolger von Bennahmias einmischen wird, ist unbekannt. Wenn man massgeblichen Personen im Hause AP Glauben schenkt, steht ein Verkauf des Familienunternehmens aktuell definitiv nicht zur Debatte. Auch an LVMH nicht.

Bleibt also die Suche nach einem neuen CEO. In diese Suche ist die Firma Russell Reynolds als Headhunterin eingebunden. Wie zu hören ist, sind zudem etliche Bewerbungen direkt in Le Brassus eingetroffen. Denn der Job ist verlockend – aber keineswegs leicht. Wenn François-Henry Bennahmias in gut einem Jahr abtritt, hinterlässt er riesige Fussstapfen. Daran wird sich sein Nachfolger messen lassen müssen. Gerüchten zufolge könnte es Louis Ferla sein. Als CEO hat der Franzose den Umsatz von Vacheron Constantin in Richtung 1 Milliarde Franken getrieben. 2023 soll dieser Wert erreicht oder gar überschritten sein.

Auch der Name Guido Terreni fällt in diesem Zusammenhang. Der ehemalige Bulgari-Uhrenmanager und aktuell erfolgreiche Chef von Parmigiani Fleurier gilt als guter Bekannten von Alessandro Bogliolo.

Der zu Beerbende sieht das Ganze sehr gelassen. Bennahmias verlässt AP wohlhabend in einer höchst komfortablen Situation. «Ich will nicht Teil des Mobiliars werden! Wenn die letzten drei Kandidaten überprüft worden sind, werde ich mich in die Auswahl einbringen.»