Keine Frage: Die mechanischen Kaliber von ETA und Sellita gelten als robust, zuverlässig und präzise. Des Weiteren gestatten sie die Herstellung preisgünstiger Armbanduhren. Anderseits mangelt es diesen Uhrwerken wegen der Produktion in hohen Quantitäten an Exklusivität. Speziell das ETA 2824, das weitgehend baugleiche Uhrwerk SW200 von Sellita und weitere Klone finden sich in beinahe unzähligen Zeitmessern fürs Handgelenk.
Für Connaisseurs und passionierte Sammler von Armbanduhren im mittleren Preisbereich mag das auf Dauer langweilig werden. Wer sich jedoch am Markt umsieht, entdeckt dort Alternativen mit tickendem Innenleben hauseigener Provenienz. Diese bewegen sich durchaus in bezahlbarem Preisrahmen. Im Preisbereich von 3000 Franken oder sogar noch deutlich weniger ist jede Menge Manufakturmechanik erhältlich.
Kennissi vermittelt zusätzliche Impulse
Genau genommen pflegt die Genfer Marke Tudor das Thema Manufakturarbeit seit 2001. Aber das Werk T 8000 erfüllte die Erwartungen nicht. Frischen Wind in die Manufaktursegel brachte das Jahr 2015 mit dem Lancement des von der COSC (Contrôle officiel suisse des chronomètres) zertifizierten Automatikkalibers MT5621.
Die Eröffnung der vom ehemaligen Breitling-Chief-Operating-Officer Jean-Paul Girardin geleiteten Kenissi-Fabrikationsstätte leistet einen weiteren Beitrag zur Stärkung der mittlerweile erreichten Position.
Aktuelle Tudor-Armbanduhren mit hauseigenem Innenleben lassen sich leicht an geraden Schriftzügen auf dem Zifferblatt identifizieren. Das gilt auch für die im August 2022 vorgestellte Tudor Ranger. Deren Optik erinnert Kenner und Kennerinnen spontan an die Explorer der Mutter Rolex. Mit 39 Millimetern Durchmesser eignet sich die bis 10 Bar wasserdichte Referenz 79950 für feminine wie maskuline Handgelenke. 26 Millimeter misst das 4,99 Millimeter hoch bauende MT5402 mit Masselot-Unruh, Silizium-Unruhspirale, 4 Hertz Unruhfrequenz und 70 Stunden Gangautonomie.
Über die COSC-geprüfte Ganggenauigkeit des Uhrwerks hinaus checkt die Manufaktur auch noch den fertigen Zeitmesser. Pro Tag darf er nicht mehr als minus zwei und plus vier Sekunden von der Norm abweichen. Bei den Armbändern heisst es wählen zwischen Stahl (2900 Franken für die Uhr), Leder/Kautschuk oder Jacquard-Textil (2600 Franken). In jedem Fall beträgt die Internationale Garantie fünf Jahre. Besonders gepflegt wird die Genfer Marke Tudor in der Deutschschweiz durch Galli Uhren Bijouterie, Zürich.
Mit Tiefpreis auf Tauchkurs
Aus Grenchen und dort von Titoni stammt die derzeitig preisgünstigste Schweizer Uhr aus einer Manufaktur. Mit der Eigenentwicklung des Automatikkalibers T10 feierte das vor allem in Asien bestens bekannte Familienunternehmen (siehe Text rechts) 2019 seinen 100. Geburtstag.
Bei der Konstruktion achteten die Mitglieder der Familie Schluep auf eine vernünftige Preis-Leistungs-Relation fernab exotischer Elemente. In einer Drehrichtung verrichtet der durchbrochen gestaltete Kugellagerrotor seine Energie generierende Arbeit. Hat er ganze Arbeit geleistet, tickt das 29,3 Millimeter grosse und 4,10 Millimeter hohe Uhrwerk mindestens 68 Stunden ohne Unterbruch.
Mithilfe einer Exzenterschraube erfolgt die Feinverstellung des Rückers zur Regulierung des Gangs. Ein Chronometerzeugnis bestätigt die Ganggenauigkeit im Rahmen offizieller Normen. Trotz dem moderaten Preis kann sich die Verarbeitungsqualität des mit einem Fensterdatum ausgestatteten Uhrwerks sehen lassen.
Titoni verbaut diese Mechanik unter anderem in der augenfälligen Taucherarmbanduhr Seascoper. Bis zu 60 Bar widersteht der mit Schraubkrone, Heliumventil, Saphirglas, Sichtboden und einseitig verstellbarem Glasrand ausgestattete Stahlbolide dem Druck des nassen Elements. Per Knopfdruck lässt sich die Länge des Gliederbands um circa 6 Millimeter verlängern. Zu haben ist das Ganze für 1930 Franken.
Die Grenchner sind in China bekannter als in der Schweiz
Die Uhrenmarke aus Grenchen ist hierzulande mit ein paar wenigen Verkaufspunkten (noch) wenig bekannt, dafür aber in Asien, allem voran in China, mit ein paar Hundert Verkäufern eine grosse Nummer. Und vor allem ist -Titoni eines von wenigen Schweizer Uhrenunternehmen, die sich nach wie vor in Familienbesitz befinden und sich ihre Unabhängigkeit bewahrt haben. Über Jahrzehnte sind drei Generationen der Familie Schluep ihre eigenen Wege gegangen. Auf Jahresbeginn 2022 haben die beiden Brüder Marc (29) und Olivier (28) Schluep die operative Leitung des Uhrenunternehmens von ihrem Vater Daniel Schluep übernommen. Damit ist nun die vierte Generation der Familie beim Uhrenhersteller an der Schützengasse am Drücker. Beide Brüder haben an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaft studiert und sind mit einem Jahr Abstand in die Firma eingetreten, wo sie von ihrem Vater auf die kommenden Aufgaben vorbereitet wurden. Daniel Schluep seinerseits zog sich auf das Verwaltungsratsprä-sidium zurück.
Die erste Idee gab ein Kaliber von Peseux
Als Nomos 1991 die Bühne sächsischer Uhrmacherei betrat, tickte im Gehäuse der minimalistischen Tangente das Schweizer Handaufzugskaliber Peseux 7001. Selbiges mutierte im Laufe der Jahre zum selber gefertigten Alpha. Um eine komplette Eigenentwicklung der Glashütter Manufaktur mit heute mehr als 90 Prozent Fertigungstiefe handelt es sich beim 2015 vorgestellten Automatikkaliber DUW 3001.
Die drei Buchstaben stehen für Deutsche Uhren Werke und signalisieren dem Kenner und der Kennerin, dass in dem damit titulieren Mikrokosmos das hauseigene Schwing- und Hemmungssystem Swing mit 3 Hertz zugange ist. Bei 28,8 Millimeter Durchmesser baut das Uhrwerk lediglich 3,2 Millimeter hoch.
Jedes Exemplar mit Glashütter Dreiviertelplatine besteht aus 157 Komponenten. Die kugelgelagerte Wolfram-Schwungmasse führt dem Federhaus in beiden Drehrichtungen Energie zu. Ein Doppelklinkenrad bewerkstelligt die Polarisierung der Rotorbewegungen. Eine Stunde Bewegung baut gut 20 Stunden Gangautonomie auf.
Nach zwei Stunden ist die volle Gangautonomie erreicht. Mit von der Partie ist ein Unruhstopp zum sekundengenauen Einstellen der Uhrzeit. Diese Mechanik gibt es ab 2730 Franken in der neuen Club Sport Neomatik Petrol. 37 Millimeter misst das bis 20 Bar wasserdichte Stahlgehäuse. Auf Zifferblatt und Zeiger blickt man durch entspiegeltes Saphirglas. Das Metallband verfügt über Schnellwechsel-Federstege. 330 Franken mehr kostet die Ausführung mit Sichtboden.
Genfer Herzschlag-Manufaktur
2001 startete bei Frédérique Constant (FC) zusammen mit Partnern die Entwicklung des eigenen Handaufzugskalibers Heart-Beat FC-910-1. 2004 fand man es in verschiedenen Uhrengehäusen. Von Manufakturfertigung war dieses Erstlingswerk mit Guckloch noch weit entfernt.
Die Teile fertigten Zulieferer. Seit der Eröffnung und Erweiterung des eigenen Fabrikgebäudes in der Genfer Gemeinde Plan-les-Ouates nahe den Mitbewerbern Piaget und Vacheron Constantin steigt die Fertigungstiefe. Deshalb gibt es mittlerweile auch hauseigene Automatikkaliber. 2006 startete die Produktion des FC-930. Derzeit umfasst die Manufakturpalette zwei Kaliberfamilien: Alle mit der Ziffer 9 am Anfang stellen den Gangregler auf ihrer Vorderseite zur Schau.
Ohne sichtbaren Herzschlag präsentieren sich hingegen die 2009 eingeführten und ausschliesslich mit Aufzugsautomatik ausgestatteten Maxime-Manufakturkaliber FC-710, 730 und so weiter. Das gleichermassen zuverlässige wie bewährte Basiskaliber FC-710 mit Zentralsekunde und kleinem Zeigerdatum besitzt einen Durchmesser von 30 Millimetern. In der Höhe misst es 6,2 Millimeter.
Sein Rotor spannt die Zugfeder in beiden Drehrichtungen. Nach Vollaufzug lässt der Energiespeicher die Unruh 42 Stunden lang mit 4 Hertz oszillieren. Für eines dieser Uhrwerke benötigen die Uhrmacher 137 Komponenten. 2290 Franken beträgt der unverbindliche Preis für die stählerne Classic Manufacture FC-710MC4H4. Diese Armbanduhr mit 42 Millimetern Gehäusedurchmesser besitzt einen Sichtboden.
Die Garantie läuft zehn Jahre lang
Bis 1982 war Oris eine Manufaktur mit – über die Jahrzehnte hinweg – Hunderten eigener Kaliber. Zum 110. Geburtstag 2014 startete die Rückkehr in den Kreis der Marken mit hauseigenen Uhrwerken. Am Anfang stand das Handaufzugskaliber 110 mit zehn Tagen Gangautonomie. Hiervon gibt es inzwischen mehrere Derivate.
Gleiches gilt für das 2020 nach fünf Jahren intensiver Entwicklungsarbeit vorgestellte Calibre 400 mit Rotor-Selbstaufzug. Bei dem in Hölstein BL konstruierten Œuvre mit 30 Millimeter Durchmesser sowie 4,75 Millimeter Bauhöhe reicht die Kraft zweier seriell geschalteter Zugfedern für 120 Stunden ununterbrochenes 4-Hertz-Ticken.
Besonderen Wert legte Oris auf hohe Widerstandsfähigkeit gegen Magnetfelder, Ganggenauigkeit im Delta der offiziellen Schweizer Chronometernorm sowie Servicefreundlichkeit und lange Wartungsintervalle. Weil nicht Vorhandenes auch keinen Schaden nehmen kann, besteht das Calibre 400 aus nur rund 150 Komponenten.
Der Verzicht auf ein Wechselgetriebe lässt die um ein Gleitlager drehende Schwungmasse nur in einer Richtung aufziehen. Überzeugt von all dem, gibt es nach entsprechender Registrierung zehn Jahre Garantie. Manufakturfans mit Spass an ausgeprägtem Retrolook kommen bei der Divers Sixty-Five 12H für 3100 Franken auf ihre Kosten.
Für diesen Betrag gibt es ein bis zu 10 Bar wasserdichtes Stahlgehäuse mit 40 Millimeter Durchmesser, Drehlünette, Schraubkrone und entspiegeltem Saphirglas, am Handgelenk gehalten von einem Lederband.