Eine Studie der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich und der Berner Fachhochschule BFH von Ende
des letzten Jahres zeigt: Die Kreislaufwirtschaft ist vor allem auch eine Innovationsherausforderung. Und das Tolle: In verschiedensten Bereichen entwickeln kluge Köpfe innovative Konzepte und Produkte.

Zum Beispiel bei Erde Schweiz. Bauern, Hersteller und Sammelstellen-Betreiber übernehmen gemeinsam Verantwortung. Sie sorgen dafür, dass gebrauchte Agrarkunststoffe gesammelt und über die stoffliche Verwertung erfolgreich in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. So soll die Agrarwirtschaft in der Futtermittelproduktion und im Obst- und Gemüsebau noch nachhaltiger werden.

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In der Landwirtschaft kommen Jahr für Jahr grössere Mengen an Kunststoffprodukten zum Einsatz. Damit diese nicht im Abfall landen und die Umwelt belasten, ergriffen Branchenunternehmen gemeinsam die Initiative. Sie lancierten das Rücknahme- und Verwertungssystem für Silofolien und Netze. 

 

Wertvolle Kunststoffe im Kreislauf

Im April dieses Jahres gings los: In fast einhundert Sammelstellen kamen allein im ersten Quartal bereits 465 Tonnen zusammen. Bis Ende Jahr sollen es etwa 1600 sein. Mittelfristig rechnen die Initiatoren mit 3000 bis 4000 Tonnen pro Jahr. Geschäftsführer Kurt Röschli betont die grosse Bedeutung: «Durch Recycling werden Kunststofffolien, also wertvolle Rohstoffe, im Kreislauf gehalten und gelangen nicht als Mikroplastik in die Umwelt.» Er zeigt sich optimistisch: «Wenn alle mitmachen, dann funktioniert das System – in Deutschland werden so schon rund 60 Prozent der gebrauchten Folien wieder eingesammelt.»

So gehts: In Recyclingbetrieben werden die Kunststoffe gewaschen, zerkleinert und wieder zu Granulaten eingeschmolzen. Diese sogenannten Kunststoffrezyklate werden dann zu neuen Produkten weiterverarbeitet. Beispielsweise zu Gartenmöbeln oder Agrarfolien, Baufolien und Folienbeutel. Konkret: Aus einer Tonne Erntekunststoffe werden beispielsweise Rezyklate für 12 500 reissfeste 80-Liter-Kunststoffbeutel gewonnen. Finanziert wird das System durch Beiträge der Hersteller der Produkte. Diese helfen, die Kosten für Logistik und Weiterverarbeitung möglichst niedrig zu halten. Viele der Sammelstellen haben bereits Kunststoffe gesammelt, werden die Rücknahme aber dank der Herstellerunterstützung je nach Kanton bis zu 30 Prozent unter den Preisen der Kehrichtverbrennung anbieten können.

 

Neue Technologie im Textilien-Recycling

Auch in der Textilindustrie läuft es in Sachen Kreislaufwirtschaft rund: Jüngst ist das Swiss Textile Recycling Ecosystem gestartet. Es bringt wichtige Player der gesamten textilen Wertschöpfungskette zusammen. Basis ist die innovative Recyclingtechnologie des britischen Unternehmens Worn Again Technologies WAT. Die Briten haben im Juni den Bau einer Demo-Anlage in der Nähe ihres Winterthurer Technologie- und Scale-up-Partners Sulzer Chemtech angekündigt. Diese soll im Jahr 1000 Tonnen gebrauchte Textilien verarbeiten können. Daraus werden neuwertige Recyclingfasern aus PET und Zellulose zur Produktion neuer, hochwertiger Textilien.

Im Konsortium sind die WAT-Partner und -Aktionäre Sulzer, Oerlikon und
die H&M-Group dabei. Rieter aus Winterthur unterstützt die Zellulosespinnerei, Monosuisse aus Emmenbrücke LU übernimmt die PET-Faserproduktion. Und Coop ist Sammelstelle und Rohstofflieferant. Altkleiderverwerter Texaid, ISA Sallmann aus Amriswil TG und der französische Hersteller von Textilien für die Bauindustrie, Serge Ferrari, liefern die Ausgangsstoffe. Der Dachverband Swiss Textiles organisiert. «Die Kooperation wird auch eine Schlüsselrolle beim Ausbau unserer Kapazitäten und beim Aufbau eines Netzwerks spielen, das den Bau von Grossanlagen in aller Welt unterstützt», so Torsten Wintergerste, Vorsitzender von WAT und Divisionsleiter bei Sulzer Chemtech.

Noch futuristisch: In seiner Diplomarbeit zum Produktdesign-Master hat Benjamin Bichsel biologisch abbaubare OP-Kleider entwickelt. Er zeigt, dass mit industriell kompostierbaren Zellulosefaser-Textilien riesige Mengen an synthetischen Textilabfällen verhindert werden können. Das ETH-Start-up Dimpora macht die abbaubare Kleidung mit einer wasserfesten Beschichtung einsatzfähig für den Medizinalbereich. Im Förderprogramm von Pro Helvetia konnte der Designer mit Unterstützung von Experten vertiefte Abklärungen und Analysen durchführen. «Nun suche ich Partner aus der Industrie, um das Projekt weiter voranzutreiben», so Bichsel. Auch bei der Hardware tut sich im Gesundheitswesen etwas: Der Krankenversicherer Swica verwendet für seinen Neubau als erster Kunde den Recyclingbeton Incycle des Winterthurer Unternehmens Toggenburger. Dieser stammt aus alten Strassen und Häusern. Pro Kubikmeter enthält er bis zu 17 Kilogramm eingebundenes CO₂. Insgesamt verbaut Swica so rund 2000 Kubikmeter des nachhaltigen Betons. Für Swica sind die Kreislaufwirtschaft, eine sehr gute CO₂-Bilanz und eine lokale Partnerschaft zentral: «Der Recyclingbeton erfüllt all diese Punkte», sagt Roger Münger, Leiter Kapitalanlagen und Corporate Real Estate bei Swica. Dass es im Gesundheitsbereich noch weiteres Potenzial gibt, zeigt die Studie «Green Hospital» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt belasten die Konsumbereiche Ernährung, Mobilität und Wohnen die Umwelt am stärksten. Aber bereits auf Platz vier folgt das Gesundheitswesen. 

 

Studie «Green Hospital»

Studienleiter Matthias Stucki hat die Spitäler unter die Lupe genommen. Sein Fazit: «Die Hälfte könnte ihre Emissionen um 50 Prozent vermindern, ohne dass ihre Leistungen schlechter würden.» Zusätzliche Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsstudien Basel IWSB zeigen, dass das grösste Sparpotenzial in der Wärmeversorgung liegt. Fakt ist: Ob ein Spital erneuerbare oder fossile Energien verwendet, macht einen grossen Unterschied. Spitäler mit Fernwärme schneiden laut Studie bei der Ökobilanz deutlich besser ab. Wenig überraschend sind alte Gebäude oft weniger energieeffizient. Die Kreislaufwirtschaft erfordert einen neuen Umgang mit Ressourcen – vor allem aber auch clevere Köpfe für smarte Innovationen.